Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Diskriminierung wegen des Geschlechts. Auswahlverfahren für den Zugang zur Polizeischule eines Mitgliedstaats. Regelung dieses Mitgliedstaats, die für alle Bewerber für die Zulassung zu diesem Auswahlverfahren eine Mindestkörpergröße vorschreibt
Normenkette
Richtlinie 76/207/EWG
Beteiligte
Ypourgos Ethnikis Paideias kai Thriskevmaton |
Tenor
Die Bestimmungen der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, wonach für die Zulassung von Bewerbern für das Auswahlverfahren für den Zugang zur Polizeischule dieses Mitgliedstaats unabhängig von ihrem Geschlecht eine Mindestkörpergröße von 1,70 m erforderlich ist, wenn diese Regelung eine viel höhere Zahl von Personen weiblichen Geschlechts als männlichen Geschlechts benachteiligt und für die Erreichung des rechtmäßigen Ziels, das sie verfolgt, nicht geeignet und erforderlich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat, Griechenland) mit Entscheidung vom 15. Juli 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2016, in dem Verfahren
Ypourgos Esoterikon,
Ypourgos Ethnikis paideias kai Thriskevmaton
gegen
Maria-Eleni Kalliri
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter C. G. Fernlund, J.-C. Bonichot, S. Rodin und E. Regan,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Kalliri, vertreten durch P. Aggelakis, dikigoros,
- der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis, D. Katopodis und E. Zisi als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Patakia und C. Valero als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. 1976, L 39, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. 2002, L 269, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/207) und der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. 2006, L 204, S. 23).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ypourgos Esoterikon (Innenminister, Griechenland) und dem Ypourgos Ethnikis paideias kai Thriskevmaton (Minister für nationales Erziehungswesen und Religionsangelegenheiten) einerseits und Frau Maria-Eleni Kalliri andererseits über Frau Kalliris Klage auf Aufhebung der Verwaltungsakte, die auf der Grundlage einer nationalen Regelung erlassen wurden, wonach die Zulassung von Bewerbern zum Auswahlverfahren für den Zugang zu den Schulen der griechischen Polizei von einer Mindestgröße abhängig ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 lautet:
„Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 vorgesehenen Bedingungen verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird im Folgenden als ‚Grundsatz der Gleichbehandlung’ bezeichnet.”
Rz. 4
Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf.
(2) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- ‚unmittelbare Diskriminierung’: wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige...