Dipl.-Inform. Jörg Schiemann
Zusammenfassung
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Einsatz digitaler Anwendungen zur Gesundheitsförderung. Dazu wird zunächst die Relevanz des Themas betrachtet und mit der Corona-Pandemie in Zusammenhang gestellt, welche sich als Beschleuniger für digitale Anwendungen aller Art herausgestellt hat. Anhand der beiden häufigsten Erkrankungen im Arbeitskontext (Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie psychische Erkrankungen) werden Szenarien dargestellt und es wird aufgezeigt, wie digitale Lösungen aussehen können und wie ihr Wirkprinzip sein kann – jeweils aus präventiver Sicht wie auch zur Unterstützung, wenn ein Behandlungsbedarf vorliegt.
1 Mit Corona startete die Digitalisierung erst richtig
Die seit vielen Jahren nur langsam voranschreitende Digitalisierung erfuhr durch die Corona-Pandemie in vielen Bereichen unseres Lebens unverhofft eine Beschleunigung. Technologien, bei deren Einführung oder Umsetzung vorher gezögert wurde, konnten kurzfristig als für die Ausnahmesituation passende (Not-)Lösungen erkannt und realisiert werden.
So blieb auch im betrieblichen Kontext den Verantwortlichen unter den damaligen neuen Gegebenheiten oft keine andere Wahl, als die Digitalisierungsbestrebungen zu forcieren. Als wohl bekanntestes Beispiel können die auf breiter Front ermöglichten Arbeiten im Homeoffice dienen.
Die neuen Technologien und Prozesse brachten zahlreiche geänderte oder neue Anforderungen für die Unternehmen mit sich. So wie es aus technischer Sicht galt, die von den Arbeitnehmern zu Hause verwendeten Rechner und Laptops sicher ans Unternehmensnetzwerk anzubinden, so war und ist auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement bei der neuen Ausprägung der Arbeitsplätze gefordert.
Dabei blieben die gesundheitlichen Probleme größtenteils dieselben, wie sie es im Büro und vor der Pandemie waren, auch wenn sie von neuen Auslösern und Ursachen getragen werden. So ist es quasi unerheblich, ob Rückenprobleme – eine der zwei häufigsten Berufserkrankungen – von schlecht eingestellten Stühlen im Büro oder von ungeeigneten Sitzmöbeln, wie dem Küchenstuhl oder der Wohnzimmercouch zu Hause, kommen.
2 Der Wandel kam, um zu bleiben
Ende Juni 2021 lief die während der Corona-Pandemie eingeführte Homeoffice-Pflicht der Bundesregierung offiziell aus. Mit ihr verpflichteten sich die Arbeitgeber nach einer Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, ihren Arbeitnehmern während der Pandemie Homeoffice zu ermöglichen.
Während verschiedene Unternehmen öffentlichkeitswirksam ihre Mitarbeiter wieder ins Büro zurückgeholt haben, ist in vielen Unternehmen Homeoffice und hybrides Arbeiten fester Bestandteil geworden und wird langfristig umgesetzt. So hat sich laut dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) der Prozentsatz der Unternehmen, die aufgrund der Pandemie-Erfahrungen planen, Homeoffice auch in der Zeit nach Corona einzusetzen, von bereits 64 % im Juni 2020 ein Jahr später sogar auf 74 % erhöht.
Das wird auch durch den Wunsch der Beschäftigten unterstützt. In einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg sagte die Mehrheit der Befragten (61 %), dass sie die Arbeit im Homeoffice als hilfreich und wenig belastend wahrnehmen.
Um den Umfang dieser Bewegung einzuschätzen, lohnt es sich, die Zahlen des Digitalverbandes Bitkom anzuschauen, nach denen rund 45 % aller in Deutschland Beschäftigten im Homeoffice arbeiten. Das sind rund 10,5 Mio. Arbeitnehmer dauerhaft und weitere 8,3 Mio. Arbeitnehmer zumindest zeitweise.
Die Deutsche Welle (DW) berichtet in Ergänzung, dass über 80 % der Menschen, die pandemiebedingt im Homeoffice arbeiten mussten, sich dies auch für die Zukunft (zumindest zeitweise) wünschen.
Ein "Recht auf Homeoffice" – wie in den Niederlanden – ist in Deutschland vorerst nicht zu erwarten. Es sieht allerdings auch unabhängig von einer gesetzlichen Regelung nicht danach aus, als würde sich die Uhr wieder komplett zurückdrehen lassen. Neue Technologien und Prozesse sind eingeführt worden, Unternehmen und Mitarbeiter haben sich daran gewöhnt und so werden diese nicht mehr verschwinden.
3 Neue Anforderungen bestimmen das künftige BGM
In der Folge entstehen oder vielmehr bleiben auch in Zukunft verschiedene Arbeitsplätze für den Arbeitnehmer parallel bestehen – im Büro, mobil im Café und Coworking-Center oder zu Hause im Homeoffice. Die nach der Pandemie wiedergewonnene Freiheit hat einen variablen und mit immer kürzerem Vorlauf ausgeführten Wechsel zwischen diesen Arbeitsplätzen aufkommen lassen. Als hybrides Arbeiten bezeichnet, wird dies zukünftig die Komplexität der Anforderungen an das BGM steigern. Dies wiederum führt zu einer weiteren Steigerung der Komplexität aufgrund der bereits gegenwärtigen unterschiedlichen Arbeitsfor...