Entscheidungsstichwort (Thema)
Hauptfürsorgestelle, Prüfungsmaßstab im Zustimmungsverfahren zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten bei fehlendem Zusammenhang zwischen Kündigung und Behinderung. Sollvorschrift, Auslegung einer gesetzlichen –. Sollvorschrift, atypischer Fall als Rechtsvoraussetzung für Ermessensausübung. Schwerbehinderter, Bedeutung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber im Zustimmungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Erfolgt die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten aus einem Grunde, der nicht mit der Behinderung im Zusammenhang steht, hat nach der Soll-Vorschrift des § 21 Abs. 4 SchwbG die Hauptfürsorgestelle im Regelfall die Zustimmung zu erteilen. Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Hauptfürsorgestelle nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.
2. Ob ein atypischer Fall vorliegt, der eine Ermessensentscheidung ermöglicht und gebietet, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn die außerordentliche Kündigung den Schwerbehinderten in einer die Schutzzwecke des Schwerbehindertengesetzes berührenden Weise besonders hart trifft, ihm im Vergleich zu den der Gruppe der Schwerbehinderten im Falle außerordentlicher Kündigung allgemein zugemuteten Belastungen ein Sonderopfer abverlangt.
3. Die Hauptfürsorgestelle hat über das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu urteilen. Offen bleibt, ob etwas anderes dann gilt, wenn die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe eine außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermögen.
Normenkette
SchwbG F. 1986 § 21 Abs. 3; SchwbG F. 1986 § 21 Abs. 4; SchwbG F. 1986 § 21 Abs. 1; SchwbG F. 1986 § 15; SchwbG F. 1986 § 18 Abs. 4
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 25.07.1988; Aktenzeichen 13 A 1789/88) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.05.1988; Aktenzeichen 17 K 471/88) |
Tenor
Die Revision des Beigeladenen gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 1988 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beigeladenen, der nach dem Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes W. vom 6. Dezember 1982 wegen eines Lumbalsyndroms und einer Coxarthrose zu 60 v.H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist.
Der 1937 geborene Beigeladene ist gelernter Maschinenschlosser und seit 1969 bei dem Polizeipräsidenten W. beschäftigt, zunächst als Kraftfahrer, seit Juni 1974 als Reparaturschlosser.
Gemäß § 4 seines Arbeitsvertrages gilt jede andere zumutbare Tätigkeit als vereinbart.
Durch Anordnung vom 8. September 1986 übertrug der Polizeipräsident W. dem Beigeladenen die Abwesenheitsvertretung des selbst schwerbehinderten Vervielfältigers. Wegen der gesundheitlichen Einschränkungen des Beigeladenen stellte der Arbeitgeber eine entsprechende Sitzgelegenheit zur Verfügung. Der Beigeladene sollte einen automatisch arbeitenden Offset-Drucker bedienen. Aufgrund von Einwendungen des Beigeladenen holte der Polizeipräsident Stellungnahmen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes und des Gesundheitsamtes ein. Er übertrug sodann durch Anordnung vom 12. Februar 1987 dem Beigeladenen erneut die Abwesenheitsvertretung des Vervielfältigers, nunmehr begrenzt auf bis zu zwei Stunden Arbeit täglich.
Der Beigeladene erhob hiergegen Klage beim Arbeitsgericht, das ein arbeitsmedizinisches Gutachten einholte. Der Sachverständige kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, der Kläger sei für den Einsatz am Offset-Drucker für arbeitstäglich zwei Stunden, auch für einen ganzjährigen Einsatz und nicht nur vertretungsweise, gesundheitlich durchaus geeignet. Daraufhin wies das Arbeitsgericht die Klage des Beigeladenen durch Urteil vom 12. August 1987 ab: Andere als gesundheitliche Umstände, die die dem Beigeladenen übertragene Tätigkeit als unzumutbar erscheinen ließen, seien nicht erkennbar; insbesondere sei es einem überwiegend als Reparaturschlosser beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer bei einer Vertragsgestaltung wie vorliegend durchaus zumutbar, auch Druckarbeiten zu übernehmen. Die Berufung des Beigeladenen wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 16. März 1988 zurück.
Am 28. August 1987 beantragte der Polizeipräsident W. bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten, einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen zuzustimmen. Zur Begründung führte er aus: In Kenntnis des Urteils des Arbeitsgerichts vom 12. August 1987 und der drohenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen habe der Beigeladene am 24. August 1987 mitgeteilt, er sei nicht mehr bereit, die Tätigkeit der Vertretung des Heizers, des Hausmeisters, die Unterstützung des Hausarbeiters und insbesondere die aushilfsweise Tätigkeit des Vervielfältigers wahrzunehmen. Er sei Facharbeiter (Reparaturschlosser) und werde künftig keine Hilfsarbeitertätigkeit mehr wahrnehmen. Der Beigeladene habe daraufhin eine Anordnung abgelehnt, sich bei dem Vervielfältiger zwecks anstehender Urlaubsvertretung am Offset-Gerät einarbeiten zu lassen.
Das von der Hauptfürsorgestelle angehörte Arbeitsamt W. äußerte arbeitsmarktpolitische Bedenken gegen die Kündigung. In der Kündigungsverhandlung vom 4. September 1987 bei der Hauptfürsorgestelle erklärte der Beigeladene, er wolle selbstverständlich weiterhin die Vertretung des Heizers, des Hausmeisters und die Unterstützung des Hausarbeiters durchführen; seine Erklärung vom 24. August 1987 müsse mißverstanden worden sein. Eine Vertretung des Vervielfältigers lehne er aber ab, da es sich hierbei um eine minderwertige Tätigkeit handele, die nicht durch die Regelung seines Arbeitsvertrages gedeckt sei. Er wolle jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des (seinerzeit noch anhängig gewesenen) arbeitsgerichtlichen Verfahrens die Vertretung des Vervielfältigers übernehmen. Der Personalrat und der Vertrauensmann der Schwerbehinderten befürworteten eine Weiterbeschäftigung des Beigeladenen: Das ihm vorgeworfene Verhalten sei eine spontane Fehlhandlung gewesen.
Mit Bescheid vom 8. September 1987 versagte der Beklagte die Zustimmung zur Kündigung mit folgender Begründung: Ein wichtiger Grund liege zur Zeit offensichtlich nicht vor, weil der Beigeladene sich bereiterklärt habe, vorbehaltlich einer arbeitsgerichtlichen Klärung die Tätigkeit des Vervielfältigers zu übernehmen. Wegen der ungeklärten arbeitsrechtlichen Lage sei das Verhalten des Beigeladenen verständlich gewesen und könne nicht als grundlose beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen werden. Den Widerspruch des Polizeipräsidenten wies der Widerspruchsausschuß zurück: Die Zustimmung müsse aus Gründen des besonderen Einzelfalles versagt werden. Denn die anerkannte Behinderung des Beigeladenen, seine langjährige Beschäftigung bei dem Kläger und sein vorgerücktes Lebensalter müßten bei der Wertung der Frage der beharrlichen Arbeitsverweigerung und des diesbezüglichen Fehlverhaltens Berücksichtigung finden. Diese Umstände ließen es bedenklich erscheinen, den Beigeladenen neben seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit als Reparaturschlosser mit immer mehr Arbeiten, wenn auch vertretungsweise, zu belasten. Der Kläger hätte im Rahmen seiner besonderen Fürsorgepflicht prüfen lassen müssen, ob die übertragene Arbeit überhaupt behindertengerecht sei. Auch hätte eine Abmahnung ausgereicht, eventuelles Fehlverhalten zu ahnden, zumal nicht feststehe, ob dem Beigeladenen kraft Direktionsrechts die Vertretung des Vervielfältigers übertragen werden dürfe.
Der daraufhin vom Kläger erhobenen Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht nach seiner Beweisaufnahme über Ablauf und Umstände der dem ßeigeladenen vorgeworfenen Arbeitsverweigerung stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beigeladenen zurückgewiesen, im wesentlichen mit folgender Begründung:
Die Kündigung sei nicht aus einem Grund erfolgt, der im Zusammenhang mit der Behinderung stehe. Das für solche Fälle nach der Soll-Vorschrift des § 21 Abs. 4 SchwbG verbleibende Restermessen habe die Hauptfürsorgestelle daran auszurichten, ob der Sachverhalt Besonderheiten zugunsten des Schwerbehinderten aufweise, die eine Verweigerung der Zustimmung ausnahmsweise rechtfertigten. Die Erwägungen, die insbesondere den Widerspruchsausschuß davon abgehalten hätten, die beantragte Zustimmung zu erteilen, entsprächen nicht dem Zweck des Gesetzes, über die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung habe die Hauptfürsorgestelle nicht zu urteilen. Daß der Beigeladene schwerbehindert, 50 Jahre alt und langjährig beim Kläger beschäftigt sei, stelle keine Besonderheit gegenüber anderen Betroffenen dar, denen ebenfalls eine fristlose Kündigung drohe. Der streitige Vorfall sei auch nicht die erste Arbeitsverweigerung des Beigeladenen gewesen; seine starrsinnige Haltung, mit der er sich jetzt gegen die Urlaubsvertretung gewehrt habe, lasse eine Wiederholung in ähnlich gelagerten Fällen befürchten. Daß dem Beigeladenen zugemutet worden sei, immer neue weitere Tätigkeiten zu seinen bestehenden hinzuzunehmen, treffe nicht zu. Entgegen der Ansicht des widerspruchsausschusses habe der Kläger ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts davon ausgehen dürfen, daß die dem Beigeladenen übertragene Arbeit behinderungsgerecht sei. Da der Sachverhalt keine Besonderheiten aufweise, derentwegen die Zustimmung verweigert werden dürfe, sei die Sache auch zugunsten des Klägers spruchreif.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beigeladenen, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt. Er rügt Verletzung des § 21 Abs. 4 SchwbG. Ohne die Prüfung, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB gegeben sei, könne die Hauptfürsorgestelle ihr Ermessen nicht sachgerecht ausüben. Entsprechend dem Schutzzweck von § 21 Abs. 4 SchwbG solle die Hauptfürsorgestelle wegen der spezifischen Folgen einer unberechtigten Kündigung gerade für den Schwerbehinderten die Zustimmung verweigern können, wenn die beabsichtigte Kündigung unbegründet sei.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Beklagte hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Auffassung des Beigeladenen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beigeladenen ist unbegründet, so daß sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat mit der Zurückweisung der Berufung Bundesrecht nicht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Nach den für das Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 VwGO verbindlichen Feststellungen des Berufungsgerichts beabsichtigt der Kläger die außerordentliche Kündigung des Beigeladenen wegen beharrlicher, nicht auf gesundheitliche Bedenken gestützter Arbeitsverweigerung und damit aus einem Grund, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung des Beigeladenen steht. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß in einem solchen Fall die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung nach § 21 Abs. 4 SchwbG in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1421) in aller Regel zu erteilen hat und das ihr verbleibende „Restermessen” davon abhängig ist, daß der Kündigungssachverhalt Besonderheiten zugunsten des Schwerbehinderten aufweist, die eine Verweigerung der Zustimmung ausnahmsweise rechtfertigen können (vgl. BAG, Urteile vom 20. Dezember 1976 – 5 AZR 736/75 – ≪AP § 18 SchwbG Nr. 1 Bl. 600 R≫ und vom 26. November 1981 – 2 AZR 664/79 – ≪Urteilsabdruck S. 19≫). § 21 Abs. 4 SchwbG ist als „Soll”-Vorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne ausgestaltet. Derartige Normen sind im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betraute Behörde rechtlich zwingend und verpflichten sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das „Soll” ein „Muß”. Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und den atypischen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (BVerwGE 12, 284 ≪285≫; 20, 117 ≪118≫; 56, 220 ≪223≫; 64, 318 ≪323≫; 78, 101 ≪105≫; BSGE 59, 111 ≪114 f.≫ sowie BAG, Urteil vom 16. August 1991 – 2 AZR 241/90 – ≪NZA 1992, 23/24≫).
Das Vorliegen atypischer Besonderheiten, die ein Abweichen von der grundsätzlichen Zustimmungspflicht der Hauptfürsorgestelle rechtfertigen könnten, hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Der Regelfall, in dem die Hauptfürsorgestelle nach dem Willen des Gesetzgebers die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu erteilen hat, ist dadurch gekennzeichnet, daß die Kündigung einen Schwerbehinderten trifft, aber aus einem Grund erfolgt, der nicht in Zusammenhang mit der Behinderung steht. Dem ist die gesetzliche Wertung zu entnehmen, die Gruppe der schwerbehinderten Arbeitnehmer bei derartigen Fallgestaltungen nicht stärker gegen außerordentliche Kündigungen zu schützen als Nichtbehinderte. Die Nachteile und Gefahren, die der Gruppe der Schwerbehinderten durch eine außerordentliche Kündigung allgemein für ihre Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft entstehen, können demnach die Annahme eines atypischen Falles nicht begründen. Die außerordentliche Kündigung muß vielmehr den Schwerbehinderten in einer die Schutzzwecke des Schwerbehindertengesetzes berührenden Weise besonders hart treffen, ihm im Vergleich zu den der Gruppe der Schwerbehinderten im Falle außerordentlicher Kündigung allgemein zugemuteten Belastungen ein Sonderopfer abverlangen (vgl. auch BAG, Urteil vom 26. November 1981 ≪a.a.O.≫: ganz besondere, die Ausnahme rechtfertigende Gründe).
Diese drastische Einschränkung des Abwägungsermessens der Hauptfürsorgestelle zu Lasten des Schwerbehinderten (vgl. BVerwGE 48, 264 ≪267≫) entspricht auch dem Zweck des Schwerbehindertengesetzes. Zwar ist das Schwerbehindertengesetz in erster Linie ein „Fürsorgegesetz”, das mit seinen Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz vor allem die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen will und dessen praktische Durchführung nur auf dem Boden fürsorgerischen Denkens und Fühlens fruchtbar sein kann (vgl. BVerwG, Beschluß vom 12. Juni 1978 – BVerwG 5 B 79.77 – ≪Buchholz 436.6 § 14 SchwbG Nr. 9≫ sowie BVerwGE 29, 140 ≪141≫; 81, 84 ≪89≫). Das Schwerbehindertengesetz ist aber auch ein „Gesetz des guten Willens”. Es verzichtet auf das Mittel der Zwangseinstellung und ist deshalb für das Erreichen seiner arbeitsmarkt- und rehabilitationspolitischen Zwecksetzungen, nämlich Schwerbehinderte in möglichst großem umfang in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern und in dieser Eingliederung zu sichern (vgl. BVerwGE 87, 205 ≪207≫), entscheidend auch auf den guten Willen der Arbeitgeber angewiesen. Das Schwerbehindertengesetz legt Wert darauf, diesen guten Willen zu erhalten und zu pflegen, indem es sich bemüht, möglichst viel von der Gestaltungsfreiheit des Betriebsinhabers zu erhalten (vgl. BVerwGE 29, 140 ≪142≫). Vor diesem Hintergrund ist auch § 21 Abs. 4 SchwbG zu sehen. Er beruht auf der gesetzlichen Wertung, dem Kündigungsinteresse des Arbeitgebers grundsätzlich den Vorrang vor dem Interesse des Schwerbehinderten an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes einzuräumen, wenn der behinderte Arbeitnehmer einen Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben hat, der nicht im Zusammenhang mit seiner Behinderung steht.
Das bestätigt auch die Entstehungsgeschichte. Fallgestaltungen der in § 21 Abs. 4 SchwbG umschriebenen Art unterfielen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24. April 1974 (BGBl. I S. 981) nicht dem gesetzlichen Zustimmungsvorbehalt. Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 des Schwerbeschädigtengesetzes in der Fassung vom 14. August 1961 (BGBl. I S. 1234) war vielmehr die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle für eine fristlose Kündigung nur dann erforderlich, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgte, der im unmittelbaren Zusammenhang mit der gesundheitlichen Schädigung stand, derentwegen der Schutz des Gesetzes gewährt wurde. Erweiterung des Zustimmungsvorbehalts auf alle außerordentlichen Kündigungen erfolgte deshalb, weil der Arbeitgeber in aller Regel überfordert sei, wenn er entscheiden solle, ob er ohne Zustimmung kündigen dürfe, weil Kündigungsgrund und gesundheitliche Beschädigung in keinem Zusammenhang stünden (vgl. die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts, BT-Drucks. 7/656 S. 30 zu Nr. 22 Buchst. b). Grund der gesetzlichen Neuregelung war demnach vornehmlich die Erwägung, den Arbeitgeber bei außerordentlichen Kündigungen vom öffentlich-rechtlichen Wirksamkeitsrisiko dadurch zu entlasten, daß die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund mit der Behinderung im Zusammenhang steht, der Hauptfürsorgestelle überantwortet wurde. Dementsprechend wurde als regelmäßige Rechtsfolge für den Fall, daß die Hauptfürsorgestelle aufgrund ihrer Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kündigungsgrund mit der Behinderung nicht im Zusammenhang steht (vgl. BT-Drucks. 7/656 S. 30 zu Nr. 22 Buchst. b), eine Zustimmungspflicht der Hauptfürsorgestelle angeordnet.
Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, daß der Sachverhalt keine Besonderheiten aufweist, derentwegen die Zustimmung verweigert werden dürfte. Dabei ist das Berufungsgericht möglicherweise davon ausgegangen, die Frage, ob ein atypischer Fall vorliege, sei Teil der Ermessensentscheidung. Dem könnte sich der Senat nicht anschließen. Das durch eine Soll-Vorschrift eingeräumte Ermessen beschränkt sich grundsätzlich auf die Frage, was im Ausnahmefalle zu geschehen hat; ob ein atypischer Fall vorliegt, der eine solche Ermessensentscheidung ermöglicht und gebietet, ist dagegen als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden (vgl. BVerwGE 78, 101 ≪105, 113≫; BSGE 59, 111 ≪115≫ sowie BSG, Urteile vom 11. Februar 1988 – 7 RAr 55/86 – ≪SoZR 1300 § 48 SGB 10 Nr. 44 S. 125≫ und vom 3. Juli 1991 – 9 b RAr 2/90 – ≪SoZR 3 – 1300 § 48 SGB X Nr. 10 S. 10≫). Zu Recht hat das Berufungsgericht das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung verneint. Daß hierfür allgemeine Schwierigkeiten, denen die Schwerbehinderten als Gruppe bei der Arbeitsplatzsuche ausgesetzt sind ebensowenig ausreichen wie die Tatsache, daß der Beigeladene zum maßgeblichen Zeitpunkt 50 Jahre alt und langjährig beim Kläger beschäftigt gewesen war, entspricht der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 21 Abs. 4 SchwbG: Diese Umstände sind nicht außergewöhnlich. Dasselbe gilt im Grundsatz für die vom widerspruchsausschuß herausgestellte besondere Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern. Soweit der Widerspruchsausschuß dem Kläger vorgehalten hat, dem Beigeladenen ohne Rücksicht auf dessen Schwerbehinderung immer neue Arbeiten aufgebürdet und die Prüfung unterlassen zu haben, ob die Arbeit am Offset-Drucker überhaupt behindertengerecht sei, kann offenbleiben, ob diese Umstände geeignet wären, eine Ausnahme von der Soll-Vorschrift des § 21 Abs. 4 SchwbG zu begründen. Denn nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und deshalb bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts treffen diese Vorwürfe in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 VwGO bindend hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daß eine über den Regelfall hinausgehende, aus der Besonderheit des Einzelfalles folgende Härte für den Beigeladenen nicht vorliegt.
Bundesrecht verletzt schließlich auch nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, die Hauptfürsorgestelle habe über die Wirksamkeit der (beabsichtigten) Kündigung, also das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, nicht zu urteilen. Denn § 21 Abs. 4 SchwbG verlangt von der Hauptfürsorgestelle nicht die Prüfung, ob die Kündigung aus wichtigem Grund erfolgt, sondern ob der Grund, aus dem die Kündigung erfolgt, mit der Behinderung in Zusammenhang steht oder nicht. Der Grund, aus dem die Kündigung erfolgt, ist aber immer der vom Arbeitgeber genannte Kündigungsgrund, unabhängig davon, ob er die Kündigung arbeitsrechtlich rechtfertigt. Die Kündigung „erfolgt” aus dem Grund, den der Arbeitgeber zu ihrer Rechtfertigung angibt. § 21 Abs. 4 SchwbG verweist deshalb auf die Begründung der Kündigung, nicht aber auf ihre Begründetheit.
Etwas anderes folgt auch nicht aus § 21 Abs. 1 SchwbG, der in Verbindung mit § 15 SchwbG die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle unterwirft und damit das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ersichtlich voraussetzt. Diese Regelung wendet sich nämlich gar nicht an die Hauptfürsorgestelle, sondern an den, der die Kündigung ausspricht, also an den Arbeitgeber. Sie stellt ein gesetzliches Wirksamkeitserfordernis für ein Handeln des Arbeitgebers auf und gebietet diesem, vor der Kündigung die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle einzuholen. Mittelbare Adressaten der §§ 15, 21 Abs. 1 SchwbG sind diejenigen staatlichen Institutionen, die die Wirksamkeit der Kündigung zu beurteilen haben, mithin die Arbeitsgerichte. Die Regelung in den §§ 15, 21 Abs. 1 SchwbG enthält demnach ausschließlich Handlungsnormen für den Arbeitgeber und Beurteilungsnormen für die Arbeitsgerichte, nicht aber für die Hauptfürsorgestelle (vgl. BVerwGE 81, 84 ≪92 f.≫ für die wortgleichen §§ 12, 18 Abs. 1 SchwbG F. 1979). Denn diese hat nicht über die Wirksamkeit der Kündigung zu urteilen (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1958 – BVerwG 5 C 31.56 – ≪Urteilsabdruck S. 6≫ sowie BVerwGE 01, 84 ≪93≫), sondern (Sonder–)Kündigungsschutz zu gewähren (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 SchwbG), d.h. die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe – im Rahmen der durch § 21 Abs. 4 SchwbG gezogenen Grenzen – mit den Schutzinteressen des behinderten Arbeitnehmers abzuwägen (vgl. BVerwGE 81, 84 ≪92≫ sowie Beschluß vom 7. März 1991 – BVerwG 5 B 114.89 – ≪Buchholz 436.61 § 12 SchwbG Nr. 3 = NZA 1991, 511≫).
Der Zweck des Sonderkündigungsschutzes für Schwerbehinderte erfordert ebenfalls nicht, der Hauptfürsorgestelle die Prüfung eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB abzuverlangen, bevor sie der außerordentlichen Kündigung ihre Zustimmung erteilt. Der öffentlich-rechtliche Sonderkündigungsschutz des Schwerbehindertengesetzes ist präventiver Art. Er unterwirft die Ausübung des arbeitgeberseitigen Kündigungsrechts einer vorherigen Kontrolle der Hauptfürsorgestelle, indem er die Kündigung einem Verbot mit Erlaubnis(Zustimmungs–)vorbehalt unterstellt (vgl. BAG, Urteil vom 26. November 1981 ≪a.a.O. S. 14≫), um bereits im Vorfeld der Kündigung die spezifischen Schutzinteressen schwerbehinderter Arbeitnehmer zur Geltung zu bringen und eine mit den Schutzzwecken des Gesetzes unvereinbare Kündigung zu verhindern. Es ist dagegen nicht Aufgabe des Sonderkündigungsschutzes, den von den Arbeitsgerichten nach erfolgter Kündigung zu gewährenden arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz zu ersetzen oder gar überflüssig zu machen. Der Hauptfürsorgestelle ist nicht die umfassende Abwägung aller den Kündigungsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmenden widerstreitenden Interessen aufgetragen, sondern nur die Einbringung bestimmter, vom Schutzzweck des Schwerbehindertengesetzes erfaßter Interessen. Der Hauptfürsorgestelle obliegt im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes die fürsorgerische Inschutznahme des Schwerbehinderten mit dem Ziel, die aus seiner Behinderung resultierenden Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen und dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit mit Nichtbehinderten herzustellen.
Es ist auch nicht Sinn des Sonderkündigungsschutzes, dem Schwerbehinderten die Unannenmlichkeiten und Belastungen eines Kündigungsrechtsstreites mit dem Arbeitgeber abzunehmen. Derartige Lasten können alle Arbeitnehmer treffen; der Schwerbehinderte hat insoweit grundsätzlich keinen besonderen Schutzanspruch. Denn das Schwerbehindertengesetz will ihn nicht gegenüber Nichtbehinderten bevorzugen, sondern lediglich seine behinderungsbedingten Nachteile ausgleichen. Der Schwerbehinderte muß sich deshalb, was die privatrechtliche Wirksamkeit der Kündigung anbelangt, auf die Überprüfung durch die Arbeitsgerichte verweisen lassen und kann von der Hauptfürsorgestelle nur verlangen, daß diese – im Rahmen der durch § 21 Abs. 4 SchwbG gezogenen Grenzen – seine spezifischen, in der Behinderung wurzelnden Schutzinteressen gegenüber den vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründen in die Abwägung einbringt und prüft, ob diesen Schutzinteressen der Vorrang vor den vom Arbeitgeber geltend gemachten Auflösungsgründen zukommt.
Nicht zu folgen vermag der Senat dem Einwand des Oberbundesanwalts beim Bundesverwaltungsgericht, die Verweisung der Prüfung des wichtigen Grundes in das arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzverfahren würde das Zustimmungsverfahren zu einer leeren Förmlichkeit aushöhlen, dem Arbeitgeber ermöglichen, auch in Fällen mit vorgetäuschten Kündigungsgründen die Zustimmung zu erhalten, und damit im Ergebnis dem Schwerbehinderten den Rechtsschutz entgegen seinem anerkannten Rechtsschutzbedürfnis verweigern. Da dem Zustimmungsverfahren die Prüfung vorbehalten bleibt, ob die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der mit der Behinderung im Zusammenhang steht, und gegebenenfalls ein atypischer Fall vorliegt, der trotz fehlenden Zusammenhangs die Versagung der Zustimmung rechtfertigt, kann von einem auf leere Förmelei reduzierten Verfahren selbst dann nicht die Rede sein, wenn ein Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgrund von der Hauptfürsorgestelle verneint wird. Den Schwerbehinderten vor vorgetäuschten Kündigungsgründen zu schützen, ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Hauptfürsorgestelle, sondern der Arbeitsgerichte. Denn der Gefahr, mit vorgetäuschten Kündigungsgründen überzogen zu werden, ist der nichtbehinderte Arbeitnehmer gleichermaßen ausgesetzt; sie trifft den Schwerbehinderten – von Ausnahmefällen abgesehen – nicht in besonderer Weise und berührt deshalb den spezifischen Schutzzweck des Schwerbehindertengesetzes regelmäßig nicht. Es ist deshalb auch insoweit gerechtfertigt, den Schwerbehinderten wie jeden anderen Arbeitnehmer auf den repressiven Rechtsschutz durch die Arbeitsgerichte zu verweisen.
Daß die Hauptfürsorgestelle die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht zu prüfen hat, ergibt sich auch aus § 21 Abs. 3 SchwbG. Nach dieser Vorschrift hat die Hauptfürsorgestelle ihre Entscheidung innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrages an zu treffen. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt. Tragfähige und abschließende Entscheidungen über das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu treffen, wäre der Hauptfürsorgestelle innerhalb der vom Gesetz eingeräumten Frist in aller Regel nicht möglich. Wenn § 21 Abs. 3 SchwbG gleichwohl die Hauptfürsorgestelle unter kurzfristigen Entscheidungszwang stellt, kann hieraus nur geschlossen werden, daß das Vorliegen eines wichtigen Grundes keine Tatbestandsvoraussetzung der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle über die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ist (vgl. auch BVerwGE 01, 84 ≪92≫ zur Prüfung der Schwerbehinderteneigenschaft).
Eine Pflicht zur Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB folgt entgegen der Ansicht des Oberbundesanwalts auch nicht aus § 20 SGB X. Die dort geregelte Amtsermittlungspflicht der Behörde gewinnt ihre Konturen und Reichweite aus dem materiellen Recht. Ihr läßt sich deshalb von vornherein nichts dafür entnehmen, auf welche Umstände es nach materiellem Recht für die Entscheidung ankommen soll.
Unbegründet ist ferner die Befürchtung des Oberbundesanwalts, der Schwerbehinderte könnte – hätte die Hauptfürsorgestelle das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht zu prüfen – entgegen dem Schutzzweck des Schwerbehindertengesetzes seinen Arbeitsplatz auch dann verlieren, wenn das Arbeitsgericht den wichtigen Grund im Kündigungsschutzprozeß verneint, weil für diesen fall das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen hätte, wenn Gründe vorlägen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten ließen. Dem Risiko eines derartigen Arbeitsplatzverlustes ist der Arbeitnehmer jedoch bei Kündigungen aus wichtigem Grund nicht ausgesetzt. Anders als bei ordentlichen Kündigungen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG) steht die Befugnis, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen, wenn sich die Kündigung als unbegründet erweist, bei außerordentlichen Kündigungen nur dem Arbeitnehmer zu (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 3 KSchG sowie BAG, Urteil vom 26. Oktober 1979 – 7 AZR 752/77 – ≪AP § 9 KSchG 1969 Nr. 5 Bl. 738≫).
Schließlich könnte der Arbeitgeber – so meint der Oberbundesanwalt – die der Hauptfürsorgestelle gegenüber angegebenen Gründe im Kündigungsschutzprozeß gegen andere Gründe austauschen, die zwar arbeitsrechtlich die Kündigung eines Arbeitnehmers, nach ihrem Gewicht aber nicht die Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten rechtfertigen könnten. Auch diese Gefahr einer Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes Schwerbehinderter besteht nicht. Zwar können im Kündigungsschutzprozeß Umstände, die bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung bereits bestanden haben, auch nach Ablauf der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB arbeitsvertragsrechtlich nachgeschoben werden (vgl. BAG, Urteile vom 18. Januar 1980 – 7 AZR 260/78 – ≪AP § 626 BGB – Nachschieben von Kündigungsgründen – Nr. 1 = NJW 1980, 2486≫ sowie vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – ≪NZA 1986, 674≫). Ein derartiges Wachschieben von Kündigungsgründen ist aber dann unzulässig, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts der präventiven Kontrolle durch die Hauptfürsorgestelle unterliegt, weil die nachgeschobenen Gründe nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens waren und die Hauptfürsorgestelle keine Gelegenheit hatte zu prüfen, ob sie die spezifischen Belange des Schwerbehinderten überwiegen und deshalb die Aufhebung der öffentlich-rechtlichen Kündigungsschranke rechtfertigen (offengelassen im Beschluß des erkennenden Senats vom 19. Dezember 1989 – BVerwG 5 B 28.89 – ≪Beschlußabdruck S. 2 ff.≫; ebenso in BAGE 35, 190 ≪197≫ für die ordentliche Kündigung; verneinend: Gröninger/Thomas, SchwbG 1991 § 21, Rdnr. 13; im Ergebnis wie hier für den präventiven Kündigungsschutz nach § 102 BetrVG BAGE 35, 190 ff. sowie BAG, Urteile vom 11. April 1985 ≪a.a.O.≫ und vom 3. April 1986 – 2 AZR 324/85 – ≪NZA 1986, 677 f.≫). Das folgt unmittelbar aus dem Schutzzweck des Schwerbehindertengesetzes und der rechtlichen Konstruktion des Sonderkündigungsschutzes, nach der die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle als öffentlich-rechtliches Wirksamkeitserfordernis nur erteilt wird für eine Kündigung aus den vom Arbeitgeber gegenüber der Hauptfürsorgestelle angegebenen (vgl. § 21 Abs. 4 SchwbG) und der präventiven Kontrolle unterzogenen Gründen (vgl. OVG Bremen, Urteile vom 7. Mai 1980 – 2 BA 4/80 – ≪FEVS 29, 285/289 f.≫ und vom 6. März 1984 – 2 BA 35/83 – ≪ZfSH/SGB 1985, 229≫). Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn der nachgeschobene Kündigungsgrund offensichtlich nicht in Zusammenhang mit der Behinderung steht und die Hauptfürsorgestelle ihre Zustimmung wegen dieses Kündigungsgrundes, wäre er im Zustimmungsantrag bereits enthalten gewesen, nicht hätte verweigern dürfen (so BAG, Urteil vom 20. Januar 1984 – 7 AZR 143/82 – ≪Urteilsabdruck S. 16≫), bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn selbst wenn einer solchen Ausnahme trotz der mit ihr verbundenen Rechtsunsicherheiten für den Arbeitgeber (vgl. zu ähnlichen Problemlagen bei § 102 BetrVG BAG, Urteil vom 11. April 1985 ≪a.a.O. S. 675≫) zuzustimmen sein sollte, könnte eine Umgehung des Sonderkündigungsschutzes Schwerbehinderter hierin nicht gesehen werden.
Das gilt auch für die Frage der Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers während der Dauer des Kündigungsrechtsstreites. Der durch die präventive Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes nach dem Schwerbehindertengesetz bewirkte Arbeitsplatzschutz für den Schwerbehinderten (vgl. BVerwGE 81, 84 ≪90≫ sowie BAG, Urteil vom 20. Dezember 1976 ≪a.a.O. Bl. 600 f.≫) ist Folge einer zugunsten des Schwerbehinderten ausgegangenen Interessenabwägung und der darauf gestützten Zustimmungsverweigerung, nicht aber – wie der Beigeladene meint – Zweck des Sonderkündigungsschutzes in dem Sinne, daß die Hauptfürsorgestelle das Bestandsschutzinteresse des Schwerbehinderten gegen die arbeitsvertragsrechtlichen Erfolgsaussichten der beabsichtigten Kündigung abzuwägen hätte. Einen über den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch (vgl. BAGE 48, 122 ≪134 ff.≫) hinausgehenden Schutz billigt das Gesetz dem Schwerbehinderten insoweit nicht zu. Denn § 21 Abs. 4 SchwbG verpflichtet die Hauptfürsorgestelle im Regelfall, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung trotz der Behinderung des Arbeitsnehmers zu erteilen, und § 18 Abs. 4 (in Verbindung mit § 21 Abs. 1) SchwbG versagt Anfechtungsrechtsbehelfen des Schwerbehinderten gegen die Kündigungszustimmung ganz allgemein die aufschiebende Wirkung, ohne Bestandsschutzinteressen der Behinderten durch eine besondere Weiterbeschäftigungsregelung nach dem Vorbild des § 102 Abs. 5 BetrVG Rechnung zu tragen. Schließlich besteht auch kein Anlaß, den Schwerbehinderten unter dem Gesichtspunkt der Weiterbeschäftigung bei offensichtlich unwirksamen Kündigungen besonders in Schutz zu nehmen. Denn gerade in solchen Fällen besteht nach allgemeinem Arbeitsvertragsrecht auch schon vor Ergehen eines erstinstanzlichen, die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden Urteils ein Weiterbeschäftigungsanspruch (vgl. BAGE 48, 122 ≪152 f.≫), der durch einstweilige Verfügung gesichert werden kann (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 22. Februar 1991 – 2 Sa 35/90 – ≪NZA 1991, 472≫).
Nach alledem bleibt es dabei, daß die Hauptfürsorgestelle die Wirksamheit der außerordentlichen Kündigung nicht zu prüfen hat. Offenbleiben kann im vorliegenden Fall, ob etwas anderes dann gilt, wenn durch die im Zustimmungsverfahren vorzunehmenden Anhörungen und Ermittlungen offenbar wird, daß die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe eine außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. OVG Münster, Urteile vom 25. April 1989 – 13 A 2399/87 – ≪NVwZ-RR 1990, 573/575≫ und vom 5. September 1989 – 13 A 2300/88 – ≪BB 1990, 1909/1910≫; OVG Hamburg, Urteil vom 14. November 1986 – OVG BF I 1/86 – ≪NZA 1987, 566/568≫). Das Vorliegen eines derartigen Ausnahmesachverhalts hat das Verwaltungsgericht aufgrund seiner Sachverhaltsfeststellungen verneint, weil der Beigeladene die Vertretungstätigkeit vom 24. August bis zum 4. September 1987 verweigert habe und dies keine Geringfügigkeit im arbeitsrechtlichen Sinne mehr darstelle. Diese Wertung hat sich das Berufungsgericht offensichtlich zu eigen gemacht. Denn es ist auf diesen nach seiner Rechtsprechung erheblichen Punkt nicht eigens zurückgekommen. Aus der Sicht des Bundesrechts begegnet das keinen Bedenken. Denn eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung kann nur angenommen werden, wenn sie ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt, sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt (vgl. BAGE 48, 122 ≪152≫). Davon kann nach dem festgestellten Sachverhalt keine Rede sein.
Nachdem das Berufungsgericht besondere Umstände, derentwegen die Zustimmung trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 SchwbG noch hätte verweigert werden dürfen, nicht festgestellt hat, hat es den Beklagten in zutreffender Anwendung des Bundesrechts für verpflichtet gehalten, die begehrte Zustimmung zu erteilen, und deshalb zu Recht die Berufung des Beigeladenen gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Die Revision des Beigeladenen ist deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 und 3 VwGO zurückzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.
Unterschriften
Dr. Franke, Dr. Hömig, Dr. Pietzner, Dr. Rothkegel, Dr. Storost
Fundstellen
Haufe-Index 1212096 |
BVerwGE, 275 |