Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 2. Oktober 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um das Ende der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS).
Die am 25. Juni 1957 geborene Klägerin legte am 11. Juni 1976 die Reifeprüfung ab. Sie wurde von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen zum Wintersemester 1976/77 nicht zum Studium der Biologie zugelassen. Dann durchlief sie bis Oktober 1978 eine Ausbildung zur technischen Assistentin für Elektrotechnik und Elektronik. Anschließend war sie bis März 1984 als technische Assistentin berufstätig. Im Sommersemester 1984 nahm sie das Studium der Biochemie auf.
Mit Schreiben vom 22. November 1988 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß vorbehaltlich der Verabschiedung des Entwurfs des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) die studentische Krankenversicherung nicht über den 31. März 1989 hinaus fortgeführt werde. Die Klägerin beantragte demgegenüber, die Fortdauer der Versicherungspflicht in der KVdS festzustellen und machte geltend, die Nichtzulassung zum Studium rechtfertige dieses. Vorsorglich erklärte die Klägerin den Beitritt zur freiwilligen Versicherung. Nach weiterem Schriftwechsel lehnte die Beklagte mit förmlichem Bescheid vom 10. Oktober 1989 und Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1989 die Versicherungspflicht in der KVdS über den 31. März 1989 ab, weil die Klägerin über 30 Jahre alt und eine Überschreitung der Altersgrenze nicht gerechtfertigt sei.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage mit Urteil vom 23. November 1990 stattgegeben, das Landessozialgericht (LSG) hat sie auf die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 2. Oktober 1991 abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die gesetzliche Regelung, nach der die Versicherungspflicht über das 30. Lebensjahr hinaus weiterbestehe, sei eng auszulegen und nicht auf die Abwehr einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme der KVdS beschränkt. Gründe, die eine Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigten, lägen bei der Klägerin nicht vor. Die Nichtzulassung zum Studium sei nicht ursächlich für den späten Studienbeginn gewesen, weil sie nicht bis zu diesem Zeitpunkt fortgewirkt habe.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 9 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 2. Oktober 1991 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 23. November 1990 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Die Klägerin ist aus der Versicherungspflicht als Studentin ausgeschieden.
Die Versicherungspflicht der Klägerin als Studentin begann im Sommersemester 1984 nach den damals noch geltenden Vorschriften des Zweiten Buchs der Reichsversicherungsordnung (RVO). Dieses war durch das Gesetz über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536) um die KVdS erweitert worden. Nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO wurden – unabhängig vom Alter – eingeschriebene Studenten der staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen für den Fall der Krankheit versichert.
Die Versicherungspflicht hat bei der Klägerin jedoch nach dem am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen GRG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) geendet. Seither sind Studenten nach § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 1 SGB V grundsätzlich nur noch bis zum Abschluß des 14. Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres versicherungspflichtig. Die Klägerin hatte bei Inkrafttreten des neuen Rechts das 30. Lebensjahr vollendet. Gleichwohl blieb sie nach der Übergangsregelung in Art 56 Abs 6 GRG noch bis zum Ende des Wintersemesters 1988/89 (31. März 1989) versicherungspflichtig. Darüber hinaus hat Versicherungspflicht in der KVdS bei ihr nicht mehr bestanden. Eine Ausnahmeregelung, die Halbs 2 des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V enthält, greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift sind Studenten nach Abschluß des 14. Fachsemesters oder nach Vollendung des 30. Lebensjahres nur noch versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigen.
Die Entwicklung der KVdS bis zu dieser Neuregelung und die hierfür gegebene Gesetzesbegründung sind in dem Urteil vom 30. September 1992 (12 RK 40/91, zur Veröffentlichung bestimmt) näher dargelegt. Dort ist auch ausgeführt, daß der Gedanke der Mißbrauchsabwehr zwar den Anstoß für die Begrenzung der KVdS gegeben hat, die Neuregelung aber nicht auf die Abwehr einer mißbräuchlichen Begründung der Versicherung beschränkt, sondern eine allgemeine Begrenzung durch die Höchstdauer der Fachstudienzeit und das Alter vorgenommen worden ist; das Ausscheiden aus der KVdS wegen Überschreitens der Altersgrenze bedeutet deswegen keinen Vorwurf von Mißbrauch. Weiter können nach der genannten Entscheidung nur Gründe von solcher Art und solchem Gewicht die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen, die nicht nur aus der Sicht des Einzelnen, sondern auch bei objektiver Betrachtungsweise die Aufnahme des Studiums verhindern oder als unzumutbar erscheinen lassen (im folgenden: Hinderungsgründe); das Studium aufzuschieben, weil dieses als zweckmäßig oder sinnvoll erscheint, reicht demgegenüber nicht aus. Demnach sind in jenem Urteil eine Berufsausbildung und anschließende Berufsausübung zwischen Abitur und Aufnahme des Studiums nicht als Hinderungsgrund anerkannt worden, auch wenn der Eintritt ins Berufsleben Erfahrungen in der Arbeitswelt vermittelt, die in einem Studium nützlich sein und später die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt verbessern können. Dieses gilt grundsätzlich auch für die Klägerin des vorliegenden Verfahrens.
Allerdings besteht bei ihr die Besonderheit, daß sie nach dem Abitur (Juni 1976) von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen für das Wintersemester 1976/77 nicht zum Studium zugelassen worden ist und dann zunächst eine zweijährige Berufsausbildung durchlaufen hat sowie anschließend mehr als fünf Jahre berufstätig gewesen ist. Auch bei einem solchen Sachverhalt ist die Überschreitung der Altersgrenze jedoch nicht gerechtfertigt.
Die Nichtzulassung zur gewählten Ausbildung im Auswahlverfahren ist zwar ein Grund, der einer Aufnahme des Studiums entgegengestanden hat und auch im Entwurf des GRG ausdrücklich als Hinderungsgrund anerkannt ist (vgl BR-Drucks 200/88 = BT-Drucks 11/2237, jeweils S 159 zu § 5 Abs 1 Nr 9). Die Verhinderung bezieht sich jedoch in der Regel nur auf das Semester, für das die Zulassung versagt worden ist. Sollen mehrere Semester als Hinderungszeit in Betracht kommen, muß grundsätzlich für jedes Semester der Nachweis einer erfolglosen Bewerbung verlangt werden. Etwas anderes kommt allenfalls in Betracht, soweit eine weitere Bewerbung offensichtlich aussichtslos gewesen wäre. Ob ausnahmsweise auch die Zeit einer nach der fehlgeschlagenen Erstbewerbung aufgenommenen Berufsausbildung als Hinderungszeit gelten kann, wenn Bewerbungen auch für die nächsten Semester wenig aussichtsreich waren und der Abschluß einer Berufsausbildung als sinnvolle Überbrückung einer wahrscheinlichen Wartezeit erscheinen konnte, braucht hier nicht entschieden zu werden. Selbst wenn mit einer solchen Begründung bei der Klägerin mehrere Semester oder die zwei Jahre Berufsausbildung (1976 bis 1978) als Hinderungszeit angesehen würden, könnte dieses ohne eine anschließende erneute Bewerbung um einen Studienplatz für die mehrjährige spätere Berufstätigkeit bis 1984 nicht mehr gelten. Von der Erstbewerbung zum Wintersemester 1976/77 bis zur Aufnahme des Studiums im Sommersemester 1984 hat sich die Klägerin jedoch nicht mehr um einen Studienplatz beworben. Ihr Vorbringen, sie habe eine mehrjährige praktische Tätigkeit ausgeübt, weil ihr dann nach der für die Vergabe von Studienplätzen geltenden Wartezeit ein Studienplatz ohne Rücksicht auf den Abiturnoten-Durchschnitt sicher gewesen sei, ist allein nicht geeignet, zu einer Anerkennung auch der langen Zeit der Berufsausübung als Hinderungszeit zu führen.
Wenn die Klägerin hiernach im Anschluß an das Abitur höchstens einige Semester an der Aufnahme eines Studiums gehindert war, so kann deswegen bei ihr die Altersgrenze von 30 Jahren nicht um die gleiche Zahl von Semestern hinausgeschoben werden. Hierzu führen die Hinderungsgründe iS des § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V vielmehr nur, wenn sie die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen, sie mithin für das Studium noch nach Vollendung des 30. Lebensjahres ursächlich sind. Diese Ursächlichkeit muß jeweils geprüft und festgestellt werden. Hiermit ist es nicht vereinbar, die Altersgrenze in der KVdS ohne weiteres um die Zeit anzuheben, für die nach dem Abitur Hinderungsgründe vorgelegen haben, weil dann die Kausalität nicht geprüft, sondern als gegeben unterstellt würde. Die gebotene konkrete Untersuchung der Ursächlichkeit ergibt bei der Klägerin, daß zwar nach dem Abitur eine gewisse Hinderungszeit vorgelegen hat, dieser aber eine längere Zeit der Nichtverhinderung gefolgt ist. Demnach ist bei ihr für die Überschreitung der Altersgrenze nicht die Versagung des Studienplatzes, sondern die lange Berufstätigkeit maßgebend gewesen. Dieses wird durch die weiteren Feststellungen des LSG bestätigt, wonach die Klägerin im Laufe des Verfahrens für den späten Studienbeginn finanzielle Gründe (Wunsch nach elternunabhängiger Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) und das Bestreben angegeben hat, die Wartezeit für eine Rente zu erfüllen.
Das LSG hat zutreffend ausgeführt, daß die Förderung des Studiums nach dem BAföG nicht zur Versicherungspflicht in der KVdS führt, weil § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V eine Verknüpfung mit der Förderung oder Förderungsfähigkeit des Studiums nicht enthält. Hierzu wird auf das Urteil vom 30. September 1992 (12 RK 3/91, zur Veröffentlichung bestimmt) verwiesen. Dieses Urteil befaßt sich mit der Überschreitung der Altersgrenze bei Absolventen des Zweiten Bildungswegs.
Demnach erwies sich die Revision der Klägerin als unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen