OFD Kiel, Verfügung v. 8.6.1999, S 2252 A - St 111
Gehen festverzinsliche Wertpapiere, Sparbücher und ähnliche Kapitalforderungen während einer laufenden Zinsperiode im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen Erben über, sind die Zinsen aus diesen Kapitalforderungen in vollem Umfang dem Erwerber als Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zuzurechnen (vgl. auchH 154 [Stückzinsen] Satz 4 Nr. 1, 2. Halbsatz EStH 1998). Eine rechnerische Aufteilung dieser Zinsen auf die Zeit bis zum Erbfall (Zurechnung beim Erblasser) und ab Erbfall (Zurechnung beim Erben) ist nicht vorzunehmen. Insoweit gelten für die Einkommensteuer und Erbschaftsteuer unterschiedliche Regelungen. Wegen der steuerlichen Doppelbelastung beim Erben ist diesem eine Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu gewähren (bis einschl. VZ 1998).
Die Zurechnung der gesamten Zinsen beim Erwerber folgt aus dem Zuflußprinzip des § 11 Abs. 1 EStG. Kapitalerträge sind erst bei Zufluß steuerlich zu erfassen. Zuflußzeitpunkt ist bei Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG regelmäßig der Fälligkeitstermin. Der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger hinsichtlich aller bis zum Erbfall entstandenen Zinsen für die laufende Zinsperiode in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Demzufolge hat er bei Fälligkeit der Zinsforderung sämtliche Zinsen für die Zinsperiode in seiner Steuererklärung zu erfassen (BFH-Urteil vom 11.8.1971, VIII R 76/70, BStBl 1972 II S. 55).
Werden hingegen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen (Abtretung, Veräußerung), erfolgt die Besteuerung nach den Grundsätzen des § 20 Abs. 2 EStG (Besteuerung des Entgelts beim Veräußerer/entgeltlich Abtretenden) bzw. dem Rechtsgedanken des § 101 BGB (Zurechnung der Erträge entsprechend der Besitzzeit oder abweichender vertraglicher Vereinbarungen).
Für die Abstandnahme vom Zinsabschlag der ihm zuzurechnenden Zinsen benötigt der Erbe einen eigenen Freistellungsauftrag bzw. eine NV-Bescheinigung. Der vom Erblasser erteilte Freistellungsauftrag bzw. die ihm erteilte NV-Bescheinigung verliert mit dem Todestag seine bzw. ihre Gültigkeit (vgl. auchR 213 k Abs. 2 Satz 5 EStR 1998 sowie Karte 1.2.1 Tz. 2 zu § 43 EStG). Wegen der Besonderheiten bei Ehegatten siehe Karte 1.1 zu § 44 a EStG.
Soweit dem Kreditinstitut im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge die alleinige Gläubigerstellung des Erben noch nicht nachgewiesen wurde (und deshalb die Umschreibung des Kontos auf seinen Namen noch nicht vorgenommen worden ist), ist jedenfalls bei Kenntnis des Kreditinstituts vom Tod des Kontoinhabers Zinsabschlag einzubehalten. Die Erstattung des Zinsabschlags nach § 44 b Abs. 4 EStG kommt in diesen Fällen auch dann nicht in Betracht, wenn der Erbe dem Kreditinstitut die alleinige Gläubigerstellung später nachweist und einen Freistellungsauftrag oder eine NV-Bescheinigung vorlegt.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7