Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 10.07.1969) |
SG Hamburg (Urteil vom 24.10.1967) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 10. Juli 1969 aufgehoben. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Oktober 1967 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Bergbaualtlastbeitrag für 1965 betrifft. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu er statten.
Tatbestand
I
Die Hamburgische Landesbank-Girozentrale – Nordwest Lotto und Toto Hamburg – (Klägerin) führt das als Staatslotterie betriebene Zahlenlotto und den Fußballtoto in Hamburg durch. Geschäftsführung und Leitung des Wettgeschäfts liegen in der Hand ihrer zentralen Verwaltung. Diese bedient sich zur Durchführung des Wettgeschäfts der Hilfe von Annahme- und Bezirksstellen (AStn – BStn). Bei den AStn werden die Wetten abgeschlossen. Den Geschäftsverkehr zwischen den AStn und der Zentrale vermitteln die Bezirksstellenleiter (BStL = Beigeladene). Die Beklagte (BG) hält die BStL für Beschäftigte und damit nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) Versicherte. Sie verlangt von der Klägerin Beiträge für die Beigeladenen. Die Beklagte stützt ihre Ansicht auf das Urteil des erkennenden Senat vom 9. Dezember 1964 – 2 RU 196/62 – (SozR Nr. 39 zu § 537 RVO aF).
Die BStL des Nordwest Lotto und Toto Hamburg (NLT) werden aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages tätig, der zwischen ihnen und der Klägerin unter Verwendung eines einheitlichen Vertragsmusters abgeschlossen wird. Das Vertragsmuster hat folgenden Wortlaut:
„Herr…. übernimmt mit Wirkung vom … die Aufgaben eines Bezirksstellenleiters des NLT nach Maßgabe nachstehender Vereinbarungen. Er ist selbständiger Gewerbetreibender. Ein Angestelltenverhältnis wird durch den Abschluß dieses Vertrages nicht begründet.
§ 1
Obliegenheiten des BStLs
Die dem BStL obliegenden Aufgaben werden im einzelnen in der „Allgemeinen Geschäftsanweisung für die Bezirksstellenleiter” sowie in den durch Rundschreiben gegebenen Anweisungen und Verfügungen näher bezeichnet und erläutert.
Für beide Vertragspartner sind die „Allgemeine Geschäftsanweisung für die Bezirksstellenleiter” in der jeweils gültigen Fassung sowie die vom NLT durch Rundschreiben erlassenen Verfügungen und Anweisungen verbindlich. Sie sind Bestandteil dieses Vertrages.
§ 2
Provisionsvergütung für den BStL
Die Provisionsvergütung beträgt 1,75 % der Spieleinsätze, welche von den AStn getätigt werden, die ihr Geschäftslokal in dem Bezirk haben, welcher dem BStL, zugewiesen worden ist.
§ 3
Abgrenzung der ausgewiesenen Bezirke
Die Grenzen des dem BStL zugewiesenen Bezirks sind in Anlage 1 zu diesem Vertrag festgelegt. Das NLT schließt die Verträge mit den AStn, die ihr Geschäftslokal in dem Bezirk haben, der dem BStL zugewiesen worden ist, nach Anhörung des BStLs unmittelbar nach eigenem Ermessen.
Das NLT kann aus triftigem Grund die Bezirksgrenzen mit einer angekündigten Frist von drei Monaten zum Ultimo eines jeden Halbjahres neu festsetzen.
§ 4
Prüfungsrechte
Der BStL hat der Finanzbehörde und ihren Beauftragten sowie dem Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg Auskünfte zu erteilen und auf Anordnung Akten und sonstige Unterlagen vorzulegen. Kosten entstehen dem BStL hierdurch nicht.
§ 5
Vertragsdauer
Dieser Vertrag gilt bis zum …. Er kann während seiner Laufzeit nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden. Als wichtiger Grund gelten auch der Entzug der Konzession für das NLT sowie Tatsachen, die den BStL nach Ansicht des NLT zur Fortführung der Geschäfte ungeeignet erscheinen lassen. Nach dem … verlängert sich der Vertrag um jeweils 2 Jahre, wenn er nicht 1/2 Jahr vor Ablauf gekündigt wird.”
Die in § 1 des Vertragsmusters angeführte „Allgemeine Geschäftsanweisung für die Bezirksstellenleiter” (bzw. Bezirksstellen) –AGBSt– enthält ua folgende Bestimmungen:
§ 2
Obliegenheiten des Inhabers einer Bezirksstelle
(1) Jeder BStL ist verpflichtet, sich über die jeweils gültigen Bestimmungen des NLT zu informieren und auf dem laufenden zu halten, damit er in der Lage ist, seine Aufgaben ordnungsmäßig zu erfüllen und Auskünfte vollständig und richtig zu erteilen.
(2) Der BStL hat der Landesgeschäftsstelle (LGSt) Vorschläge für den Ausbau der Vertriebsorganisation in dem ihm zugeteilten Bezirk zu machen. Die ihm von der LGSt übergebenen Bewerbungen um eine ASt hat er zu prüfen und mit seiner Stellungnahme der LGSt zur Entscheidung zurückzureichen. Bei ihm direkt eingehende Bewerbungen sind zunächst der LGSt vorzulegen. In jedem Falle wird der BStL vor Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Inhaber einer ASt gehört. Der BStL hat die Inhaber der AStn gemäß der Allgemeinen Geschäftsanweisung für die Annahmestellen (AGAStn) sowie den Verfügungen, Anordnungen und sonstigen Anweisungen der LGSt in ihre Obliegenheiten einzuweisen, laufend zu beraten und ihren das NLT betreffenden Geschäftsbetrieb ständig zu beaufsichtigen. Insbesondere hat er darauf zu achten, daß die vom NLT erlassenen Bestimmungen, Geschäftsanweisungen und Verfügungen von den AStn einwandfrei eingehalten werden. Der Schrift- und Abrechnungsverkehr zwischen den AStn und dem NLT ist grundsätzlich über die zuständige BSt zu leisten. Ausnahmen kann die LGSt bestimmen bzw. ergeben sie sich aus § 2 Abs. 12 der AGAStn.
(3) Der BStL hat die AStn seines Bezirkes rechtzeitig und ausreichend mit Spielscheinen, Banderolen, Werbematerial usw. zu versorgen. Er hat sich über die bei den AStn seines Bezirkes jeweils vorhandenen Bestände dieser Art. auf dem laufenden zu halten und seinen Bedarf rechtzeitig bei der LGSt anzumelden. Umfang, Zeitpunkt, Weg und Art. der Zuleistung sowie die hierbei zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen bestimmt die LGSt. Der BStL hat die von ihm empfangenen Materialien sorgfältig auf ihre Richtigkeit und Vollzähligkeit gemäß Begleitschreiben oder Quittung zu prüfen und ist, soweit er Materialien vorläufig in eigene Verwahrung nimmt, für eine sorgfältige und sichere Lagerung verantwortlich. Die BStL sind verpflichtet, angeforderte Materialien auf eigene Kosten bei der LGSt oder dem örtlichen Lieferanten abzuholen und an die AStn ihres Bezirks weiterzuleiten. Die Kosten der Weiterleitung trägt der BStL.
(4) Der BStL hat die Kontroll- und Auswertungsabschnitte (Teil B und Teil C) der von den AStn seines Bezirkes ausgefertigten Spielscheine, die Abrechnungen hierüber, die Zahlungsträger (Verrechnungsscheck) und je eine Ausfertigung der Gewinnlisten der Vorwoche mit den ausgewiesenen nicht ausgezahlten Gewinnen sowie die von den AStn eingelösten Quittungsabschnitte (Teil A) der Gewinn-Spielscheine nach sorgfältiger Bearbeitung sicher und rechtzeitig der LGSt unter Beachtung der hierüber erlassenen Bestimmungen zuzuleiten. Die Kosten der Abholung von den AStn sowie der Zuleitung von der BSt zur LGSt trägt die BSt. Der BStL hat ein Lotto- und Toto-Konto bei der von der LGSt vorgeschriebenen Bank zu unterhalten.
(5) Der BStL hat auf Verlangen der LGSt die Durchführung der Werbung für das NLT zu überwachen. Er hat weiterhin dafür zu sorgen, daß die von den AStn übergebenen Werbemittel den Bestimmungen entsprechend und in möglichst wirksamer Form eingesetzt werden. Von der BSt bzw. den AStn des Bezirkes beabsichtigte eigene Werbemaßnahmen müssen den Richtlinien des NLT entsprechen und sind vorher mit der LGSt abzustimmen.
(6) Es ist den BStLn untersagt, für Lotterie- oder Wettveranstaltungen tätig zu werden, die nicht vom NLT betrieben werden, soweit nicht eine Ausnahme bewilligt ist. Dieses Verbot umfaßt auch die Veranstaltung von Losgemeinschaften und Welt- oder Spielgemeinschaften. Der Verkauf von Losen der Nordwestdeutschen Klassenlotterie und die Betätigung als konzessionierter Buchmacher fallen nicht unter dieses Verbot.
(7) Der BStL hat die Geschäfte seiner BSt persönlich zu führen. Er hat einen geeigneten, der LGSt genehmen Vertreter zu bestellen, der ihn im Fall der Verhinderung vertritt. Ist der BStL wegen Urlaubs oder aus anderen Gründen langer als 2 Wochen an der persönlichen Wahrnehmung der Geschäfte verhindert, so hat er hierfür die vorherige Zustimmung der LGSt einzuholen. In Krankheitsfällen hat er seine Verhinderung anzuzeigen.
(8) Die LGSt sowie die Finanzbehörde und der Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg können jederzeit die Geschäftsführung der BSt prüfen. Der BStL oder dessen Vertreter hat insbesondere den mit der Prüfung beauftragten auf Verlangen sämtliche auf das NLT bezüglichen Unterlagen vorzulegen. Dazu gehören Auszüge von Bank- und Postscheckkonten mit Lotto- und Toto-Geldern, der Bestand an barem Geld, an Spielscheinen und Banderolen. Über sämtliche einschlägigen Fragen ist Auskunft zu geben. Die Beauftragten müssen sich durch ein besonderes Ermächtigungsschreiben der LGSt, der Finanzbehörde oder des Rechnungshofes der Freien und Hansestadt Hamburg ausweisen. Kann eine Prüfung aus Gründen, die der BStL zu vertreten hat, vorübergehend nicht stattfinden oder wird eine Prüfung durch das Verhalten des BStLs oder seiner Hilfskräfte veranlaßt, so hat der BStL die entstehenden Kosten zu tragen.
(9) Für die Obliegenheiten des BStLs sind maßgebend: diese allgemeine Geschäftsanweisung (AGBSt)
die Teilnahmebedingungen
die Hinweise auf den Spielscheinen und
die Verfügungen und Anordnungen des NLT.
(10) Der BStL ist verpflichtet, auch die entsprechenden Anweisungen und Verfügungen für AStn sinngemäß zu beachten. Der BStL und seine Hilfskräfte haben über Namen und Anschrift der Spielteilnehmer, insbesondere über deren Beteiligung am Spiel und erzielte Spielgewinne Stillschweigen zu bewahren. Dies gilt auch für alle sonstigen Angelegenheiten, die ihrer Natur nach oder auf besondere Anordnungen des NLT vertraulich zu behandeln sind.
§ 3
Vergütung für den BStL
(1) Der BStL erhält eine Provisionsvergütung nach Maßgabe des mit dem NLT abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages. Damit ist seine gesamte Tätigkeit für das NLT abgegolten. Weit ergehende Ansprüche bestehen nicht.
(2) Bei groben oder mehrfachen Verstößen gegen Verfügungen, Anordnungen und sonstige Anweisungen, insbesondere bei Ablieferung falscher oder unvollständiger Abrechnungen, nicht prompter Weiterleitung der Kontrolleinsätze, der Spielscheingebühren, der nicht ausgezahlten Gewinnbeträge und der Abrechnungen hierüber, oder bei grobfahrlässiger Verletzung der Pflichten eines BStLs ist das NLT berechtigt – soweit nicht etwa eine Kündigung gemäß § 5 Abs. 3 in Frage kommt –, dem BStL eine Konventionalstrafe, für jeden Einzelfall in Hohe von DM 10,– bis DM 500,–, aufzuerlegen, die an die LGSt zu zahlen ist.
§ 4
Beauftragung des BStLs
(1) Das NLT und der BStL schließen einen schriftlichen Geschäftsbesorgungsvertrag.
(2) Der BStL muß deutscher Staatsangehöriger und volljährig sein; sein persönlicher Leumund muß tadellos, seine Vermögensverhältnisse müssen geordnet sein; insbesondere muß er über das für den Betrieb einer BSt erforderliche Betriebskapital verfügen; er muß hinreichende kaufmännische Kenntnisse besitzen. Da er die Geschäfte der BSt persönlich zu führen hat, muß er seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthaltsort in Hamburg haben; er darf keinen sonstigen Beruf ausüben, der ihn örtlich oder zeitlich von seiner Tätigkeit als Inhaber einer BSt des NLT abhält. Die LGSt kann zum Nachweis von Staatsangehörigkeit, Lebensalter, Wohnsitz und persönlichem Leumund die Einreichung geeigneter Nachweise verlangen. Über seine Vermögensverhältnisse im ganzen kann vom BStL bzw. einem Bewerber eine eingehende Erklärung, über seine kaufmännische Befähigung können Zeugnisse oder sonstige Beurteilungen durch die LGSt angefordert werden.
(3) Zur Sicherung aller Ansprüche aus Schäden, die dem NLT aus der Tätigkeit eines BStLs erwachsen können, insbesondere hinsichtlich der nicht ordnungsgemäßen Weiterleitung der vereinnahmten Spieleinsätze und Spielscheingebühren, der Auszahlung der Spielgewinne an die AStn und Rückzahlung etwa nicht ausgezahlter Spielgewinne an die LGSt kann das NLT eine ihm genehme Sicherheitsleistung von dem BStL verlangen.
(4) Die BStL sind verpflichtet, der LGSt auf deren Verlangen die Namen und Anschriften der Mitarbeiter, die mit den BStn-Geschäften befaßt sind, schriftlich mitzuteilen.
§ 5
Beendigung des Vertragsverhältnisses
(1) …
(2) …
(3) Der Vertrag erlischt mit Ablauf des Tages, an welchem der BStL stirbt. Die LGSt setzt unverzüglich einen Verwalter ein, der die BSt bis zum Ablauf des dritten auf den Todestag folgenden Monats (= 12 Ausspielungen) für Rechnung der Erben, einschließlich der Kosten für die Verwaltung, weiterführt. Innerhalb dieses Zeitraumes wird ein neuer BStL unter Vertrag genommen.
§ 6
Änderung der Allgemeinen Geschäftsanweisung
Das NLT behält sich vor, jederzeit diese Allgemeine Geschäftsanweisung sowie die Verfügungen, Anordnungen und sonstigen Anweisungen mit sofortiger Wirkung zu ändern. Änderungen der Bestimmungen über die Provisionsvergütung und die Beendigung des Vertragsverhältnisses treten unter den gleichen Fristen und Terminen wie eine ordentliche Kündigung in Kraft, soweit sie nicht von dem BStL mit früherer Wirkung anerkannt werden. Das NLT kann aus triftigem Grund die Bezirksgrenzen mit einer angekündigten Frist von 3 Monaten zum Ultimo eines jeden Halbjahres neu festsetzen.”
Durch Bescheid vom 6. Mai 1966, ersetzt durch Bescheid vom 13. Juni 1966, forderte die Beklagte für das Jahr 1965 Beiträge zur Unfallversicherung (UV) auch für die damals fünfzehn BStL der Klägerin (insgesamt 7.438,– DM). Den Anteil der Klägerin an der Bergbaualtlast für 1965 hatte sie zuvor durch Bescheid vom 28. April 1966, ersetzt durch Bescheid vom 13. Juni 1966, geltend gemacht (insgesamt 5.231,– DM). In beiden Fällen berücksichtigte die Beklagte für die BStL eine Lohnsumme von 540.000,– DM (Höchstbetrag nach § 575 Abs. 2 S. 1 RVO). Die Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 8. September 1966 zurück. Sie ersetzte den die Beitragszahlung betreffenden Bescheid durch Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 1966, diesen durch Widerspruchsbescheid, vom 8. März 1967. Nachdem die Klägerin auch wegen der Bergbaualtlastumlage Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben hatte, trennte das SG dieses Verfahren ab, die Klägerin nahm die auf Ermäßigung der Bergbaualtlastumlage gerichtete Klage im April 1968 zurück. Die Beklagte hatte sich vorher verpflichtet, den Bescheid über die Bergbaualtlastumlage für 1965 zu ändern, wenn es in dem vorliegenden Verfahren wegen der Beiträge zur UV zu einer Änderung des Beitragsbescheides für 1965 kommen sollte. In diesem Verfahren hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 13. Juni 1966 idF des Widerspruchsbescheides vom 8. März 1967 durch Urteil vom 24. Oktober 1967 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Da die berufliche Stellung der beigeladenen BStL in wesentlichen Punkten mit derjenigen der BStL der Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH übereinstimme, seien sie nach den in der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 1964 (aaO) herausgearbeiteten Grundsätzen als versicherte Arbeitnehmer anzusehen. Die Tätigkeit der BStL sei in ihrem Gesamtbild durch ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zur Klägerin gekennzeichnet. Dies gelte zwar nicht hinsichtlich der Kontrolltätigkeit (§ 2 Abs. 2 S. 5 bis 7 AGBSt). Diese falle aber gegenüber den streng weisungsgebundenen Aufgaben der BStL, die sich auf die einzelnen Spielabschlüsse bezögen (§ 2 Abs. 3 und 4 AGBSt), sowie gegenüber den Organisations- und Werbemaßnahmen (§ 2 Abs. 2 S. 1 bis 4 und § 2 Abs. 5 AGBSt) nicht ins Gewicht.
Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat auf die Berufung der Klägerin antragsgemäß die Entscheidung des Erstgerichts sowie die Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 8. September 1966 idF vom 19. Dezember 1966 und 8. März 1967 durch Urteil vom 10. Juli 1969 aufgehoben und den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 1966 idF vom 13. Juni 1966 dahin geändert, daß der UV-Beitrag der Klägerin für 1965 auf 5.920,– DM ermäßigt wird. Außerdem hat es den Beitragsbescheid der Beklagten vom 28. April 1966 idF vom 13. Juni 1966 geändert und den Bergbaualtlastbeitrag für 1965 auf 4.032,– DM ermäßigt. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Bezüge der BStL des NLT seien bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigen. Die BStL hätten im Jahre 1965 nicht in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis zur Klägerin gestanden; sie seien vielmehr selbständig gewesen. Allerdings entsprächen die Rechtsbeziehungen der Beigeladenen zur Klägerin nicht dem üblichen Verhältnis eines selbständigen Gewerbetreibenden zu seinem Auftraggeber. Sie seien ähnlich gestaltet wie die Rechtsbeziehungen eines Behördenleiters gegenüber seiner übergeordneten Behörde. Die BSt unterliege der Aufsicht der LGSt (§ 2 Abs. 8, § 3 Abs. 2 AGBSt). Der Geschäftsablauf vollziehe sich nach Normen, an welche die BStL gebunden seien (§ 1 Abs. 2 des Vertragsmusters; § 2 Abs. 1, 9 und 10, § 5 Abs. 1 AGBSt). „Die jeweils gültigen Bestimmungen” (§ 2 Abs. 1 AGBSt) sähen wie Rechtssätze generelle Regelungen für bestimmte Fälle vor. Soweit die Regelungen nicht in der Geschäftsanweisung selbst enthalten seien, würden sie durch Rundschreiben getroffen. Aus dieser Bindung an generelle Weisungen habe der 2. Senat des BSG in seinem Urteil vom 9. Dezember 1964 (aaO) jedoch zu Unrecht ein Direktionsrecht des Arbeitgebers abgeleitet. Die Unterwerfung unter eine normative Regelung begründe, selbst wenn sie sich auf den Arbeitsablauf beziehe, noch keine persönliche Abhängigkeit. Dies habe der 3. Senat des BSG in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht (SozR Nr. 27, 34, 36 und 51 zu § 165 RVO). Auch der Bundesgerichtshof (BGH) habe in seinem Urteil vom 2. Januar 1965 (BGHZ 43, 108) in der Bindung der Inhaber von AStn an die Geschäftsanweisung und die zu ihrer Ausführung erlassenen Vorschriften keine wesentliche Einschränkung ihrer Selbständigkeit gesehen. Die Haftung der vom Unternehmer finanzierten UV sei nur gerechtfertigt, wenn der Unternehmer durch Einzelweisungen die jeweiligen Arbeiten steuern könne. Zu Einzelweisungen hinsichtlich der Zeit, der Dauer, des Ortes und der Art. der von den Beigeladenen zu verrichtenden Dienstleistungen sei die Klägerin aber nicht berechtigt. Die Eingliederung der BStL in den übergeordneten Organismus sei nicht so ausgeprägt, daß sie für sich allein eine persönliche Abhängigkeit zu begründen vermöge. Darauf habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen vom 14. September 1967 (BFH 90, 193, 198 und 201) hingewiesen: Die Beigeladenen könnten sich ihren Geschäftsbetrieb nach eigenem Ermessen einrichten. Die dafür erforderlichen Ausgaben würden aus der ihnen gezahlten Provision bestritten. Die BStL arbeiteten daher für eigene Rechnung i. S. des § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO und hätten ein wirtschaftliches Risiko zu tragen. Die Klägerin könne ihnen keine zusätzlichen Aufgaben übertragen oder sie an anderen Stellen ihres Geschäftsbetriebes einsetzen. Die BStL könnten ihren Betrieb auch für andere Zwecke als das Lotto- und Totogeschäft einsetzen. Im Hinblick auf den Grad der Eingliederung in die übergeordnete Vertriebsorganisation der Klägerin unterscheide sich die Rechtsstellung der Beigeladenen somit wesentlich von der eines Behördenleiters. Die BStL seien zwar in einem für Privatunternehmer ungewöhnlichem Maße den Vorschriften der Klägerin unterworfen; sie seien aber hinsichtlich der Arbeitseinteilung und der Arbeitsbedingungen nicht derart an die Klägerin gebunden, daß sich daraus ihre persönliche Abhängigkeit ergebe.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und es wie folgt begründet:
Das LSG hätte die Beklagte zur Ermäßigung der Bergbaualtlastumlage schon deshalb nicht verurteilen dürfen, weil das Verfahren insoweit durch Klagerücknahme erledigt worden sei.
Zu Unrecht sei das LSG der Auffassung, daß die Klägerin für ihre BStL keine Beiträge zur gesetzlichen UV zu entrichten habe. Die BStL gehörten zu den Versicherten, da sie wegen ihrer persönlichen Abhängigkeit von der Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis i. S. des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu ihr ständen. Das BSG habe bereits in seinem Urteil vom 9. Dezember 1964 (aaO) festgestellt, daß die BStL der Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH abhängig beschäftigt seien. Die tatsächlichen Verhältnisse lägen in Hamburg nicht anders als in Niedersachsen. Es bestehe daher kein Anlaß, von den in der angeführten Entscheidung aufgestellten Grundsätzen abzuweichen. Das Arbeitsverhältnis sei im Bereich der gesetzlichen UV nach anderen Merkmalen zu beurteilen als im bürgerlichen Recht, im Arbeits- oder Steuerrecht. Insbesondere gelte der bürgerlich-rechtliche Grundsatz der vertragsmäßig freien Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses nicht. Es komme allein auf die tatsächlichen Umstände und nicht auf die vertraglichen Formulierungen an. Die Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit eines BStLs der Klägerin werde insbesondere dadurch deutlich, daß dieser nach außen nicht im eigenen Namen auftrete und die Klägerin den Zuständigkeitsbereich der BStL ohne deren Zustimmung ändern könne. Die Beigeladenen seien in erheblichem Ausmaß in den Betrieb der Klägerin eingespannt. Es bleibe kein Baum für ein selbständiges Handeln in nennenswertem Umfang.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 10. Juli 1969 zu ändern und die Berufung gegen das Urteil des SG Hamburg vom 24. Oktober 1967 zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend:
Die Entscheidung des LSG über die Bergbaualtlastbeiträge sei entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden. Die erneute Antragstellung in der Berufungsinstanz hinsichtlich dieses Streitpunktes sei eine zulässige Klageerweiterung, auf die sich die Beklagte rügelos eingelassen habe. Zudem habe das LSG die Klageänderung als sachdienlich zugelassen.
Das LSG habe mit Hecht entschieden, daß die BStL der Klägerin nicht aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses beschäftigt seien. Es habe über einen in wesentlichen Punkten anders gearteten Sachverhalt entschieden, als er dem Urteil des BSG vom 9. Dezember 1964 (aaO) zugrunde gelegen habe. Das Verhältnis der Klägerin zu ihren BStLn sei anders ausgestaltet als das Verhältnis der BStL in Niedersachsen zur dortigen Fußball-Toto GmbH:
Die BStL der Klägerin seien nicht gehindert, neben ihrer Tätigkeit für das NLT andere Berufe auszuüben. Sie machten von diesem Recht weitgehend Gebrauch. Dies allein schließe schon ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis aus. Es sei undenkbar, daß einem Beschäftigten das Recht eingeräumt werde, in beliebigem Umfang andere Berufe auszuüben. In dem am 9. Dezember 1964 (BSG aaO) entschiedenen Fall habe sich der BStL dagegen ausdrücklich verpflichtet, keine andere gewerbsmäßige Tätigkeit zu verrichten. Die BStL der Klägerin seien darüber hinaus nicht verpflichtet, ihre Arbeitskraft ausschließlich oder überwiegend der Klägerin zu widmen. Demgegenüber habe die Tätigkeit für die Niedersächsische Fußball-Toto GmbH die tägliche Arbeitszeit und die Arbeitskraft des BStLs voll in Anspruch genommen. Schließlich sei eine dem § 5 Abs. 3 AGBSt entsprechende Regelung zwischen dem BStL in Niedersachsen und der dortigen Toto GmbH nicht vereinbart worden. Der BFH sei daher in seinem Urteil vom 14. September 1967 (BFH 90, 193) zur Umsatzsteuerpflicht eines BStLs der Klägerin zu dem Ergebnis gekommen, daß dieser als Unternehmer und nicht als Beschäftigter anzusehen sei. Da die Umsatzsteuerpflicht ebenso wie die Zugehörigkeit zu dem vom UV-Schutz erfaßten Personenkreis davon abhänge, ob die BStL nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Unternehmer oder Beschäftigte einzustufen seien, gehe es in beiden Fällen um dieselbe Rechtsfrage. Sie dürfe nicht unterschiedlich beantwortet werden. Auch der BGH habe nunmehr durch Urteil vom 22. Juni 1972 (BB 1972, 938) entschieden, daß der Beigeladene zu 1) als Handelsvertreter anzusehen sei. Dies gelte wegen der Gleichartigkeit der Vertragsverhältnisse für alle BStL der Klägerin. Da ein Handelsvertreter nach § 84 Abs. 1 S. 1 HGB selbständiger Gewerbetreibender sei, könnten die Beigeladenen im Jahre 1965 nicht Beschäftigte i. S. des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO gewesen sein.
Selbst wenn das Revisionsgericht zu der Auffassung gelange, daß das angefochtene Urteil des LSG mit der Entscheidung des BSG vom 9. Dezember 1964 (aaO) nicht im Einklang stehe, könne die Revision keinen Erfolg haben. Dem BSG sei nicht darin beizupflichten, daß die BStL der Lottoveranstalter unter Berücksichtigung der in Niedersachsen gegebenen Verhältnisse in der Regel abhängig beschäftigt seien. Die Klägerin stützt diese Rechtsauffassung auf ein in ihrem Auftrag von Prof. Dr. S. (Freie Universität Berlin) erstattetes Rechtsgut achten vom 27. Februar 1970, das im wesentlichen folgenden Inhalt hat:
Bei den BStL des NLT fehle das für ein Beschäftigungsverhältnis wesentliche Merkmal der persönlichen Abhängigkeit. Die in den AGBSt enthaltene Reglementierung, welche die Einschaltung in den Wettvorgang selbst betreffe, sei kein Zeichen persönlicher Abhängigkeit. Der 3. Senat des BSG habe vielmehr mit Recht darauf hingewiesen. (SozR Nr. 27 und Nr. 51 zu § 165 RVO), daß solche ins einzelne gehenden Regelungen kein Kriterium für ein Beschäftigungsverhältnis bildeten, wenn sie sich aus der Natur der Sache ergäben (ebenso BAG 18, 87). Das sei hier der Fall, zumal da das eigentliche Wettgeschäft durch die äußeren Umstände zeitlich festgelegt sei. Entscheidend sei weiter, daß die AGBSt als Teil des Vertrages mit den BStLn schon von Beginn des Rechtsverhältnisses an einverständlich Gültigkeit und deshalb nichts mit einem einseitigen Direktionsrecht zu tun hätten, für das nur Kaum sei, wo ausfüllungsfähige und ausfüllungsbedürftige Lücken vorhanden seien. Entgegen der Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 9. Dezember 1964 (aaO) habe der BStL seine Tätigkeit nicht im „betriebsorganisatorischen Zusammenhang” mit dem Unternehmen des Lottoveranstalters ausgeübt. Der Unterschied zwischen Betrieb und Unternehmenszusammenhang sei verkannt worden.
Die BStL hätten ihren eigenen Betrieb und seien nicht in den Betrieb des Lottounternehmens eingegliedert. Aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag und den AGBSt seien keine zwingenden Anhaltspunkte für ein Beschäftigungsverhältnis zu entnehmen: Die in § 3 des Vertragsmusters und § 6 AGBSt festgelegten Rechte der Klägerin hätten mit einem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht nichts zu tun. Aus der „Nachordnung” der BSt gegenüber der LGSt lasse sich kein Merkmal für die Abhängigkeit herleiten. Der BGH (BGHZ 43, 108) habe sogar die (doppelte) Unterordnung der AStn nicht als Hinderungsgrund angesehen, ihren Leitern die Stellung eines Handelsvertreters zuzusprechen. § 2 Abs. 7 AGBSt sei unter Berücksichtigung der Tatsache zu sehen, daß die Arbeitskraft der BStL durch die Tätigkeit für die Klägerin keineswegs ausgeschöpft werde. Das in § 4 des Vertragsmusters und § 2 Abs. 8 AGBSt vorgesehene Prüfungsrecht amtlicher Stellen beruhe auf der Sorge um die dem Lottounternehmen und dem BStL anvertrauten Gelder und sei vor dem öffentlich-rechtlichen Hintergrund des NLT zu sehen. Die BStL der Klägerin hätten andererseits ein erhebliches Unternehmerrisiko zu tragen. Ihr Entgelt bestehe ausschließlich in Provision. Sie müßten hiervon die Kosten eines eigenen Büros, die Löhne ihrer Hilfskräfte und die Betriebsausgaben für den Pkw bestreiten. Da die Hilfskräfte ausschließlich von den BStLn angestellt und nur ihnen unterstellt seien, folge daraus zwangsläufig, daß die BStL für deren Fehlverhalten einzustehen hätten. Eine solche Eintrittspflicht für Hilfspersonen sei für einen Beschäftigten völlig ungewöhnlich (BAG 18, 87). Die BStL übten eine kaufmännische Betätigung aus. Die Art. und Weise, wie sie ihre Geschäftsstelle organisierten, sei bestimmend für Gewinn und Verlust und damit für die Auswirkung des Unternehmerwagnisses. Daß die BStL der Klägerin selbständig seien, werde durch eine Reihe weiterer Gesichtspunkte bestätigt: Da die BStL Unternehmer ihres eigenen Betriebes seien, könnten sie nicht gleichzeitig Versicherte des Unternehmens der Klägerin sein. Die Beitragserhebung für solche Personen, für die das Lottounternehmen kaum jemals haftpflichtig werden könne, entbehre der inneren Rechtfertigung. Da die BStL vorwiegend in ihrem eigenen Betrieb tätig seien, sei kein äquivalentes Haftpflichtrisiko der Klägerin denkbar, von dem sie durch die Beitragszahlung für die BStL entlastet werden könnte. Wie im Arbeits-, Handels- und Steuerrecht dürfe bei der Beurteilung der beruflichen Stellung der BStL nicht an der rechtlichen Qualifikation vorbeigegangen werden, welche die Vertragspartner ihrem Verhältnis zueinander gegeben hätten. Es bedeute eine durch nichts gerechtfertigte staatliche Bevormundung, wenn der eindeutige verlautbarte Wille der Vertragspartner nicht beachtet werde. Ein Beschäftigungsverhältnis könne den Vertragsparteien nicht aufgedrängt werden. Dieser Grundsatz gelte – sofern er nicht auf eine Gesetzesumgehung hinauslaufe – auf allen Rechtsgebieten. Unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsharmonie sei es nicht zu vertreten, wenn ein und derselbe Sachverhalt von verschiedenen Gerichtsbarkeiten unterschiedlich beurteilt werde. Daraus ergäben sich insbesondere für die Betroffenen unerträgliche Konsequenzen. Die Divergenz zwischen BFH, BGH, BAG und BSG sei nicht mit der verschiedenen Zwecksetzung der betroffenen Bereiche zu rechtfertigen. Der Begriff der abhängigen Arbeit sei vielmehr im Arbeits-, Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht in gleicher Weise zu verstehen. Im Zweifelsfall gelte im Sozialversicherungsrecht der Grundsatz „in dubio pro libertate”, es sei also gegen die Versicherungspflicht zu entscheiden. Die Freiheit des einzelnen müsse auch auf diesem Rechtsgebiet so weit wie möglich gewahrt bleiben.
Sollte der 2. Senat seinen in dem Urteil vom 9. Dezember 1964 (aaO) eingenommenen Standpunkt nicht aufgeben, sei eine Vorlage an den Großen Senat des BSG gemäß § 42 SGG erforderlich. Es bestehe im Hinblick auf drei Auslegungskriterien zum Begriff des Beschäftigungsverhältnisses eine Divergenz, nämlich in bezug auf die Klassifizierung allgemeiner, von vornherein vereinbarter Geschäftsanweisungen (vgl. SozR Nr. 27 und 51 zu § 165 RVO) sowie in bezug auf die Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen der Parteien (BSG 17, 1, 6) und die der steuerrechtlichen Beurteilung (BSG 16, 289, 295; 17, 1).
Außerdem sei eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 – RsprEinhG – (BGBl I 661) unumgänglich. Das BSG weiche in der Beurteilung des Begriffs Beschäftigungsverhältnis von der Auffassung des BFH (BFH 90, 196; BStBl 1957, 389), des BAG (BAG 18, 87) und des BGH (BGHZ 43, 108) ab. Der Gemeinsame Senat habe auch dann zu entscheiden, wenn die Divergenz in der Auslegung durch die Unterschiedlichkeit der Rechtsgebiete bedingt zu sein scheine.
Die Beigeladenen schließen sich dem Revisionsantrag der Klägerin an und beziehen sich auf das von der Klägerin vorgelegte Rechtsgutachten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet.
Der Anspruch der Klägerin auf Ermäßigung des Bergbaualtlastbeitrages für 1965 ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Die Berufung zum LSG war deshalb insoweit nicht zulässig; in diesem Umfang war die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Das SG ist mit Recht davon ausgegangen, daß der Klageantrag erster Instanz auf die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 1967 gerichtet war, der ausschließlich den Beitrag zur gesetzlichen UV betrifft. Der Anspruch der Klägerin auf Ermäßigung des Bergbaualtlastbeitrages ist der Berufungsinstanz somit nicht angefallen (BSG 17, 11, 14; BGHZ 30, 213, 216). Er konnte auch nicht im Wege der Klageerweiterung einer Sachentscheidung im Berufungsverfahren zugänglich gemacht werden. Eine Klageänderung ist in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der streitige Anspruch dem Berufungsgericht bereits angefallen ist (BSG 17, 11, 14, 15; Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, 4, Aufl., Stand Februar 1972, Bd. I, § 99 Anm. 1, S. II/61 – 28 –). Dem LSG konnte der Anspruch auf Ermäßigung der Bergbaualtlastumlage nicht anfallen, weil das SG das Verfahren hierüber angetrennt und unter dem Aktenzeichen 24 U 491/66 fortgeführt hatte. Das Berufungsgericht hätte das Rechtsmittel insoweit verwerfen müssen anstatt in der Sache selbst zu entscheiden. Der hierin begründete wesentliche Mangel an einer Prozeßvoraussetzung ist von Amts wegen zu beachten (BSG 2, 225, 226 und 245, 246; 3, 124, 126; 15, 65, 67 m.w.N.).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist sonach nur der Anspruch der Klägerin auf Ermäßigung des Beitrages zur gesetzlichen UV für 1965. Dieser Beitrag ist entgegen der Auffassung des LSG unter Berücksichtigung der an die BStL der Klägerin gezahlten Provisionen zu berechnen (§§ 723, 725 Abs. 1 RVO). Der angefochtene Bescheid vom 13. Juni 1966 idF des Widerspruchsbescheides vom 8. März 1968 ist rechtmäßig. Die beigeladenen BStL gehörten in der strittigen Zeit zu den Versicherten i. S. der angeführten Vorschriften. Sie waren aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert.
Für die Anwendbarkeit des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats entscheidend, daß eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vorliegt (SozR Nr. 45 zu § 537 RVO aF; BSG 24, 29, 30; SozR Nr. 18 zu § 539 RVO jeweils m.w.N.). Dabei kommt es vornehmlich auf die persönliche Abhängigkeit an, in der regelmäßig eine wirtschaftliche Abhängigkeit enthalten ist (SozR Nr. 45 zu § 537 RVO aF; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.–7. Aufl., Stand: 15. August 1972, Bd. II, S. 470 d – Nachtrag April 1972 –). Die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber seinem Arbeitgeber ist auch nach der Rechtsprechung des BSG zur Kranken- und Rentenversicherung wesentliches Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses (BSG 20, 6, 8 = SozR Nr. 41 zu § 165 RVO m.w.N.; SozR Nrn. 62 und 68 zu § 165 RVO; Urteile des 12. Senats des BSG vom 1. März 1972 in DRV 1972, 194, vom 22. Juni 1972 – 12/3 RK 82/68 und vom 27. September 1972 – 12 RK 11/72 –). Sie äußert sich vor allem in der Weisungsgebundenheit des Dienstleistenden. Bedeutsame Anhaltspunkte für die Abgrenzung abhängiger Arbeit von selbständiger Tätigkeit sind das Vorhandensein eines eigenen Unternehmerrisikos sowie die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft. Maßgebend ist das Gesamtbild der Tätigkeit und der beruflichen Stellung (BSG 11, 257, 260; 24, 29, 30, 31; SozR Nr. 45 zu § 537 RVO aF; SozR Nr. 18 zu § 539 RVO und Brackmann, aaO, S. 470 f m.w.N.). In Grenzfällen kann nur die Würdigung aller Tätigkeitsmerkmale und der beruflichen Stellung insgesamt klären, ob eine selbständige Berufsausübung oder eine Beschäftigung als Arbeitnehmer vorliegt. Entsprechend, einem in der Sozialversicherung allgemein anerkannten Grundsatz kommt es dabei nicht ausschlaggebend auf die zivilrechtliche Erscheinungsform der getroffenen Vereinbarung oder auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung an, sondern auf die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse (BSG 24, 29, 30, 31; 31, 1, 2, 3 jeweils m.w.N.; vgl. auch SozR Nr. 15 zu § 1227 RVO m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die BStL der Klägerin als Beschäftigte i. S. des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO anzusehen.
Die von den Vertragspartnern in der Präambel des Vertragsmusters getroffene Bestimmung, der (jeweilige) BStL sei selbständiger Gewerbetreibender, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend. Im Bereich der Sozialversicherung wird der Parteiwille allerdings nicht – wie Sieg (SGb 1968, 511, 513) annimmt – schlechthin als bedeutungslos angesehen. Vielmehr können sich aus der zivilrechtlichen Erscheinungsform einer Vereinbarung Anhaltspunkte für die Sozialversicherung ergeben (vgl. zB BSG 17, 1, 6; Brackmann, aaO, S. 306 h II). Es ist aber nicht gerechtfertigt, den Versicherungsschutz ausschließlich oder wesentlich vom Parteiwillen abhängig zu machen. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis führen, daß durch der Lebenswirklichkeit nicht entsprechende Parteivereinbarungen die Vorschriften über die Sozialversicherungspflicht umgangen und auf diese Weise der mit der Sozialversicherung verfolgte Zweck vereitelt werden könnte. Den Vertragsparteien ist es insoweit versagt, über ihre öffentlich-rechtlichen Pflichten zu paktieren (BSG vom 27. September 1972 – 12/3 RK 31/71 –; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, S. 311). Dem Parteiwillen kann – ebenso wie im Zivilrecht (BGH BB 1972, 938, 939; BAG 18, 87, 91; Schlegelberger/Schröder, Komm, zum HGB, 4. Aufl., 1. Bd., § 84 Anm. 3, 3a und 6, S. 596–598; Soergel/Siebert/Wlotzke/Volze, Komm. zum BGB, 10. Aufl., Bd. 3, Anm. 25 vor 611) – nur dann Bedeutung zukommen, wenn die vertragsmäßige Qualifikation nicht den tatsächlichen Verhältnissen zuwiderläuft. Die in der Präambel des Vertragsmusters zum Ausdruck gelangten Vorstellungen der Vertragspartner stimmen weder mit den tatsächlichen Verhältnissen noch mit den übrigen Vertragsbestimmungen, insbesondere den AGBSt (§ 1 Abs. 2 Satz 2 des Vertragsmusters), überein. Der Wille der Vertragspartner, durch den Abschluß des Vertrages kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu begründen, kann daher – entgegen der von Sieg (aaO) vertretenen Auffassung – nicht berücksichtigt werden (ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Breith. 1969, 564, 565).
Die persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen von der Klägerin ist nach dem Gesamtbild der von ihnen ausgeübten beruflichen Tätigkeit, das sich auch aus ihren vertraglichen Beziehungen zur Klägerin ergibt, gegeben. Der erkennende Senat ist bereits in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 1964 (aaO) zu dem Ergebnis gekommen, daß ein BStL der Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH, der ähnliche Aufgaben wahrzunehmen hatte wie die Beigeladenen, im Regelfall nach § 537 Nr. 1 RVO aF versicherungspflichtig beschäftigt war. Hierbei ist als wesentlich angesehen worden, daß der BStL durch die weitreichenden Anordnungen der Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH weitgehend der Herrschaftsgewalt des Totoveranstalters unterstellt worden ist. Die Tatsache, daß der BStL seine vertraglichen Aufgaben – wie hier – mittels an sich für einen Unternehmer charakteristischer Einrichtungen und Maßnahmen erfüllt und insoweit ein Risiko getragen hat, ist vor dem Hintergrund der betrieblichen Organisation des Lotto- und Totoveranstalters für nicht bedeutsam erachtet worden. Die dem Urteil vom 9. Dezember 1964 (aaO) zugrunde liegenden Erwägungen treffen im wesentlichen auch auf den vorliegenden Fall zu.
Die von der Klägerin angeführten Abweichungen hinsichtlich der Ausgestaltung der zwischen ihr und den BStLn bestehenden Rechtsverhältnisse sind im Hinblick auf das Gesamtbild der beruflichen Stellung der Beigeladenen unerhebliche Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 AGBSt dürfen die BStL der Klägerin keinen Beruf ausüben, der sie örtlich oder zeitlich von ihrer Tätigkeit als Inhaber einer BSt des Nordwest Lotto und Toto Hamburg abhält. Sie müssen ihren Wohnsitz und ständigen Aufenthalt in Hamburg haben, damit sie die Geschäfte der BSt persönlich führen können. Ein Vertreter ist nur für den Fall ihrer Verhinderung vorgesehen (§ 2 Abs. 7 S. 2 AGBSt). Diese Regelung hat dieselbe Bedeutung wie die vertragliche Verpflichtung des BStLs der Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH, keine andere gewerbsmäßige Tätigkeit ohne Genehmigung des Lottoveranstalters auszuüben: Von den Beigeladenen wird erwartet, daß sie sich ihren Obliegenheiten hauptberuflich widmen. Ihnen ist nicht – wie die Revision meint – das Recht eingeräumt worden, in beliebigem Umfang weitere Berufe auszuüben. Für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit ist es im übrigen nicht wesentlich, daß die BStL in Hamburg neben ihrer Tätigkeit für die Klägerin weitere Berufe ausüben. Es sind auch Fälle denkbar, in denen eine Mehrheit von Beschäftigungsverhältnissen gegeben ist (SozR Nr. 18 zu § 539 RVO). Selbst wenn die Arbeitskraft der Beigeladenen durch ihre Tätigkeit als BStL nicht hauptsächlich in Anspruch genommen wird, können sie Arbeitnehmer der Klägerin sein. Erforderlich ist nur, daß die Tätigkeit als solche – abgesehen von jeder anderen Tätigkeit – die BStL als Arbeitnehmer kennzeichnet (vgl. Schlegelberger/Schröder, aaO, § 84 Anm. 2, S. 596).
Daß die Klägerin im Falle des Todes eines BStLs die BSt drei Monate lang durch einen Verwalter für Rechnung der Erben weiterzuführen hat (§ 5 Abs. 3 AGBSt), spricht weder für noch gegen die Selbständigkeit der Beigeladenen. Aus der grundsätzlich an die Person des BStLs gebundenen Dienstleistungspflicht folgt, daß diese nicht auf seine Erben übergeht (Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, Komm. zum BGB, 11. Aufl., II. Bd., 3. Teil, § 613 Anm. 7; Soergel/Siebert/Wlotzke/Volze, aaO, § 613 Anm. 6). Die Zustimmung (Verpflichtung) der Klägerin zur Fortführung der BSt nach dem Tode eines BStLs ist sonach unabhängig davon erforderlich, ob dieser selbständig oder unselbständig tätig ist. Die Bestimmung des § 5 Abs. 3 AGBSt ist jedoch nicht – wie die Revision meint – typisch für die vorübergehende Erhaltung aus eigener Initiative geschaffener Unternehmenswerte. Es handelt sich vielmehr um eine Regelung aus sozialen Gründen, die es in ähnlicher Form auch auf anderen Rechtsgebieten, insbesondere zugunsten der Hinterbliebenen Nichtselbständiger, gibt (vgl. §§ 122 BBG, 591 RVO, 1268 Abs. 5 RVO, 37 BVG). Den Hinterbliebenen soll ein allmählicher Übergang auf die anderen wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Tode des BStLs erleichtert werden.
Der dem Urteil vom 9. Dezember 1964 (aaO) zugrunde liegende Sachverhalt weicht von den hier zu beurteilenden tatsächlichen Verhältnissen auch im übrigen nicht so erheblich ab, daß die BStL des NLT nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeiten und der beruflichen Stellung als selbständig anzusehen wären. Die Beziehungen der Klägerin zu ihren BStLn weisen überwiegend Merkmale auf, die für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen sprechen. Der auf die Durchführung des Wettgeschäftes der Klägerin gerichtete Arbeitsablauf ist für die Beigeladenen durch die AGBSt, die Bestandteil des jeweiligen Einzelvertrages ist (§ 1 Abs. 2 S. 2 des Vertragsmusters), ebenso bis ins einzelne geregelt wie bei den BStL der Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH. Die BStL der Klägerin müssen die Wetteinnehmer auch hier termingerecht mit dem notwendigen Geschäftsmaterial versorgen und sind als Verbindungsleute zwischen den AStn und der LGSt für den reibungslosen technischen Ablauf des Wettgeschäftes verantwortlich (§ 2 Abs. 3 und 4 ABGSt). Umfang, Zeitpunkt, Weg und Art. der Zuleitung des Materials und der Wettunterlagen werden von der LGSt genau festgelegt (§ 2 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 S. 1 ABGSt). Die BStL haben den Ausbau der Vertriebsorganisation zu fördern und geeignete AStL in ihrem Bezirk vorzuschlagen (§ 2 Abs. 2 S. 1 ABGSt), ohne auf die Verträge mit den AStn direkt Einfluß nehmen zu können. Sie werden lediglich von der LGSt, welche die Verträge nach eigenem Ermessen abschließt, gehört (§ 2 Abs. 2 S. 4 ABGSt und § 3 Abs. 1 S. 2 des Vertragsmusters). Die BStL können den Umfang ihrer Tätigkeit also nicht durch Eröffnung neuer AStn erweitern. Am Abschluß der Welt vertrage wirken sie nicht mit. Für eine abhängige Tätigkeit sprechen weiter – ebenso wie bei den BStLn der Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH – das umfassende Prüfungsrecht der LGSt und der Finanzbehörden (§ 2 Abs. 8 ABGSt und § 4 des Vertragsmusters), das über den Rahmen der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht hinausgeht, die ein Handelsvertreter als selbständiger Kaufmann seinem Auftraggeber gegenüber nach § 86 Abs. 2 HGB, §§ 675, 666 BGB schuldig ist, sowie das Recht des Lottoveranstalters, die Bezirksgrenzen neu festzusetzen (§ 6 S. 3 AGBSt und § 3 Abs. 2 des Vertragsmusters). Durch das der LGSt eingeräumte Prüfungsrecht wird erkennbar, daß die Klägerin die Durchführung der Arbeiten ihrer BStL eingehend kontrollieren will. Aus welchen Gründen sie diese Kontrollen für notwendig erachtet, ist für Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit nicht bedeutsam. Es kann dahinstehen, ob die in § 3 Abs. 2 des Vertragsmusters und § 6 S. 3 AGBSt getroffene Regelung zum Inhalt des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts der Klägerin gehört. Das vertraglich festgelegte Recht der LGSt zur Änderung der Bezirksgrenzen macht jedenfalls deutlich, daß die Klägerin auch auf den Umfang der Tätigkeit ihrer BStL Einfluß nehmen will. Darüber hinaus wird die Weisungsunterworfenheit der Beigeladenen im vorliegenden Fall besonders deutlich durch die Bestimmung des § 6 S. 1 AGBSt, nach der die Klägerin sich vorbehält, jederzeit die AGBSt sowie die Verfügungen, Anordnungen und sonstigen Anweisungen, welche die Tätigkeit der BStL betreffen, mit sofortiger Wirkung zu ändern. Als Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft der Beigeladenen ist, auch die Tatsache zu werten, daß sie für einen Urlaub von mehr als zwei Wochen die Einwilligung der LGSt einholen müssen (§ 2 Abs. 7 S. 3 AGBSt). Die BStL der Klägerin sind zudem verpflichtet, ihre Geschäfte persönlich zu führen. Sie können einen Vertreter, der sie im Falle der Verhinderung vertritt, nur mit Zustimmung der LGSt bestellen (§ 2 Abs. 7 S. 1 und 2 AGBSt). Die Beigeladenen haben die Namen und Anschriften ihrer Hilfskräfte der LGSt auf Verlangen mitzuteilen (§ 4 Abs. 4 AGBSt). Sie dürfen ohne Genehmigung nicht für andere Lotterie- oder Wettveranstaltungen tätig werden (§ 2 Abs. 6 AGBSt). Alle diese Umstände, insbesondere die sich daraus ergebende umfassende Weisungsgebundenheit der BStL hinsichtlich der Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben bei der Durchführung des Wettgeschäftes, machen eine so starke Reglementierung ihrer Geschäftsführung durch die Lottoverwaltung und eine damit verbundene persönliche Abhängigkeit deutlich, daß die Beigeladenen nicht als Unternehmer qualifiziert werden können. Hinzu kommt eine ausgeprägte wirtschaftliche Abhängigkeit. Eine Kündigung seitens des Lottoveranstalters führt zum Verlust der Existenzgrundlage des BStLs.
Entgegen der von Sieg in dem vorgelegten Rechtsgutachten vertretenen Auffassung tragen die BStL kein echtes Unternehmerrisiko. Die Unterhaltung eines Geschäftsbüros, die Einstellung von Hilfskräften und die Anschaffung eines oder mehrerer Personenkraftwagen beeinflussen zwar den Verdienst der Beigeladenen (§ 2 Abs. 3 S. 5, 6 und Abs. 4 S. 2 AGBSt). Das Risiko, das bei Einsatz des zur Einrichtung einer BSt erforderlichen Kapitals (§ 4 Abs. 2 S. 1 AGBSt) eingegangen wird, ist mit dem das Wettgeschäft betreffende Unternehmerwagnis aber nicht identisch. Ein solches Risiko ist nicht vorhanden. Der große Umsatz, den das Zahlenlotto erbringt, beruht auf der Spielfreude der Teilnehmer. Der nach dem Umsatz bemessene Verdienst der BStL (§ 2 des Vertragsmusters) liegt daher im Lottounternehmen selbst begründet und kann nicht als Erfolg ihrer Tätigkeit angesehen werden. Die Beigeladenen erhalten gleichsam ein von ihrem Arbeitsergebnis unabhängiges Einkommen garantiert. Von einem Unternehmerrisiko kann man aber nur dann sprechen, wenn der Erfolg eigenen wirtschaftlichen Einsatzes ungewiß ist, (Hirsch, Das Recht im sozialen Ordnungsgefüge, Schriftenreihe des Instituts für Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung an der Freien Universität Berlin, Bd. 1, 1966, S. 186). Das geschäftliche Risiko der BStL besteht im wesentlichen nur darin, in bezug auf die Einrichtung der BSt falsch zu disponieren. Die für die Eröffnung einer BSt notwendigen finanziellen Aufwendungen sind zudem kein wesentlicher wirtschaftlicher Einsatz im Sinne selbständiger Unternehmensführung. Die Unkosten für die Anmietung von Räumen sowie das Geld für die Hilfspersonen können laufend aus den wöchentlich einkommenden Provisionen gedeckt werden.
Gegenüber den Umständen, die auf eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen schließen lassen, treten die Freiheiten, die denen von Selbständigen ähnlich sind, in den Hintergrund. Diese Freiheiten sind vornehmlich darin zu sehen, daß die BStL ihre vertraglichen Aufgaben durch für einen Unternehmer charakteristische Einrichtungen (eigene Büroräume) und Maßnahmen (Einsatz von Hilfskräften) erfüllen und vertraglich an keine festen Arbeitszeiten gebunden sind. Es spricht jedoch nicht gegen die Arbeitnehmereigenschaft der BStL, daß sie sich – bei grundsätzlicher Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung – zur Durchführung ihrer Obliegenheiten mehrerer Hilfskräfte bedienen, die sie selbst einstellen. In einigen Fällen besteht auch bei unselbständiger Tätigkeit das Bedürfnis, daß die Dienstpflichten des Arbeitnehmers von anderen miterfüllt werden (vgl. Soergel/Siebert/Wlotzke/Volze, aaO, § 613 Anm. 4). Abweichend von der Auslegungsregel des § 613 S. 1 BGB wird vielfach – wie auch hier (vgl. § 2 Abs. 8 S. 6 und § 4 Abs. 4 AGBSt) – im Hinblick auf den Umfang der übernommenen Arbeit die Zuziehung von Hilfskräften vertraglich vereinbart oder von den Vertrags-Partnern stillschweigend vorausgesetzt (vgl. Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, aaO, § 613 Anm. 8). Die im Arbeitsrecht anerkannten Begriffe des Gehilfenverhältnisses oder des mittelbaren Arbeitsverhältnisses beziehen sich ebenfalls auf die Zuziehung von Hilfskräften durch einen Arbeitnehmer (Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. 1, § 78 I 3, IV, V, S. 790, 796, 798; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., I. Bd. § 24 III, S. 232, 233). Bei der Gesamtwürdigung der beruflichen Stellung der Beigeladenen fällt auch nicht entscheidend ins Gewicht, daß sie ihre tägliche Arbeitszeit im allgemeinen selbst bestimmen können. Zutreffend weist Sieg (aaO, S. 514) darauf hin, daß Zeit, Ort und das „Wie” der Tätigkeit der BStL weitgehend festliegen. Vor allem die Arbeitszeit wird in einem nicht unerheblichen Umfang durch die Art. der zu erbringenden Leistung bestimmt. Es liegt in der Natur des Lottospiels, daß die BStL einen wesentlichen Teil ihrer Aufgaben unmittelbar vor oder nach Wettannahmeschluß erledigen müssen. Sie führen somit hauptsächlich termingebundene Arbeiten durch und sind insoweit nicht wirklich frei in der Bestimmung der Arbeitszeit (vgl. auch § 2 Abs. 3 S. 3 AGBSt). Auch dieser Umstand zeigt, daß die BStL in den Verwaltungsbereich der Klägerin in einem Maße eingespannt sind, das die organisatorische Trennung ihrer Tätigkeit von dem an gesetzliche Pflichten gebundenen Aufgabenkreis der Klägerin nicht zuläßt (SozR Nr. 39 zu § 537 RVO aF).
Der aus dem Verfassungsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleitete Grundsatz „in dubio pro libertate” (vgl. dazu Sieg, aaO, S. 512, 513) kann bei der Beurteilung der Versicherungspflicht der BStL nicht herangezogen werden. Diese Maxime, nach der ein Eingriff in die Freiheitssphäre des einzelnen nur zulässig ist, wenn die entsprechenden tatsächlichen Voraussetzungen zweifelsfrei erwiesen sind, ist als Entscheidungsregel nur im Falle des non liquet anzuwenden (Schneider, In Dubio Pro Libertate, Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Festschrift Deutscher Juristentag 1860 bis 1960, Bd. II, S. 263, 290). Die tatsächliche, insbesondere in den AGBSt zum Ausdruck kommende Gestaltung der beruflichen Verhältnisse der Beigeladenen enthält jedoch ausreichende Anhaltspunkte, welche die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses i. S. des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO rechtfertigen.
Dem LSG kann nicht darin gefolgt werden, daß die Bindung der BStL an die AGBSt eine persönliche Abhängigkeit von der Klägerin nicht begründe, weil die AGBSt generelle Weisungen enthalten und daraus ein Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht abgeleitet werden könne. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob das Direktionsrecht des Arbeitgebers erst dann eingreift, wenn der Arbeitsvertrag die näheren Einzelheiten der Arbeitsleistung nicht festlegt (so Hueck/Nipperdey, aaO, § 25 VII, S. 161). Jedenfalls kann sich die persönliche Abhängigkeit des Dienstleistenden unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ergeben, sofern dieser Art. und Umfang sowie Zeit und Reihen folge der zu leistenden Arbeit genau bestimmt. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 24. Februar 1967 (SozR Nr. 45 zu § 537 RVO aF) darauf hingewiesen, daß in vertraglichen Bestimmungen enthaltene Anweisungen des Arbeitgebers, welche weitgehend die ihm durch Gesetz auferlegten Pflichten wiedergeben, den Schluß auf ein Abhängigkeitsverhältnis zulassen (vgl. auch BAG 18, 87, 91). Darüber hinaus kann eine persönliche Abhängigkeit als Ausdruck eines Beschäftigungsverhältnisses ohne direkte Weisungen seitens des Arbeitgebers vorliegen, wenn der Dienstleistende in eine ihm übergeordnete Verwaltung eingegliedert ist (SozR Nr. 55 zu § 165 RVO). Durch die AGBSt sind die Beigeladenen in bezug auf die Ausführung ihrer Arbeit bis ins einzelne gebunden. Diese Vorschriften sowie die sonstigen Verfügungen und Anordnungen der Klägerin betreffen nicht nur die Ausgestaltung der Tätigkeit der Beigeladenen im allgemeinen, sondern die Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben im einzelnen (vgl. zB § 2 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 AGBSt). Wegen einer solchen in der Geschäftsordnung festgelegten Weisungsunterworfenheit hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 9. Dezember 1964 (aaO) die persönliche Abhängigkeit des BStLs bejaht. Die vom LSG angeführten Entscheidungen des 3. Senats des BSG (SozR Nr. 27, 34, 36 und 51 zu § 165 RVO) stehen dem nicht entgegen. In keinem der vorgenannten Urteile hat sich der 3. Senat des BSG dahin geäußert, daß die Unterwerfung unter eine normative oder vertragliche Regelung eine persönliche Abhängigkeit nicht begründen könne. Er hat vielmehr unter Würdigung des Gesamtbildes der jeweiligen Tätigkeit darauf abgestellt, daß die gesetzlichen Bestimmungen oder vertraglichen Vereinbarungen nur den übernommenen Pflichtenkreis beschrieben und nicht – wie hier – den Arbeitsablauf im einzelnen regelten. Auch nach Auffassung des 3. Senats des BSG kommt es somit auf den Grad der durch die vertragliche Regelung begründeten Abhängigkeit an. Träfe die Auffassung des LSG zu, würde eine die Einzelheiten der Arbeitsleistung regelnde Geschäfts- oder Betriebsordnung, die zum Bestandteil von Einzelarbeitsverträgen gemacht wird, den Ausschluß des Unfallversicherungsschutzes bewirken.
Der Senat vermag nicht der von Sieg (aaO, S. 514) vertretenen Auffassung zuzustimmen, eine bis ins einzelne gehende Regelung des Arbeitsablaufs sei kein Zeichen persönlicher Abhängigkeit, wenn sie sich aus der Natur der Sache ergebe oder von Anfang an einverständlich Gültigkeit habe. Die umfassende vertragliche Regelung aller auf die Vorbereitung, Durchführung, Abwicklung und Kontrolle der einzelnen Wettspiele bezogenen Maßnahmen zeigt, daß der Wille der Klägerin, wie und wann die den BStLn übertragenen Aufgaben zu erledigen sind, durchgesetzt werden soll. Dies wird im vorliegenden Fall besonders deutlich durch § 6 S. 1 AGBSt. Die Klägerin kann nach dieser Bestimmung einseitig auch die Einzelheiten der Arbeitsleistung ihren Wünschen entsprechend gestalten. Unter diesem Aspekt ist die vertragliche Einengung der Handlungsfreiheit der BStI als Ausdruck ihrer Weisungsunterworfenheit anzusehen (LSG Rheinland-Pfalz, aaO, insoweit nicht abgedruckt). Ergeben sich die Pflichten des Dienstleistenden weitgehend aus der Natur der Sache, so schließt dieser Umstand auch nach Auffassung des 3. Senats des BSG in seinem Urteil vom 24. November 1967 (SozR Nr. 55 zu § 165 RVO) eine abhängige Beschäftigung nicht schlechthin aus. Entscheidend bleibt, ob das Gesamtbild der Tätigkeit durch eine persönliche Abhängigkeit geprägt ist. Es ist jedenfalls dann kein Baum für selbständiges Handeln in nennenswertem Umfang vorhanden, wenn der Arbeitsablauf sich nicht nur zwangsläufig aus der Art. der Tätigkeit ergibt, sondern zugleich alle Pflichten des Dienstleistenden vertraglich festgelegt sind und bis ins einzelne unter Kontrolle gehalten werden sollen. Dem vom 3. Senat, des BSG am 27. September 1961 (SozR Nr. 27 zu § 165 RVO) entschiedenen Fall liegt – wie bereits dargetan – ein anderer Sachverhalt zugrunde. Die Streitsache, über die das BAG am 21. Januar 1966 (BAG 18, 87) entschieden hat und die einen Versicherungsvermittler betrifft, ist dem vorliegenden Fall ebenfalls nicht vergleichbar, weil nach dem Urteil nur eine „gewisse” und nicht eine eingehende vertragliche Bindung gleichzeitig zwangsläufig aus der Art. der Tätigkeit folgte. Außerdem hat das BAG auf die besonderen Verhältnisse in der Versicherungswirtschaft abgestellt.
Das BSG hat in seinem Urteil vom 9. Dezember 1964 (aaO) nicht – wie Sieg in seinem Rechtsgutachten meint – den Unterschied zwischen Betrieb und Unternehmens Zusammenhang verkannt. Die Beigeladenen haben jedenfalls in ihrem Verhältnis zur Klägerin keinen eigenen Betrieb. Sie gehören insoweit zum Unternehmen des NLT und üben in ihren Betriebsräumen nicht ihr eigenes Gewerbe, sondern als Arbeitnehmer dasjenige der Klägerin aus. Welche Rechtsbeziehungen zwischen ihnen und ihren Hilfskräften bestehen, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Bei der Beurteilung der Frage, ob die BStL der Klägerin selbständig oder unselbständig tätig sind, kommt es nur auf ihre rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen zum Lottoveranstalter an. Da die Klägerin bei der Durchführung der Staatslotterie sich der Hilfe von BStLn bedient und für diese in entsprechender Anwendung des § 278 BGB haftet, ist ein Haftpflichtrisiko vorhanden, von dem sie durch Beitragszahlungen für die Beigeladenen entlastet wird.
Die steuerrechtliche Behandlung der BStL (ihre Heranziehung zur Umsatz- und Gewerbesteuer; vgl. BFH 90, 193 198, 201; BFH vom 4. Juli 1968 in BStBl II 718) ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats für die Frage der Versicherungspflicht in der gesetzlichen UV nicht maßgeblich (SozR Nr. 8, 39 und 45 zu § 537 RVO aF, BSG 24, 29, 31; SozR Nr. 18 zu § 539 RVO). Die Beurteilung, ob ein Beschäftigungsverhältnis als Voraussetzung für die Versicherungspflicht i. S. des Sozialversicherungsrechts vorliegt, richtet sich allein nach dem Recht der Sozialversicherung (vgl. auch SozR Nr. 39 und 41 zu § 165 RVO jeweils m.w.N.). Der steuerrechtlichen Beurteilung kommt nur eine Indizwirkung zu (SozR Nr. 34, 62 und 68 zu § 165 RVO). Die Funktionsbezogenheit der Begriffe „Beschäftigungsverhältnis” und „unselbständige Tätigkeit” (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG), nämlich der Schutz des persönlich und wirtschaftlich Abhängigen einerseits sowie die Wahrnehmung fiskalischer Interessen andererseits, kann zu einer unterschiedlichen Auslegung führen. Der BFH hat diese Auffassung in seinem Urteil vom 4. Juli 1968 (aaO) ebenfalls vertreten. Der heute noch rechtswirksame (SozR. Nr. 62 zu § 165 RVO m.w.N.) Gemeinsame Erlaß des RMdF und des RAM vom 10. September 1944 (AN 281), nach dem die Beiträge zur Sozialversicherung grundsätzlich von dem Betrag zu berechnen sind, der für die Berechnung der Lohnsteuer maßgebend ist, setzt voraus, daß die Tätigkeit in beiden Rechtsgebieten – Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht – als abhängige Beschäftigung (nichtselbständige Arbeit) anzusehen ist; er besagt nichts darüber, daß derselbe Sachverhalt in beiden Bereichen in jedem Falle übereinstimmend zu werten ist (SozR Nr. 41 zu § 165 RVO).
Ebensowenig kommt der handelsrechtlichen Beurteilung insoweit eine entscheidende Bedeutung zu (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 30. Januar 1963 in ABA 1963, 267, 268). Die Begriffe der Unselbständigkeit im Handelsrecht einerseits und des Beschäftigungsverhältnisses im Sozialversicherungsrecht andererseits können entsprechend der verschiedenartigen Schutzfunktion der in Betracht kommenden Vorschriften gleichfalls unterschiedlich ausgelegt werden. Es ist trotz Einheitlichkeit der Begriffsmerkmale nicht widersprüchlich, entsprechend dem Schutzzweck der jeweiligen Norm einmal mehr auf den vertraglich verlautbarten Willen der Beteiligten, ein andermal entscheidend, auf die faktischen Gegebenheiten abzustellen oder den für oder gegen die persönliche Abhängigkeit sprechenden Umständen bei der Wertung mehr oder weniger Gewicht beizumessen. Mit § 84 Abs. 2 HGB soll sichergestellt werden, daß auf das Vertragsverhältnis der nichtselbständigen Gewerbetreibenden, die für einen Unternehmer Geschäfte vermitteln, das gesamte Recht der Angestellten, insbesondere das Arbeitnehmerschutzrecht, anzuwenden ist (Schlegelberger/Schröder, aaO, § 84 Anm. 35 f, S. 615). Da die Rechtsstellung des Handelsvertreters mit dem Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuches vom 6. August 1953 (BGBl I 771) durch Einfügung von Schutzvorschriften (zB § 89 b HGB) so verstärkt worden ist (vgl. dazu Schlegelberger/Schröder, aaO, Einleitung zum Handelsvertreterrecht, S. 592), daß er während der Teilnahme am Arbeitsleben ähnlich wie Arbeitnehmer ausreichenden sozialen Schutz genießt, mag es gerechtfertigt sein, den Begriff des selbständigen Gewerbetreibenden i. S. des § 84 Abs. 1 HGB weit auszulegen (BGHZ 43, 108, 110; BGH BB 1972, 938). Im Bereich der Sozialversicherung ist ein noch weitergehender sozialer Schutz der abhängig Beschäftigten erforderlich. Die wirtschaftliche und soziale Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens (Beeinträchtigung der Arbeitskraft bei Krankheit, Unfall und Invalidität) bedeutet für den einzelnen Arbeitnehmer in der Regel die Sicherung seiner Existenzgrundlage. Namentlich die gesetzliche UV bietet aus diesem Grund einen weitreichenden Schutz. Sie umfaßt einen größeren Personenkreis als andere Zweige der Sozialversicherung (BSG 14, 142, 144; SozR Nr. 45 zu § 537 RVO aF). Unter Berücksichtigung dieser verschiedenartigen Schutzfunktionen des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO und der §§ 84 ff HGB ist im vorliegenden Fall eine von der Auffassung des BGH abweichende Beurteilung geboten. Im Interesse der Rechtseinheit ist es zwar zu begrüßen, wenn ein und derselbe Sachverhalt in den verschiedenen Rechtsgebieten möglichst einheitlich beurteilt wird. Dabei dürfen aber die aus der Funktionsbezogenheit der einzelnen Vorschriften sich ergebenden Abweichungen nicht außer acht gelassen werden.
Es liegen somit keine Anhaltspunkte vor, wegen der Besonderheiten dieses Falles und mit Rücksicht auf die von der Revision angeführten Urteile des BFH und des BGH von den in der Entscheidung vom 9. Dezember 1964 (aaO) herausgearbeiteten Grundsätzen und von der bisherigen Rechtsprechung zu diesem Problemkreis (SozR Nr. 8 und 45 zu § 537 RVO aF) abzuweichen (ebenso LSG Rheinland-Pfalz, aaO; LSG Bremen, Urteil vom 4. September 1969 – L U 6/69 –; Brackmann, aaO. S. 470 o I und II; vgl. auch Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand; September 1971, Anm. 6 zu § 539; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Stand: Mai 1972, Kennziffer 320, S. 2 ff.; Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger in DOK 1970 65; vgl. für staatliche Lotterieeinnehmer auch Fischer in BGB RGRK, 11. Aufl., II. Bd. 2. Teil, Anm. 9 zu § 763 unter Hinweis auf RVersG in ZAkDR 1938, 674, 675 und PrOVG 26, 128, 130).
Einer Vorlage an den Großen Senat des BSG (§ 42 SGG) bedarf es nicht. Der erkennende Senat weicht, indem er ein Beschäftigungsverhältnis bejaht, nicht von den Entscheidungen des 3. Senats des BSG vom 27. September 1961 und 11. August 1966 (SozR Nr. 27 und 51 zu § 165 RVO) ab. Insbesondere aus der zuerst angeführten Entscheidung des 3. Senats des BSG ergibt sich deutlich, daß es auch nach der Auffassung dieses Senats auf den Grad der durch die vertraglichen Regelungen hervorgerufenen Abhängigkeit ankommt. Der damals entschiedene Fall war – worauf schon hingewiesen worden ist – dadurch gekennzeichnet, daß durch Vertrag nur der Pflichtenkreis des Arbeitnehmers umschrieben, nicht aber – wie hier – die Durchführung der übernommenen Arbeiten bis ins einzelne geregelt wurde. Der 3. Senat des BSG hat daher über einen in wesentlichen Punkten anders liegenden Sachverhalt entschieden (vgl. auch BSG SozR Nr. 45 zu § 537 RVO aF). Die Bedeutung der vertraglichen Vereinbarungen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts und der steuerrechtlichen Behandlung wird vom 2. und 3. Senat des BSG einheitlich beurteilt (SozR Nr. 51 und 68 zu § 165 RVO sowie BSG 24, 29, 30, 31 und SozR Nr. 34, 62 und 68 zu § 165 RVO). In den von der Revision angeführten Entscheidungen des BSG vom 29. März 1962 (BSG 16, 289, 295 und 17, 1) wird die steuerrechtliche Behandlung für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit ebenfalls nur als Indiz gewertet. Die Entscheidung BSG 17 S. 1 ff enthält, wie die späteren Urteile des 3. Senats des BSG zu dieser Frage zeigen, hinsichtlich der Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen für die Versicherungspflicht keine grundsätzlichen Erwägungen. Der vertraglichen Regelung ist in diesem Fall nur deswegen ausnahmsweise größere Bedeutung beigemessen worden, weil aus den tatsächlichen Verhältnissen keine entscheidenden Anhaltspunkte für ein abhängiges Arbeitsverhältnis entnommen werden konnten.
Der erkennende Senat ist auch nicht verpflichtet, den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß § 2 Abs. 1 RsprEinhG anzurufen. Der Gemeinsame Senat entscheidet zwar auch dann, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofes aus einer Zeit abweichen will, in der dieser noch die Bezeichnung „oberes Bundesgericht” trug (GemS OGB NJW 1972, 1411; BSG MDR 1971, 79). Der Senat weicht aber nicht in der Beurteilung der gleichen Rechtsfrage (vgl. dazu BFH, GrSen., BStBl II 1971, 274, 275 und Boetius, DRStR 1971, 656) von der Auffassung anderer oberster Bundesgerichte ab. Die Entscheidung des BAG vom 21. Januar 1966 (BAG 18, 87) betrifft – wie bereits dargelegt – einen anderen Sachverhalt. Der Begriff der abhängigen Tätigkeit kann wegen des unterschiedlichen Zwecks des Sozialversicherungsrechts einerseits und des Handels- und Steuerrechts andererseits in den einzelnen Rechtsgebieten verschieden ausgelegt werden. Ein „Abweichen” liegt nur vor, wenn der Sinngehalt einer Rechtsfrage in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen identisch ist (Miebach: Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Schriften zum Prozeßrecht Band 25, 1971, S. 141). Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wird nicht verletzt, wenn äußerlich gleichliegende Rechtsfragen wegen der inneren Verschiedenheit der Rechtsgebiete unterschiedlich beurteilt werden (Miebach aaO, Fußnote 627 -aA Schmidt-Räntsch, DRiZ 1968, 325, 327, 328). Aus diesem Grunde hat auch der BFH in seinem Urteil vom 4. Juli 1968 (BStBl II 718) keine Veranlassung gesehen, den Gemeinsamen Senat anzurufen. Der BGH ist in seinen Entscheidungen vom 21. Januar 1963 (BGHZ 43, 108) und 22. Juni 1972 (BB 1972, 938) ebenso, obgleich er nicht ausdrücklich zu dieser Rechtsfrage Stellung genommen hat, zutreffend davon ausgegangen, daß eine Vorlagepflicht nicht besteht. Bei einer durch die Besonderheit der betroffenen Rechtsgebiete bedingten unterschiedlichen Beurteilung liegt eine Divergenz nicht vor, mögen auch die einzelnen Merkmale der Rechtsbegriffe identisch sein.
Das Urteil des LSG war somit auf die Revision der Beklagten auch aufzuheben, soweit es den Anspruch der Klägerin auf Ermäßigung des Beitrages zur gesetzlichen Unfallversicherung für 1965 betrifft. In diesem Umfang war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Brackmann, Dr. Kaiser, Küster
Fundstellen