Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Arbeitszeitgestaltung. Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Rechtswidrig entlassener und durch eine Gerichtsentscheidung wieder in seine Funktionen eingesetzter Arbeitnehmer. Ausschluss des Anspruchs auf den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub für den Zeitraum zwischen der Entlassung und der Wiederaufnahme der Beschäftigung. Zeitraum zwischen dem Tag der Entlassung und dem Tag der Wiederaufnahme der Beschäftigung
Normenkette
Richtlinie 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1
Beteiligte
Ředitelství silnic a dálnic |
Ředitelství silnic a dálnic ČR |
Tenor
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach ein Arbeitnehmer, der rechtswidrig entlassen wurde und sodann nach nationalem Recht infolge der Nichtigerklärung seiner Entlassung durch eine Gerichtsentscheidung seine Beschäftigung wieder aufgenommen hat, deshalb keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub für den Zeitraum zwischen dem Tag der Entlassung und dem Tag der Wiederaufnahme seiner Beschäftigung hat, weil er während dieses Zeitraums keine tatsächliche Arbeitsleistung für den Arbeitgeber erbracht hat, da ihm dieser keine Arbeit zugewiesen hat und ihm nach dem nationalen Recht während dieses Zeitraums schon ein Lohnausgleich zusteht.
Tatbestand
In der Rechtssache C-57/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší soud (Oberstes Gericht, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 6. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2022, in dem Verfahren
YQ
gegen
Ředitelství silnic a dálnic ČR
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters P. G. Xuereb in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie des Richters A. Kumin und der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der YQ, vertreten durch Z. Odehnal, Advokát,
- – des Ředitelství silnic a dálnic ČR, vertreten durch L. Smejkal, Advokát,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Němečková und D. Recchia als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen YQ und dem Ředitelství silnic a dálnic ČR (Direktion für Straßen und Autobahnen der Tschechischen Republik, im Folgenden: ŘSD) wegen dessen Weigerung, YQ eine finanzielle Vergütung für nicht genommene Tage des bezahlten Jahresurlaubs zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 7 („Jahresurlaub“) der Richtlinie 2003/88 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“
Tschechisches Recht
Rz. 4
§ 69 des Zákon č. 262/2006 Sb., zákoník práce (Gesetz Nr. 262/2006 über das Arbeitsgesetzbuch) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Arbeitsgesetzbuch) lautet:
„(1) Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unwirksam gekündigt oder das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung oder während der Probezeit unwirksam beendet hat und der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich schriftlich mitteilt, dass er auf seiner Weiterbeschäftigung bestehe, besteht dessen Arbeitsverhältnis fort und der Arbeitgeber ist verpflichtet, ihm einen Lohn- oder Gehaltsausgleich zu zahlen. Der Ausgleich in Höhe des Durchschnittsverdiensts ist dem Arbeitnehmer nach Satz 1 von dem Zeitpunkt an zu zahlen, an dem er dem Arbeitgeber mitteilt, dass er auf der Weiterbeschäftigung bestehe, bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitgeber ihm die Fortsetzung der Arbeit gestattet oder das Arbeitsverhältnis wirksam beendet wird.
(2) Das Gericht kann auf Verlangen des Arbeitgebers den Lohn- oder Gehaltsausgleich für den weiteren Zeitraum angemessen herabsetzen, wenn die Gesamtdauer, für die der Arbeitnehmer einen Lohn- oder Gehaltsausgleich zu erhalten hat, sechs Monate übersteigt; das Gericht berücksichtigt in seiner Entscheidung insbesond...