(1) Von der Arbeitnehmerüberlassung abzugrenzen ist das Tätigwerden von Erfüllungsgehilfen insbesondere im Rahmen von Werk-, Dienst-, Dienstverschaffungs- und Geschäftsbesorgungsverträgen.
(2) Die konkreten Begebenheiten des Fremdpersonaleinsatzes kennt die BA in der Regel nicht. Die Beurteilung, ob Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, fällt grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Ver- und Entleihers. Hinsichtlich konkreter Abgrenzung im Einzelfall sind Fragesteller gegebenenfalls auf die Beratung durch Angehörige der rechtsberatenden Berufe sowie berufsständische Vereinigungen zu verweisen. Unabhängig davon ergeben sich aus dem "Merkblatt zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen von Werk- und selbstständigen Dienstverträgen sowie anderen Formen drittbezogenen Personaleinsatzes" (AÜG 10) allgemeine Abgrenzungskriterien (siehe www.arbeitsagentur.de > Unternehmen > Downloads).
(3) Bei der Unterscheidung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und anderen Formen drittbezogenen Personaleinsatzes darf nicht schematisch vorgegangen werden. Das Vorliegen eines oder mehrerer Kriterien muss noch nicht für oder gegen einen bestimmten Vertragstyp sprechen; dies gilt insbesondere, wenn für ein solches Kriterium eine objektiv berechtigte Notwendigkeit bestand. Im Hinblick auf die Vielfalt der denkbaren Vertragsgestaltungen gibt erst eine (qualitative) Gewichtung der maßgeblichen Abgrenzungskriterien im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung zuverlässigen Aufschluss über die Zuordnung eines drittbezogenen Personaleinsatzes zu einer bestimmten Vertragsform.
(4) Grundsätzlich ist der Geschäftsinhalt der zwischen den Beteiligten vereinbarten Verträge entscheidend. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den schriftlichen Vereinbarungen der Beteiligten als auch aus der praktischen Durchführung der Verträge ergeben. Widersprechen sich schriftliche Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrages, ist die tatsächliche Durchführung für die Ermittlung des Vertragstyps maßgebend (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG; vgl. auch BAG, Urteil vom 15.04.2014 - 3 AZR 395/11).
1.1.6.1 Werkverträge (§§ 631ff. BGB)
(1) Der Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag dient § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, der bestimmt, dass Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen werden, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und dessen Weisungen unterliegen. Der Entleiher setzt die Leiharbeitnehmer nach seinen Vorstellungen und Zielen wie seine eigenen Arbeitnehmer ein. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und dem Entleiher zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt hat. Er haftet nur für Verschulden bei der Auswahl des verliehenen Arbeitnehmers.
(2) Im Gegensatz dazu wird beim Werkvertrag ein Unternehmer für einen anderen Unternehmer tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen. Für die Erfüllung der vertraglichen Dienste und die Herstellung des vertraglich geschuldeten Werks bleibt er seinem Auftraggeber verantwortlich. Die zur Ausführung der vertraglich geschuldeten Leistung eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen als Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers dessen Weisungsbefugnis.
(3) Elemente des Werkvertrages sind insbesondere:
- Vereinbarung und Erstellung eines qualitativ individualisierbaren und dem Werkunternehmer zurechenbaren Werkergebnisses
- unternehmerische Dispositionsfreiheit des Werkunternehmers gegenüber dem Besteller
- Weisungsrecht des Werkunternehmers gegenüber seinen im Betrieb des Bestellers tätigen Arbeitnehmern, wenn das Werk dort zu erstellen ist
- Tragen des Unternehmerrisikos, insbesondere der Gewährleistung durch den Werkunternehmer
- erfolgsorientierte Abrechnung der Werkleistung
(4) Gegen einen Werkvertrag können folgende Vertragsinhalte sprechen:
- wenn gleichzeitig oder über einen bestimmten Zeitraum eine Summe von Klein- und Kleinst-"Projekten" vergeben wird (Aufteilung des Gewerks bis zur "Atomisierung", z. B. Schweißnähte, Verputzarbeit geringen Umfangs im Leistungslohn);
- wenn lediglich die Leistung (nicht erfolgsbezogener) einfacherer Arbeiten benötigt wird (z. B. Schreibarbeiten, Botendienste, einfache Zeichenarbeiten, Maschinenbedienung, Dateneingaben)
(5) Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter FW 1.1.6 insbesondere zur Erforderlichkeit einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände verwiesen.
(6) In der Fleischwirtschaft ist der Einsatz von Fremdfirmenarbeitnehmern und Selbstständigen seit dem 1. Januar 2021 grundsätzlich verboten (§ 6a Abs. 2 Satz 1 und 3 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft - GSA Fleisch). Für den Einsatz von Leiharbeitnehmern galt bis Ende März 2024 eine Ausnahmeregelung (vgl. § 6a Abs. 3 GSA Fleisch).
1.1.6.2 Dienstverträge (§§ 611ff. BGB)
(1) Auch zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Dienstverträgen ist § 1...