Verfahrensgang
Hessischer VGH (Aktenzeichen 1 UE 3582/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden, weil die Rechtssache nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung hat.
Zu Unrecht behauptet die Klägerin, es sei höchstrichterlich klärungsbedürftig, „unter welchen Voraussetzungen die zivilrechtlichen Grundsätze über die Kündigung aus wichtigem Grund neben § 59 SGB X, § 60 HVwVfG auf öffentlich-rechtliche Verträge Anwendung finden”.
Zum einen bedarf es keiner auch für die Zukunft richtungweisenden Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sich die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage auf ausgelaufenes Recht bezieht. Denn die Pflegesatzvereinbarungen vom 9. Mai 1994, die Gegenstand der Kündigung vom 24./28. Juni 1994 waren, waren Vereinbarungen „über die Höhe der zu übernehmenden Kosten” im Sinne von § 93 Abs. 2 BSHG in dessen bis zum 30. Juni 1994 geltenden Fassung. In der Folgezeit sind die §§ 93 ff. BSHG wesentlich geändert worden. § 93 c BSHG in seiner ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung regelt unter der Überschrift „Außerordentliche Kündigung der Vereinbarungen” die Möglichkeit, „die Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (zu) kündigen” und bestimmt in Satz 4, dass § 59 SGB X unberührt bleibt.
Zum anderen ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass § 59 SGB X keine andere Kündigungsmöglichkeiten ausschließende, abschließende Kündigungsregelung für den Bereich des Sozialverwaltungsvertragsrechts darstellt. Vielmehr regelt § 59 SGB X die Kündigung nur für zwei besondere Fallgestaltungen (vgl. Gesetzesüberschrift: „in besonderen Fällen”), § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X für den Fall der wesentlichen Änderung der für den Vertrag maßgeblichen Geschäftsgrundlage bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer entsprechenden Vertragsanpassung und § 59 Abs. 1 Satz 2 SGB X für den Fall schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dagegen verhält sich § 59 SGB X nicht, weder positiv noch negativ, zur Zulässigkeit der Kündigung eines sozialverwaltungsrechtlichen Vertrages im Übrigen.
Auch bedarf keiner Klärung, ob es genügt hätte, wenn das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Kündigung unter Hinweis auf § 61 Satz 2 SGB X allein mit zivilrechtlichen Kündigungsregelungen und zivilrechtlichen Kündigungsgründen begründet hätte. Denn das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Kündigung zu Recht maßgeblich darauf gestützt, dass es bei einem fortdauernden Sozialverwaltungsvertragsverhältnis die Möglichkeit der Vertragsbeendigung geben müsse, und für den Streitfall weiter zu Recht als hinreichenden Kündigungsgrund angesehen, dass die Klägerin außer Stande gewesen sei, den baulichen Mindeststandard für das Pflegeheim herzustellen. Denn im Streit steht hier nicht eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Auch ist nicht die Pflegesatzvereinbarung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1994 gekündigt worden, sondern die für die Zeit ab 1. Januar 1995 vereinbarte vorläufige Weiterzahlung der für 1994 vereinbarten Pflegesätze. Wenn Einrichtungsträger von Sozialhilfeträgern nach § 93 Abs. 2 BSHG (nur) verlangen können, ihr Ermessen bei der Entscheidung über den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung fehlerfrei auszuüben (vgl. BVerwGE 94, 202 ≪204≫), setzt das voraus, dass der Einrichtungsträger die Leistungen, deren Kosten vom Sozialhilfeträger übernommen werden sollen, ordnungsgemäß erbringen kann. Ist das, wie vom Berufungsgericht für den Streitfall festgestellt, nicht möglich, weil die baulichen Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt sind, so braucht der Sozialhilfeträger keine Kostenübernahme – für unzureichende Leistungen – vereinbaren. Das rechtfertigt auch die Kündigung der Vereinbarung über die vorläufige Weiterzahlung der bislang vereinbarten Pflegesätze. Die hierfür gesetzte Frist bis zum 30. September 1995 (eineinviertel Jahr ab Kündigung; drei viertel Jahr ab Einsatz der vorläufigen Weiterzahlungspflicht) ist ausreichend bemessen.
Die Ausführungen der Klägerin zu ihrem bzw. ihres Gesellschafters und Geschäftsführers Grundrechtsschutz nach Art. 12, 14 GG und zu § 19 GWB bezeichnen keine streiterhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Denn die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass die baulichen Mindestvoraussetzungen für eine ordnungsgemäße Heimunterbringung nicht erfüllt sind, dass sie also keine ordnungsgemäße Leistung erbringen kann. Wenn sie dafür die Kündigung verantwortlich macht, weil sie ohne weitere Kostenübernahme keine Bankkredite für den erforderlichen Umbau erhalten könne, vertauscht sie Ursache und Wirkung. Die Klägerin hat die erforderlichen Umbauten weder in der ursprünglich vorgesehenen Zeit bis 1992 noch in der weiteren Zeit bis zur Kündigung im Juni 1994 durchgeführt, also in Zeiten, in denen die mit ihr vereinbarten Pflegesätze bezahlt wurden.
Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.
Das Berufungsgericht brauchte den Sachverhalt nicht in der Richtung weiter zu erforschen, ob „der vorgeschlagene Pflegesatzanteil der Beklagten völlig unzureichend war”, um die erforderlichen baulichen Veränderungen durchführen zu können. Denn nach den insoweit nicht bestrittenen Feststellungen im Berufungsurteil (S. 3) hat die Klägerin nach dem Schreiben des Beklagten vom 4. September 1992, mit dem dieser erklärte, er wolle einen anteiligen Pflegesatz in Höhe von 18 DM zur Deckung von Zins- und Tilgungsleistungen übernehmen, dem Beklagten mit Schreiben vom 17. Januar 1993 mitgeteilt, dass die bekannten Umbaumaßnahmen zu einem anteiligen Pflegesatz von 18 DM zuzüglich Abschreibung durchgeführt werden könnten.
Verfahrensfehlerhaft ist nicht, dass das Berufungsgericht für den Zugang des Kündigungsschreibens nicht maßgeblich auf den Eingangsstempel der Klägerin abgestellt hat. Das Kündigungsschreiben ist der Klägerin am 28. Juni 1994 zugegangen; Gegenteiliges hat die Klägerin nicht belegt. Auch ist nicht ersichtlich, wieso der Beklagte nach § 93 Abs. 3 BSHG in der ab 1. Juli 1994 geltenden Fassung vor einer Kündigung die Schiedsstelle hätte anrufen müssen.
Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel geltend macht, das Berufungsgericht habe sie nicht darauf hingewiesen, dass der Schadensersatzanspruch mangels bestimmter, bezifferter Schadenshöhe unzulässig sei, kann die Revision nicht zugelassen werden. Denn darauf kann die Berufungsentscheidung nicht beruhen. Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt, dass die Schadensersatzklage „bereits unzulässig” sei, aber weitergehend entschieden, dass auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht vorliegen. Mit dieser tragenden Begründung hat es die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des auf eine Verletzung des zwischen den Parteien bestehenden öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses gestützten Schadensersatzanspruchs zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Prof. Dr. Pietzner, Schmidt
Fundstellen