Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Unternehmensübergänge. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Übertragung durch den Insolvenzverwalter des übertragenden, in einem Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmens. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Begrenzung der Pflichten des Erwerbers. Berechnung der Höhe der zustehenden Leistung aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung anhand der Vergütung des Arbeitnehmers bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Unmittelbare Wirkung. Voraussetzungen
Normenkette
Richtlinie 2001/23/EG Art. 3, 5; Richtlinie 2008/94/EG Art. 8
Beteiligte
Tenor
1. Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist, insbesondere unter Berücksichtigung ihres Art. 3 Abs. 1 und 4 sowie ihres Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, dahin auszulegen, dass sie beim Übergang eines von einem Insolvenzverfahren betroffenen Betriebs, der von dessen Insolvenzverwalter durchgeführt wurde, einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung, wonach der Erwerber nicht für Anwartschaften eines Arbeitnehmers auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung, die auf Beschäftigungszeiten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, haftet, wenn der Versorgungsfall nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt, nicht entgegensteht, sofern hinsichtlich des Teils des Betrags, für den der Erwerber nicht haftet, die zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer getroffenen Maßnahmen ein Schutzniveau bieten, das dem von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers geforderten zumindest gleichwertig ist.
2. Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 in Verbindung mit Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die bei Eintritt des Versorgungsfalls für Rechte auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, während dessen der Betrieb übergegangen ist, und hinsichtlich des Teils der Leistungen, der nicht vom Erwerber zu tragen ist, vorsieht, dass zum einen der nach nationalem Recht bestimmte Träger der Insolvenzsicherung nicht eintreten muss, wenn die Anwartschaften auf Leistungen bei Alter zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht unverfallbar waren, und dass zum anderen der Betrag des Teils der Leistungen, für den der Träger der Insolvenzsicherung haftet, auf der Grundlage der monatlichen Bruttovergütung des betreffenden Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechnet wird, wenn sich daraus ergibt, dass den Arbeitnehmern der durch diese Bestimmung gewährte Mindestschutz verwehrt wird, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
3. Art. 8 der Richtlinie 2008/94 kann, soweit er einen Mindestschutz der erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter vorsieht, unmittelbare Wirkung entfalten, so dass er gegenüber einer privatrechtlich organisierten Einrichtung, die vom betreffenden Mitgliedstaat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist, geltend gemacht werden kann, sofern zum einen diese Einrichtung in Anbetracht der Aufgabe der Sicherung, mit der sie betraut ist, und der Bedingungen, unter denen sie sie erfüllt, dem Staat gleichgestellt werden kann und zum anderen sich diese Aufgabe tatsächlich auf die Arten von Leistungen bei Alter erstreckt, für die der in Art. 8 dieser Richtlinie vorgesehene Mindestschutz verlangt wird, was vom vorlegenden Gericht festzustellen ist.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 16. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Oktober 2018, in den Verfahren
EM
gegen
TMD Friction GmbH (C-674/18)
und
FL
gegen
TMD Friction EsCo GmbH (C-675/18)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász (Berichterstatter), M. Ilešič und C. Lycourgos,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von EM, vertreten durch R. Buschmann als Prozessbevollmächtigten,
- von FL, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Scholten und M. Schulze,
- der TMD Friction GmbH und der TMD Friction EsCo...