1 Abgrenzung: Arbeitnehmer oder Selbständiger
1.1 Arbeitnehmerstatus, § 7 SGB IV
Die wesentliche Frage bei einem Crowdworker ist, ob er als Selbstständiger zu klassifizieren ist. Hier werden grundsätzlich die Kriterien des § 7 Abs. 1 SGB IV herangezogen, die besagen, dass eine abhängige, also nichtselbstständige Beschäftigung vorliegt, wenn eine Tätigkeit
- nach Weisungen und
- eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt.
Das Konzept des Crowdworking sieht vor, dass Aufträge ausgeführt werden, ohne dass ein Weisungsrecht diesbezüglich besteht und ohne, dass die Crowdworker in die Betriebsorganisation des Auftraggebers eingegliedert werden. Damit scheidet ein Arbeitsverhältnis in der Regel, jedoch nicht zwingend aus.
1.2 Entscheidung des BAG v. 1.12.2020
Zu der Frage, ob ein Crowdworker selbstständig tätig ist oder doch als Arbeitnehmer einzustufen ist, gibt es bisher nur vereinzelt höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Das BAG hat entschieden, das bei Crowdworkern nicht eine automatische Einstufung als Selbstständige vorliegt. Unter bestimmten Bedingungen sind Crowdworker – unabhängig von der Bezeichnung im Vertrag – als Arbeitnehmer anzusehen. Das BAG hat hier konkret darauf hingewiesen, dass die "Arbeitnehmereigenschaft" nach § 611a BGB davon abhängt, "dass der Beschäftigte weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leistet. Zeigt die tatsächliche Durchführung eines Vertragsverhältnisses, dass es sich hierbei um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Die dazu vom Gesetz verlangte Gesamtwürdigung aller Umstände kann ergeben, dass Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen sind. Für ein Arbeitsverhältnis spricht, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer infolgedessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann".
Arbeitnehmereigenschaft
Entscheidend für die Einstufung als Arbeitnehmer ist also, ob der Auftragnehmer in "arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit" leistet. Es reicht demnach "eine Steuerung durch faktische Zwänge aus", um den Beschäftigtenstatus zu begründen – ausdrückliche persönliche Weisungen sind dabei nicht erforderlich.
In dem vom BAG zu entscheidenden Fall war der Crowdworker zwar vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten des beklagten Unternehmens verpflichtet, allerdings war die Auftragsgestaltung so vom beklagten Unternehmen organisiert, dass der Crowdworker nur über eine bestimmte Anzahl jeweils fest vorgegebener Kleinstaufträge ein bestimmtes Verdienst-Level und damit erst zu einem höheren Stundenlohn "aufsteigen" konnte. Dieses "Anreizsystem" war dazu geeignet, dass der klagende Crowdworker "dazu veranlasst worden (sei), kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen".
Dieses Urteil hat die Wichtigkeit aufgezeigt, eine Prüfung und vor allem eine möglichst eindeutige Ermittlung der Umstände vorzunehmen, die für die Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit oder eben einer Einordnung als Arbeitnehmer wesentlich sind.
1.3 EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern
Damit zukünftig auch innerhalb der EU eine rechtssichere Einordnung von Plattformarbeit und damit auch Crowdworking für die Mitgliedstaaten erleichtert werden kann, hat die EU-Kommission eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit verabschiedet, die zum 1.12.2024 in Kraft getreten ist. Ziel der Richtlinie ist es, menschenwürdige Arbeitsbedingungen für diejenigen zu gewährleisten, die ihr Einkommen aus der Arbeit für Online-Dienste beziehen. Die Richtlinie soll sicherstellen, dass Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, in den vollen Genuss der ihnen zustehenden Arbeitsrechte und Sozialleistungen kommen. Der Begriff "Person, die Plattformarbeit leistet" umfasst alle Plattformarbeiter, unabhängig von der Art des Vertragsverhältnisses oder dessen Bezeichnung durch die beteiligten Parteien (ob Arbeitsverhältnis oder Selbstständigkeit/Freelancer). Dadurch sollen sowohl Angestellte als auch selbstständig tätige Plattformarbeiter künftig von den Schutzmaßnahmen der Plattformarbeit-Richtlinie profitieren.
Die Mitgliedstaaten haben jetzt bis zum 2.12.2026 Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht zu überführen. Hier bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen dies haben wird.
Richtlinieninhalt bezogen auf Scheinselbstständigkeit
In einem früheren Richtlinienentwurf sah dieser noch einen Kriterienkatalog vor, anhand dessen eine Einstufung von Crowdworkern als Arbeitnehmer vorzunehmen ist, wenn mindestens 2 von 5 Kriterien im Verhältnis zur Plattform erfüllt wären. Der Crowdworker wäre dann rechtlich als Arbeitnehmer der Plattform angesehen worden.
Dieser Katalog ist nunmehr in der final verabschiedeten Richtlinie aufgegeben worden. Wesentlich ist nun das Vorliegen von Umständen, die darauf hinweisen, dass die Plattform die Kontrolle und Steuerung des Plattformarbeiters ausübt. Wenn diese Tatsachen gegeben sind, wird e...