Um das Präventionsparadox zu entschärfen, sind Maßnahmen hilfreich, die auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen zugeschnitten sind. Die WHO empfiehlt seit Anfang der 2000er-Jahre eine Kombination aus Maßnahmen für die Allgemeinbevölkerung und Hochrisikogruppen.
Maßnahmen für die Allgemeinbevölkerung und Niedrigrisikogruppen
Bei Maßnahmen für die Allgemeinbevölkerung stehen nicht das Krankheitsrisiko des Einzelnen im Mittelpunkt. Es werden stattdessen Variablen wie Alter, Geschlecht, sozialer Status und Bildungsstatus oder das Gesundheitsverhalten betrachtet. Gleichwohl gelten die Maßnahmen für alle. Die benannte Variablen haben lediglich Einfluss auf die Art der Ansprache und die Auswahl der Präventionsangebote.
Maßnahmen für Hochrisikogruppen
Die Hoch-Risiko-Strategien richten sich an den geringen Prozentsatz der Personen der Hochrisikogruppe.
Gesundheits- und sicherheitspräventive Maßnahmen
Gesundheits- und sicherheitspräventive Maßnahmen "für alle" wären Tragen des Sicherheitsgurts während der Autofahrt, Zahnhygiene und Schutz beim Geschlechtsverkehr. Beispiele für Maßnahmen für Risikogruppen sind Grippeimpfungen für Ältere oder Strategien zur Vermeidung von Alkohol- und Tabakkonsum bei Jugendlichen.
Es ist anzumerken, dass sich beide Strategien nicht ausschließen und es nach Bradley sinnvoll ist "die Anstrengungen auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu konzentrieren und gleichzeitig das Risiko für die gesamte Gemeinschaft zu verringern".
Zwei weitere Theorien aus dem Themenbereich der Psychologie verdeutlichen, warum die Wirkung von Präventionsmaßnahmen manchmal ausbleibt.
Risikohomöostasetheorie
Eine Theorie, welche das Präventionsparadoxon beschreibt, ist die Risikohomöostasetheorie nach Wilde. Der kanadische Psychologe untersuchte das Verhalten von Autofahrern und geht von einer individuellen Konstante der Risikoakzeptanz aus. Autofahrer haben eine Risikozielgröße, ein selbstbestimmtes Maß an akzeptiertem Risiko. Ihren Fahrstil und Verhalten im Straßenverkehr passen sie an wahrgenommene Verkehrs-Risiko-Situationen an: Es wird versucht, das wahrgenommene und "gewünschte" Risikoniveau in Einklang zu bringen. Das Persönlichkeitsmerkmal der Risikoakzeptanz ist verhältnismäßig konstant: Sicherheitsgewinne durch Assistenzsysteme im Auto wie Antiblockiersysteme, Abstandsregelung, sichere Straßenführungen etc. werden durch dichteres Auffahren oder schnelleres Fahren kompensiert.
Dissonanztheorie
Der Sozialpsychologe Festinger hat sich mit menschlichen Gedanken und Gefühlen beschäftigt, die Individuen als angenehm oder als unangenehm empfinden. Fühlt ein Mensch sich wohl, besteht kein Grund, etwas zu ändern. Unangenehme Gedanken (Kognitionen) und Gefühle (Emotionen) jedoch lösen Spannungszustände aus, die abgebaut werden müssen.
Spannungen entstehen, weil Wahrnehmung, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche, Absichten oder Gefühle im Widerspruch zur Realität stehen:
- (Kauf-)Entscheidungen werden getroffen, die sich anschließend als Fehlentscheidungen herausstellen.
- Handlungen werden begonnen, die nicht zum erwünschten Ergebnis führen.
- Man passt sich der Mehrheit an, obwohl man eine andere Überzeugung hat.
Oder ganz konkrete Beispiele:
- Raucher wissen um die Schädlichkeit des Nikotins (Kognition), genießen aber die Lust auf die Zigarette und den Moment des Rauchens (Emotion).
- Das Tragen von PSA ist sinnvoll (Kognition), aber umständlich, unbequem, uncool … (Emotion).
Festinger bezeichnet diesen unangenehmen intrapsychischen Konflikt einer Person als "kognitive Dissonanz". Dissonante Zustände lösen eine unangenehme Spannung und ein kognitives und emotionales Ungleichgewicht aus. Die Person, die kognitive und emotionale Dissonanz erlebt, möchte typischerweise einen konsistenten Zustand wiederherstellen.
Um die kognitive und emotionale Dissonanz zu vermeiden oder reduzieren, wendet der Mensch clevere Schachzüge an:
- Informationen werden nicht wahrgenommen, abgewertet oder geleugnet;
- es wird gezielt nach Informationen gesucht, welche die eigene Überzeugung oder das Verhalten bestätigen;
- Personen umgeben sich nur mit Personen, welche die gleiche Einstellung teilen.
Um eine Dissonanz aufzulösen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird das Verhalten geändert und der eigenen Überzeugung angepasst oder die Überzeugung wird geändert, sodass sie zum Verhalten passt.