Die Unanwendbarkeit von § 26 BDSG nach der EuGH-Rechtsprechung!
Im Urteil v. 30.3.2023 (C-34/21) hat der EuGH entschieden, dass die Regelung zum Beschäftigendatenschutz in § 23 HessDSIG unionsrechtswidrig sein könnte, weil sie jedenfalls von der Öffnungsklausel des Art. 88 DSGVO nicht gedeckt wird. Da die Regelung weitgehend mit § 26 BDSG identisch ist, hat die EuGH-Entscheidung mittelbare Auswirkungen auf die deutschen Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz:
Nach der Entscheidung stellt § 23 HessDSIG (§ 26 BDSG) keine "spezifischere Vorschrift" im Sinne von Art. 88 DSGVO dar. Grund dafür ist, das die Norm keinen eigenständigen Inhalt aufweist, der sich von den allgemeinen Regelungen der DSGVO unterscheidet. Außerdem genügt die Norm den Anforderungen von Art. 88 Abs. 2 DSGVO nicht, weil sie keine weitergehenden, besonderen Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten der Beschäftigten hinsichtlich der Datenverarbeitung enthält. Die Norm ist gewissermaßen "inhaltsleer", weil sie sich auf eine Wiederholung der in Art. 6 DSGVO bereits genannten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen beschränkt.
§ 26 BDSG könnte jedoch den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 Satz 1b) DSGVO genügen und wäre dann unionsrechtskonform. Das vorlegende VG Wiesbaden hat nunmehr zu klären, ob dies bei § 23 HessDSIG der Fall ist. Zusätzlich könnte es sich um Datenverarbeitung handeln, mit der der Arbeitgeber einer rechtlichen Verpflichtung nachkommt, der er unterliegt (Art. 6 Abs. 1c) DSGVO) oder eine Datenverarbeitung, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt (Art. 6 Abs. 1e) DSGVO). Denkbar wären an dieser Stelle allenfalls arbeitsgesetzliche Pflichten wie z. B. die Dokumentationspflichten nach dem Nachweisgesetz, Erfassung und Aufzeichnung von Arbeitszeiten nach dem Arbeitsgesetz o. Ä.
Die inhaltliche Prüfung datenschutzrechtlicher Fragestellungen und die Zulässigkeit diesbzgl. Eingriffe in Arbeitnehmerrechte wird sich jedoch auch weiterhin am Maßstab der "Erforderlichkeit" orientieren. Die entsprechenden Vorgaben des BAG sind weiterhin maßgebend, im Einzelfall möglich ist jedoch eine abweichende Auslegung des Begriffs seitens des EuGH.
Ergebnis: Eine umfassende Rechtsgrundlage für den Beschäftigtendatenschutz dürfte demnach in § 26 BDSG nicht mehr gesehen werden können! Die Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis wird sich dann vorrangig auf Art. 6 Abs. 1b) DSGVO stützen.
Nachfolgend wird § 26 BDSG in der aktuell noch gültigen Fassung dargestellt; zudem erfolgen Hinweise auf eventuelle Änderungen aufgrund der EuGH-Rechtsprechung und der zukünftigen Anwendung des Art. 6 Abs. 1b) DSGVO.
Abzuwarten bleibt, ob die EuGH-Rechtsprechung die Diskussion um ein nationales Beschäftigtendatenschutzgesetz belebt und den Gesetzgeber initiativ werden lässt. Der aktuelle Regierungsentwurf zur Änderung des BDSG sieht diesbzgl. (noch) keine entsprechende Anpassung an die Entwicklung vor.