Der Richtliniengeber begründet die EntgTranspRL mit einem geschlechtsspezifischen Entgeltgefälle (sog. Gender Pay Gap), das im Jahr 2020 unionsweit 13 % betragen habe und unter anderem auf Entgeltdiskriminierung beruhe. Eine solche geschlechterspezifische Lohndifferenz ist statistisch nachweisbar. In welchem Umfang sie tatsächlich auf einer Diskriminierung basiert, teilt die Begründung der EntgTranspRL nicht mit. Naheliegend dürfte es sein, die Ursachen vornehmlich darin zu suchen, dass Frauen tendenziell öfters in Teilzeit arbeiten, längere berufliche Auszeiten nehmen als Männer und eher Berufe ergreifen, die der Markt geringer vergütet. Ob die verbleibende, nicht objektiv erklärbare Entgeltdifferenz (sog. bereinigtes Gender Pay Gap) auf Diskriminierung zurückzuführen ist, ist umstritten. Es könnten insofern auch andere Umstände ursächlich sein. Jedenfalls mutet es unwissenschaftlich an, eine empirisch nicht erklärbare Ungleichheit mit Diskriminierung gleichzusetzen. Denn hierdurch verwischt der Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität. Zu Recht weisen Kritiker daher darauf hin, dass der Gesetzgeber statt eines bürokratischen und aufwendigen Rechtsakts effektivere Mittel gegen das Lohngefälle ergreifen und beispielsweise für eine bessere Betreuung von Kindern Sorge tragen sollte.
Im Gegensatz zu einer EU-Verordnung gilt eine EU-Richtlinie nicht unmittelbar und direkt als Rechtsakt in einem Mitgliedstaat. Vielmehr bedarf eine Richtlinie der Transformation in das nationale Recht. Verbindlich geben EU-Richtlinien nur das zu erreichende Ziel vor; den Mitgliedstaaten bleibt es jedoch überlassen, wie sie die Richtlinie umsetzen. Regelmäßig zielen EU-Richtlinien darauf ab, in den Mitgliedstaaten eine Mindestharmonisierung des Rechts zu erreichen. Die Mitgliedstaaten müssen die EntgTranspRL bis zum 7.6.2026 in nationales Recht umsetzen. Der deutsche Gesetzgeber wird zur Implementierung der EntgTranspRL wohl insbesondere das EntgTranspG entsprechend anpassen.
Die EntgTranspRL erlaubt es den Mitgliedstaaten, für Arbeitnehmer günstigere Regelungen vorzusehen; das heißt, dass die Mitgliedstaaten ein höheres Schutzniveau kodifizieren dürfen, als es die EntgTranspRL vorgibt. Allerdings regelt die EntgTranspRL diverse Pflichten derart konkret und dezidiert, dass die Mitgliedstaaten insoweit allenfalls nur geringen Gestaltungsspielraum haben.
Hieraus folgt für Arbeitgeber, dass sie sich unabhängig von der künftigen Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber bereits jetzt auf bestimmte Regelungen der EntgTranspRL einstellen und entsprechend vorbereiten sollten. Arbeitgeber sind gut beraten, sich insofern nicht von der am 7.6.2026 ablaufenden Umsetzungsfrist täuschen zu lassen. Die ersten Berichtspflichten greifen bereits ab dem 7.6.2027. Bis dahin sollten die Vergütungsstrukturen richtlinienkonform sein. Zeitlicher Vorlauf sollte insbesondere eingeplant werden, um die Vergütungsstrukturen zu prüfen und ggf. anzupassen sowie etwaige Kollektivvereinbarungen zu prüfen und ggf. mit dem Betriebsrat bzw. der Gewerkschaft neu zu verhandeln und abzuschließen.