Zusammenfassung
Wesentlicher Sinn und Zweck des faktischen Arbeitsverhältnisses ist es, dem Arbeitnehmer den Vergütungsanspruch bei fehlender vertraglicher Anspruchsgrundlage zu sichern, weil eine Anfechtung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vermeintlichen Vertragsschlusses wirkt. Der Arbeitnehmer müsste danach das an ihn gezahlte Gehalt zurückzahlen – eine Rückerstattung seiner erbrachten Arbeitsleistung ist jedoch nicht möglich. Ein faktisches (oder auch "fehlerhaftes") Arbeitsverhältnis liegt immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer ohne wirksame vertragliche Grundlage Arbeitsleistung erbracht hat. Entgegen dem irreführenden Begriff bedarf es in jedem Fall einer – wenn auch bereits anfänglich gestörten oder nachträglich entfallenen – Vertragsgrundlage. Ein faktisches Arbeitsverhältnis entsteht also nicht allein durch erbrachte Arbeitsleistung.
Arbeitsrecht: § 611a BGB bildet auch beim faktischen Arbeitsverhältnis die rechtliche Grundlage. Von Bedeutung sind alle (arbeits-)vertraglichen Nichtigkeitsgründe, z. B. gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) sowie Anfechtungstatbestände, §§ 119, 123, 142 BGB. Entgeltansprüche ergeben sich aus § 612 Abs. 2 BGB.
Arbeitsrecht
1 Grundsätze
Beim faktischen Arbeitsverhältnis fehlt es an der wirksamen Vertragsgrundlage, da diese von Anfang an nichtig ist, z. B. durch
- Rechtsverstoß oder
- rückwirkend durch Anfechtung.
Die im Fall unwirksamer Verträge nach allgemeinem Zivilrecht gemäß § 142 Abs. 1 BGB an sich geltende Rechtsfolge, die Rückabwicklung der ausgetauschten Leistungen (sog. "ex-tunc"-Wirkung), bereitet angesichts der erbrachten und nicht zurück zu gewährenden Arbeitsleistung Probleme. Diese Schwierigkeiten der Rückabwicklung löst die Figur des faktischen Arbeitsverhältnisses, indem es quasi-vertragliche Ansprüche gewährt und das fehlerhafte Arbeitsverhältnis für seine gesamte Dauer wie ein rechtswirksam zustande gekommenes Arbeitsverhältnis behandelt wird. Die Nichtigkeitsfolgen greifen also im Arbeitsrecht ausnahmsweise erst mit Wirkung für die Zukunft ("ex-nunc"-Wirkung). Damit bleibt dem Arbeitnehmer die in der Vergangenheit gezahlte Vergütung erhalten, es kommt zu keiner Rückzahlungspflicht.
Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen wahrheitswidriger Angaben im Bewerbungsgespräch
Im Zuge des Einstellungsverfahrens beantwortet der Bewerber im Personalfragebogen eine zulässigerweise gestellte Frage mit Bezug zum angestrebten Arbeitsverhältnis wahrheitswidrig und wissentlich falsch. Er wird daraufhin auf Grundlage eines schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrags eingestellt. Nach mehreren Monaten stellt sich der wahre Sachverhalt für den Arbeitgeber heraus und er erklärt umgehend die Anfechtung des Arbeitsvertrags.
Umfang des faktischen Arbeitsverhältnisses
Ein faktisches Arbeitsverhältnis wird für den Zeitraum, in dem es trotz der ihm anhaftenden Mängel in Vollzug gesetzt war, wie ein fehlerfrei zustande gekommenes Arbeitsverhältnis behandelt.
Während des faktischen Arbeitsverhältnisses gelten die gleichen Rechte und Pflichten in Art und im Umfang des an sich angestrebten Arbeitsverhältnisses. Es gelten die arbeitsrechtlichen Schutzgesetze, der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit. Aufgrund der fehlerhaften Rechtsgrundlage besteht kein durchsetzbarer Anspruch des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung.
Beendigung des faktischen Arbeitsverhältnisses
Der Arbeitnehmer kann seine Tätigkeit durch einseitige Erklärung jederzeit beenden. Er hat dabei keine Kündigungsfristen oder Formerfordernisse zu beachten. Auch der Arbeitgeber ist an keine kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften gebunden und kann das Beschäftigungsverhältnis jederzeit und fristlos beenden. Insbesondere ist keine Betriebsratsanhörung erforderlich, das Schriftformerfordernis des § 623 BGB gilt ebenfalls nicht.
Ob diese Grundsätze auch im Rahmen eines auf eine Berufsausbildung gerichteten Beschäftigungsverhältnisses gelten, ist allerdings zweifelhaft, da einer solchen Rechtsfolge der Schutzzweck des Berufsbildungsgesetzes entgegenstehen dürfte.
Die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses sind sinngemäß auch anwendbar auf einen unwirksamen Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers – dies kann ausnahmsweise dann anders sein (und der Vertrag für die Zukunft als wirksam betrachtet werden), wenn die Parteien den Vertrag jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet haben und es sich beim Unwirksamkeitsgrund lediglich um einen formalen Mangel gehandelt hat.