Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung für Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, Besteuerung zum halben Steuersatz, Italien
Leitsatz (amtlich)
Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen ist dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die Arbeitnehmerinnen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, als Anreiz für ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen Vorteil gewährt, der darin besteht, dass die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Beträge zum halben Steuersatz besteuert werden.
Normenkette
EWGRL 207/76
Beteiligte
Agenzia delle Entrate, Ufficio di Arona |
Verfahrensgang
Commissione provinciale di Novara (Entscheidung vom 26.04.2004; ABL.EU 2004, Nr. C 179/6) |
Tatbestand
„Sozialpolitik ‐ Gleiches Entgelt und Gleichbehandlung von Männern und Frauen ‐ Leistung beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ‐ Besteuerung nach Maßgabe des Alters ‐ Steuervorteil“
In der Rechtssache C-207/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Commissione tributaria provinciale di Novara (Italien) mit Entscheidung vom 26. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2004, in dem Verfahren
Paolo Vergani
gegen
Agenzia delle Entrate, Ufficio di Arona
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter K. Schiemann, E. Juhász und E. Levits,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Vergani, vertreten durch S. Monguzzi und P. Fasano, avvocati,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 141 EG und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Vergani (im Folgenden: Kläger) und der Agenzia delle Entrate, Ufficio di Arona (im Folgenden: Beklagte) über die Besteuerung einer Leistung bei freiwilligem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Alters des Arbeitnehmers.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Artikel 141 Absätze 1 und 2 EG bestimmt:
„Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.
Unter ‘Entgelt’ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.
…“
4
Aus Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 ergibt sich als Ziel dieser Richtlinie, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 dieses Artikels vorgesehenen Bedingungen verwirklicht werden soll.
5
Artikel 2 Absatz 1 dieser Richtlinie lautet:
„Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ‐ insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand ‐ erfolgen darf.“
6
In Artikel 5 dieser Richtlinie heißt es:
„(1) Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen beinhaltet, dass Männern und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gewährt werden.
(2) Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen,
a) dass die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden;
…“
7
Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern u...