Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessungsgrundlage, Vermittlungsleistung eines Reisebüros, Keine Minderung der Bemessungsgrundlage bei Zahlung eines Teils der Vermittlungsprovision an den Reisenden
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass die Grundsätze, die der Gerichtshof im Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94), zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer aufgestellt hat, nicht anzuwenden sind, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird.
Normenkette
EWGRL 388/77
Beteiligte
Finanzamt Düsseldorf-Mitte |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Mehrwertsteuer ‐ Umsätze der Reisebüros ‐ Gewährung von Rabatten an Reisende ‐ Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für die im Rahmen einer Vermittlungstätigkeit erbrachten Dienstleistungen“
In der Rechtssache C-300/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juni 2012, in dem Verfahren
Finanzamt Düsseldorf-Mitte
gegen
Ibero Tours GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Ibero Tours GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt P. Englert und P. Moser, Barrister,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Christie als Bevollmächtigten im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juli 2013
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Düsseldorf-Mitte (im Folgenden: Finanzamt) und der Ibero Tours GmbH (im Folgenden: Ibero Tours) über die Bestimmung der von ihr geschuldeten Mehrwertsteuer für die Steuerjahre 2002 bis 2005.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie heißt es:
„…
(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b, c und d genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen“.
Rz. 4
In Art. 11 Teil A Abs. 3 der Sechsten Richtlinie heißt es:
„In die Besteuerungsgrundlage sind nicht einzubeziehen:
a) die Preisnachlässe durch Skonto für Vorauszahlungen;
b) die Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird;
…“
Rz. 5
Art. 11 Teil C („Verschiedene Bestimmungen“) der Sechsten Richtlinie bestimmt in Abs. 1 Unterabs. 1:
„Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Besteuerungsgrundlage unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.“
Rz. 6
Art. 26 („Sonderregelung für Reisebüros“) der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten wenden die Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Reisebüros nach den Vorschriften dieses Artikels an, soweit die Reisebüros gegenüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten und für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen. Die Vorschriften dieses Artikels gelten nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe c) anzuwenden ist. Im Sinne d...