Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Gemäß § 2 Abs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Grundsätzlich zählt die gewöhnliche Wegezeit von der privaten Wohnung zum Arbeitsplatz nicht zur Arbeitszeit im Sinne des ArbZG. Zählt die Reisezeit zu den vertraglich geschuldeten Leistungspflichten des Arbeitnehmers (z. B. als Lkw-Fahrer oder Außendienstmitarbeiter), handelt es sich um Arbeitszeit. Auch Wegezeiten zwischen dem im Betrieb des Arbeitgebers eingerichteten Arbeitsplatz und außerhalb des Betriebs gelegenen weiteren Arbeitsstellen zählen als Arbeitszeit i. S. d. § 2 Abs. 1 ArbZG. Ob Wegezeiten (Dauer der Hin- und Rückfahrt) einer Dienstreise als Arbeitszeit i. S. d. § 2 Abs. 1 ArbZG gelten, hängt vom Inhalt der arbeitgeberseitigen Weisung ab: Nach der sog. Beanspruchungstheorie des BAG sind Wegezeiten immer dann Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeiten in einem Umfang fremdbestimmt im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers beansprucht wird, der eine Einordnung als Arbeitszeit erfordert. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Arbeitnehmer während der Reisezeit tatsächlich Arbeitsaufgaben erledigt. Vielmehr lässt die entsprechende Weisung des Arbeitgebers die Wegezeiten zu einer arbeitszeitrechtlich relevanten Tätigkeit werden. Die vom Arbeitgeber geforderte Bearbeitung von Akten, E-Mails, Vor- und Nachbereitung des auswärtigen Termins während der Reise, aber auch das Führen eines Fahrzeugs (Dienstwagen), ist daher Vollarbeit. Gibt der Arbeitgeber dagegen lediglich die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels vor und bleibt es dem Arbeitnehmer überlassen, wie er die Zeit nutzt, liegt arbeitszeitrechtlich keine Arbeitszeit vor. Eine Übertragung der arbeitszeitrechtlichen Beurteilung entsprechend der Grundsätze zum Bereitschaftsdienst ist auch gemeinschaftsrechtlich nicht gefordert.
Grenzen der Arbeitszeit
Grundsätzlich gelten dann bei Dienstreisen die Arbeitszeitgrenzen des ArbZG, insbesondere die 10-Stunden-Höchstarbeitszeitgrenze nach § 3 Satz 2 ArbZG. Die arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben sind bei der Anordnung von Dienstreisen vollumfänglich einzuhalten. Aus diesen Gründen kommt es auf die maßgeblichen tarifvertraglichen oder betrieblichen Regelungen über die Durchführung von Dienstreisen im Betrieb des Arbeitgebers an. Darin sollte auch eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Dokumentation der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und des Reiseaufwands innerhalb und außerhalb der sonst üblichen Dienstzeiten aufgenommen werden. Dabei ist zumindest im öffentlichen Dienst eine Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften (Gesetze, Verordnungen, Erlasse) zulässig. Zu beachten ist im Hinblick auf die Dokumentation der geleisteten Arbeitszeit die neuere Rechtsprechung des EuGH, wonach aus Gründen des Arbeitnehmer- und Gesundheitsschutzes ein effektives System zur Überwachung und Erfassung der geleisteten Arbeitszeit zu gewährleisten ist; allerdings trifft diese Pflicht zunächst die Mitgliedstaaten selbst. Die genannten Grundsätze gelten auch für Reisetätigkeiten anlässlich der Betriebsratstätigkeit. § 37 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 78 Satz 2 BetrVG verbietet eine nachteilige Behandlung von Betriebsräten.
Arbeitszeitrechtliche Einordnung ist unerheblich für Vergütungspflicht
Die arbeitszeitrechtliche Beurteilung der Reisezeiten ist vollkommen unabhängig von der vergütungsrechtlichen Einordnung zu sehen: Die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG führt nicht zwingend zur Vergütungspflicht. Umgekehrt lässt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht zwangsläufig die Vergütungspflicht entfallen.