Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Begriff ‚öffentlicher Auftrag’. System für den Erwerb von Waren, bei dem jeder Wirtschaftsteilnehmer, der die zuvor festgelegten Voraussetzungen erfüllt, als Lieferant zugelassen wird. Lieferung erstattungsfähiger Arzneimittel im Rahmen eines allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit. Vereinbarungen zwischen einer Krankenkasse und allen Lieferanten von Arzneimitteln mit einem bestimmten Wirkstoff, die bereit sind, einen Rabatt auf den Kaufpreis in vorgegebener Höhe zu gewähren. Rechtsvorschriften, wonach grundsätzlich ein erstattungsfähiges Arzneimittel, das ein Wirtschaftsteilnehmer vertreibt, der keine solche Vereinbarung abgeschlossen hat, durch ein gleichartiges Arzneimittel eines Wirtschaftsteilnehmers ersetzt wird, der eine solche Vereinbarung abgeschlossen hat
Normenkette
Richtlinie 2004/18/EG Art. 1 Abs. 2 Buchst. a
Beteiligte
Tenor
1. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass ein Vertragssystem wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mittels dessen eine öffentliche Einrichtung Waren auf dem Markt erwerben will, wobei sie während der gesamten Laufzeit dieses Systems mit jedem Wirtschaftsteilnehmer, der sich verpflichtet, die betreffenden Waren zu im Vorhinein festgelegten Bedingungen zu liefern, einen Vertrag schließt, ohne eine Auswahl unter den interessierten Wirtschaftsteilnehmern vorzunehmen, und ihnen während der gesamten Laufzeit des Systems gestattet, ihm beizutreten, keinen öffentlichen Auftrag im Sinne dieser Richtlinie darstellt.
2. Ein Zulassungsverfahren zu einem Vertragssystem wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende muss, soweit sein Gegenstand ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse aufweist, im Einklang mit den Grundregeln des AEU-Vertrags ausgestaltet und durchgeführt werden, insbesondere mit den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer sowie dem sich daraus ergebenden Transparenzgebot.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. August 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 29. August 2014, in dem Verfahren
Dr. Falk Pharma GmbH
gegen
DAK-Gesundheit,
Beigeladene:
Kohlpharma GmbH,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), A. Rosas, E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Dr. Falk Pharma GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Ulshöfer,
- der DAK-Gesundheit, vertreten durch Rechtsanwalt A. Csaki,
- der Kohlpharma GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Stumpf,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Lippstreu als Bevollmächtigte,
- der hellenischen Regierung, vertreten durch K. Nasopoulou und S. Lekkou als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, N. Otte Widgren, E. Karlsson, L. Swedenborg und F. Sjövall als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Hermes und A. Tokár als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114, berichtigt im ABl. 2004, L 351, S. 44).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Dr. Falk Pharma GmbH (im Folgenden: Falk) und der Krankenkasse DAK-Gesundheit (im Folgenden: DAK), an dem die Kohlpharma GmbH beteiligt ist und der ein von der DAK eingeleitetes Verfahren zum Abschluss von Rabattverträgen mit Unternehmen, die ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Mesalazin vertreiben, betrifft, das zum Abschluss eines solchen Vertrags mit Kohlpharma geführt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 2 und 3 der Richtlinie 2004/18 lauten:
„(2) Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistun...