Nach § 618 Abs. 1 BGB muss der Arbeitgeber die unter seiner Leitung vorzunehmenden Arbeitsleistungen so regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als es die Natur der Arbeitsleistung gestattet. Dazu gehört auch der Schutz vor Ansteckung am Arbeitsplatz mit Infektionskrankheiten.
Bei Umsetzung der Schutzpflichten nach § 3 ArbSchG muss der Arbeitgeber die Leitlinien des § 4 ArbSchG beachten.
Maßgeblich ist vorrangig die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG und ein daraus entwickeltes Hygienekonzept. Dabei gilt die TOP-Regel: erst technische, dann organisatorische, zuletzt persönliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes.
Anordnungen nach § 4 Nr. 7 ArbSchG, die der Arbeitgeber zur Umsetzung der Schutzpflichten zu erteilen hat, sind Weisungen durch das Direktionsrecht i. S. d. § 106 GewO, die die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen.
Wenn gesetzliche Entscheidungsspielräume bestehen, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 7 BetrVG zu beachten. Bei Maßnahmen nach dem ArbSchG hat der Betriebsrat sowohl bei der Methode der Gefährdungsbeurteilung und deren Dokumentation als auch bei der Auswahl der Schutzmaßnahmen ein Mitbestimmungsrecht.
Welche Schutzmaßnahmen vom Arbeitgeber durch sein Weisungsrecht angeordnet werden können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dazu zählen insbesondere:
- Das jeweilige Infektionsgeschehen zum konkreten Zeitpunkt,
- die drohenden Gefahren für die Arbeitnehmer, insbesondere die Gefahr einer schweren Erkrankung,
- die konkreten Umstände der Arbeitsleistung,
- vor allem eine sachgerechte Gefährdungsbeurteilung nach dem ArbSchG und ein daraus entwickeltes sachgerechtes Hygienekonzept,
- die Beachtung des TOP-Prinzips im Arbeitsschutz (erst technische, dann organisatorische und nur dann, wenn das nicht genügt; persönliche Maßnahmen wie z. B. Maskenpflicht, Testpflicht).
Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls und eine sorgfältige Gefährdungsbeurteilung an. Die Beachtung der TOP-Regel ist die Grundlage für Maßnahmen des Arbeitgebers, die – wenn zwingend erforderlich – bis zur Anordnung der Testpflicht gehen können.
Einzelheiten
Nach § 3 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Dazu gehört auch der Schutz der Arbeitnehmer vor einer Infektion mit ansteckenden Krankheiten am Arbeitsplatz – nicht nur mit COVID-19.
Maßstab für das Handeln des Arbeitgebers ist § 4 ArbSchG. Danach hat der Arbeitgeber bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes davon auszugehen, dass die Arbeit so zu gestalten ist, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen. Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist zu beachten, dass spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen – hier die Risikogruppen, also Arbeitnehmer mit relevanten Vorerkrankungen – zu berücksichtigen sind. Der Begriff der Gefährdung ist dabei weitergehend als der Begriff der Gefahr. Der Begriff der Gefährdung bezeichnet im Unterschied zur Gefahr die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit. Unter einer Gefahr ist im Bereich des Arbeitsschutzes eine Sachlage zu verstehen, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens zu einem Schaden führt. Dem Schadenseintritt muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zugrunde liegen. Welcher Grad der Wahrscheinlichkeit ausreicht, ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach der Art der betroffenen Rechtsgüter zu bestimmen. Im Arbeitsschutz, bei dem es um Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer geht, genügt ein geringeres Maß an Wahrscheinlichkeit als bei einer Gefahr für Sachgüter.