LfSt Bayern, Schreiben vom 22.7.2021, S 0166.2.1-16/17 St43
1. Allgemeines
Nach § 46 Abs. 1 AO können Erstattungs- und Vergütungsansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach ihrer Entstehung abgetreten oder verpfändet werden. Die Abtretung erfolgt nach §§ 398 ff. BGB, die Verpfändung nach den §§ 1273, 1274, 1279 ff. BGB mit den sich aus § 46 AO ergebenden Einschränkungen. Die Absätze 2 – 4 des § 46 AO enthalten für die Abtretung zusätzliche Anforderungen, durch die der Zedent vor Übereilung geschützt und der Verwaltungsablauf vereinfacht werden soll.
Durch die wirksame Abtretung tritt der neue Gläubiger (Zessionar) an die Stelle des Erstattungsberechtigten (Zedenten) und ist befugt, den abgetretenen Anspruch geltend zu machen und die Forderung einzuziehen, d.h. im eigenen Namen geltend zu machen, insbesondere die Forderung einzuklagen. Die Abtretung führt zum unmittelbaren Wechsel der Gläubigerstellung. Durch eine wirksame Pfändung oder Verpfändung der Forderung erlangt der Pfandgläubiger ein Pfandrecht an der Forderung und ist zur Einziehung der Forderung berechtigt.
Soweit nachfolgend nur die Abtretung angesprochen ist, gelten die Ausführungen für die Verpfändung entsprechend.
2. Abtretbare Erstattungsansprüche und Steuervergütungen
Steuererstattungsansprüche im Sinne des § 46 Abs. 1 AO sind insbesondere die Ansprüche auf Erstattung der durch Vorauszahlungen und/oder Steuerabzugsbeträge überzahlten Veranlagungssteuern sowie die sonstigen in den Einzelsteuergesetzen geregelten Erstattungsansprüche (z.B. § 36 Abs. 4 EStG). § 46 AO gilt auch für Ansprüche auf Erstattung von Haftungsbeträgen oder steuerlichen Nebenleistungen. Zu den Ansprüchen auf Erstattung von steuerlichen Nebenleistungen gehören auch die Ansprüche auf Erstattung der Kosten i.S.d. §§ 89, 178, 178a und 337 – 345 AO; Kostenerstattungsansprüche nach den §§ 135 FGO sind dagegen keine steuerlichen Nebenleistungen und fallen daher nicht unter die Beschränkung des § 46 AO.
Steuervergütungsansprüche sind der Anspruch auf Auszahlung des Überschuss der Vorsteuer über die Umsatzsteuer (§ 16 Abs. 2 UStG), der Anspruch auf Eigenheimzulage, Investitionszulage und Wohnungsbauprämie usw. Als Steuervergütungsanspruch wird auch das Kindergeld behandelt. Ansprüche auf Arbeitnehmersparzulage für vermögenswirksame Leistungen, die nach dem 31.12.1993 angelegt wurden, können nicht abgetreten werden (§§ 13 Abs. 3, 17 des 5. VermBG).
Der Anspruch auf Abzug der Vorsteuer nach § 15 UStG ist nicht selbständig abtretbar oder verpfändbar (BFH-Urteil vom 24.3.1983, V R 8/81, BStBl II 1983 S. 612). Zur Auslegung in Zweifelsfällen s. Tz. 3.1.
Besonderheiten bei der Bauabzugsteuer:
Der Anspruch des leistenden Unternehmers auf Erstattung der nach Anrechnung gem. § 48c Abs. 1 EStG verbleibenden Abzugsbeträge entsteht erst nach Durchführung der Veranlagung des Leistenden zur Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer des Jahres, in dem die Leistung erbracht wurde. Das bedeutet, dass nach § 46 Abs. 6 AO der Erstattungsanspruch nur dann abgetreten bzw. verpfändet werden kann, wenn die Abtretungsanzeige innerhalb des Zeitraums nach Durchführung der Veranlagung und vor Erstattung des restlichen Abzugsbetrags eingeht.
3. Wirksamkeit der Abtretung bzw. Verpfändung
Neben einem rechtsgültigen Abtretungsvertrag setzt die Abtretung von Ansprüchen i. S. d. § 46 Abs. 1 AO eine Anzeige an die zuständige Finanzbehörde voraus. Diese ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung, d.h. die Abtretung wird erst wirksam, wenn sie in der vorgeschriebenen Form angezeigt wird (§ 46 Abs. 2 AO). Weitere Voraussetzung ist deren Zugang bei der zuständigen Finanzbehörde, die Erstattungsberechtigung des Abtretenden und die Verfügbarkeit des abgetretenen Anspruchs. Auch die Abtretungen von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sind auf amtlichem Vordruck anzuzeigen.
Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Abtretung im Überblick:
- Abtretungsvertrag
- Abtretungsanzeige
- Zugang der Abtretungsanzeige
- Erstattungsberechtigung des Abtretenden
- Verfügbarkeit des abgetretenen Anspruchs
Ein wirksamer Abtretungsvertrag kann bei Vorliegen der ausgefüllten und unterschriebenen Abtretungsanzeige unterstellt werden.
3.1. Wirksamkeit der Abtretungsanzeige
Die Abtretungsanzeige ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 130 BGB), die mit dem Zugang beim Finanzamt wirksam wird. Ein Widerruf ist nur mit Zustimmung des Abtretungsempfängers möglich (§ 409 Abs. 2 BGB).
Die Abtretung kann grundsätzlich nur auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck – vgl. Anlage zum AEAO zu § 46 – angezeigt werden (§ 46 Abs. 3 S. 1 AO). Durch diese formalisierte Abtretungsanzeige soll der Abtretende davor geschützt werden, seinen Erstattungsanspruch unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten. Abweichungen vom amtlich vorgeschriebenen Vordruck sind nur zulässig, soweit hierdurch die vorbezeichnete Schutz- und Warnfunktion nicht beeinträchtigt wird. Ablichtungen des amtli...