1 Entsendung nach EU-Recht
Für eine selbstständig erwerbstätige Person, die sich in einen anderen Mitgliedsstaat entsendet, in dem die Verordnungen (EG) über soziale Sicherheit angewendet werden, gelten vorrangig die jeweiligen Verordnungsregelungen. Hierbei ist zu beachten, dass es bei der Anwendung der Verordnungen (EG) über soziale Sicherheit Einschränkungen beim gebietlichen, persönlichen und sachlichen Geltungsbereich gibt.
1.1 Gebietlicher Geltungsbereich
Einschränkungen beim gebietlichen Geltungsbereich gibt es bei Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Malta, Niederlande, Portugal, Spanien, Zypern und beim Vereinigten Königreich.
1.2 Persönlicher Geltungsbereich
Grundsätzlich erfasst die Verordnung (EG) über soziale Sicherheit alle Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Bei Dänemark, dem Vereinigten Königreich, den EWR-Staaten Island, Norwegen, Liechtenstein und bei der Schweiz ist der persönliche Geltungsbereich eingeschränkt. Bei diesen Staaten muss geprüft werden, ob die Anwendung eines bilateralen Abkommens oder der vorherigen Verordnung (EWG) über soziale Sicherheit möglich ist.
1.3 Sachlicher Geltungsbereich
Der sachliche Geltungsbereich umfasst alle Versicherungszweige der Sozialversicherung.
2 Voraussetzungen für eine Entsendung nach den Verordnungen (EG) über soziale Sicherheit
Nach den Verordnungen (EG) über soziale Sicherheit kann eine Person, die in einem Mitgliedsstaat eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, für eine begrenzte Zeit eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat ausüben. Sollten die Voraussetzungen erfüllt sein, können während der Entsendung weiterhin die deutschen Rechtsvorschriften angewendet werden. Sollte eine Voraussetzung nicht erfüllt sein, gelten für den Selbstständigen die Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dem die selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Entsendung für Selbstständige
Die Regelungen für die Entsendung von Arbeitnehmern gelten zum größten Teil auch bei Entsendungen von selbstständig erwerbstätigen Personen. In diesem Abschnitt werden nur die Besonderheiten erläutert. Im Übrigen gelten die Regelungen zur Anwendung von EU-Recht für Arbeitnehmer.
2.1 Gewöhnliche Tätigkeit
Damit eine Entsendung nach der Verordnung (EG) über soziale Sicherheit vorliegen kann, muss gewöhnlich eine selbstständige Erwerbstätigkeit in Deutschland ausgeübt werden. Damit für die Person die deutschen Rechtsvorschriften auch während einer Entsendung in einen anderen Mitgliedsstaat weiter gelten können, muss die selbstständige Tätigkeit in Deutschland bereits seit mindestens 2 Monaten ausgeübt werden. Wird die Tätigkeit kürzer ausgeübt, wäre eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.
Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit
Damit der Selbstständige seine Tätigkeit nach Rückkehr aus dem anderen Mitgliedsstaat fortsetzen kann, muss in Deutschland die für seine Berufsausübung notwendige Infrastruktur erhalten bleiben. Für die Beurteilung sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:
Der Selbstständige muss
- in Deutschland über Geschäftsräume, Werkstätten, Werkshallen etc. verfügen;
- einen Gewerbeausweis besitzen;
- in Deutschland weiter Steuern bezahlen;
- eine Umsatzsteuernummer besitzen und
- bei der Handelskammer oder einem Berufsverband eingetragen sein.
Sind die Kriterien erfüllt, gelten für den Selbstständigen während der Entsendung weiterhin die deutschen Rechtsvorschriften.
2.2 Ähnliche Tätigkeit
Selbstständig erwerbstätige Personen dürfen im Rahmen einer Entsendung im anderen Mitgliedsstaat ausschließlich "ähnliche Tätigkeiten" ausüben. Dies bedeutet, dass es sich bei der im anderen Mitgliedsstaat ausgeübten Tätigkeit um eine Tätigkeit in derselben Branche handeln muss.
Ein Bäckermeister möchte eine Metzgerei eröffnen
Ein in Deutschland selbstständiger Bäckermeister möchte in Frankreich eine Metzgerei eröffnen. Bei der Tätigkeit als Metzger handelt es sich nicht um eine "ähnliche Tätigkeit". Eine Entsendung liegt nicht vor.
Bereits vor der Entsendung muss der Selbstständige Nachweise über die von ihm im anderen Mitgliedsstaat beabsichtigte Tätigkeit erbringen. Ein Nachweis könnte durch entsprechende Verträge erfolgen.
Rechtsanwalt möchte in Spanien arbeiten
Ein Rechtsanwalt möchte im Auftrag eines Unternehmens eine Beratung im Bereich "Immobilienrecht" durchführen. Die Beratertätigkeit soll in Spanien stattfinden und ca. 5 Monate andauern. Zudem wird die Tätigkeit in Spanien als abhängige Beschäftigung qualifiziert. In Deutschland ist er als selbstständiger Rechtsanwalt auf Familienrecht spezialisiert.
Die Tätigkeit in Spanien ist eine juristische Tätigkeit und ist branchenspezifisch. Daher kann die Tätigkeit als ähnliche Tätigkeit angesehen werden. Ob die Tätigkeit in Spanien als abhängige Beschäftigung oder als selbstständige Erwerbstätigkeit angesehen wird, ist für die Beurteilung unerheblich. Somit liegt eine Entsendung vor und für den Rechtsanwalt gelten für die Dauer der Auslandstätigkeit die deutschen Rechtsvorschriften.
Eine Entsendung liegt auch dann vor, wenn die selbstständige Person die Tätigkeit in Form von Telearbeit aus einem anderen Staat heraus ausübt.
2.3 Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften
Nach den Verordnungen (EG) über soziale Sicherheit liegt eine Entsendung nur vor, wenn unmittelbar vor dem Aus...