LfSt Bayern v. 22.9.2006, S 0323 - 7 St 41 M
1. Zweck des Verspätungszuschlags
Der Verspätungszuschlag ist ein auf die speziellen Erfordernisse des Steuerrechts zugeschnittenes Druckmittel zur fristgerechten Abgabe der Steuererklärungen bzw. der Steueranmeldungen, durch das dem FA die Möglichkeit gegeben wird, in einem ordnungsgemäßen und planvollen Verfahren die rechtzeitige Festsetzung der Steuer vorzunehmen und die Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Es soll auch bewirkt werden, dass der Steuerpflichtige in Zukunft die Steuererklärungen/Steueranmeldungen fristgerecht abgibt.
2. Tatbestandliche Voraussetzungen
Vor der Festsetzung eines Verspätungszuschlag müssen zunächst die tatbestandlichen Voraussetzungen geprüft werden:
- Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung (Tz. 2.1)
- Fristüberschreitung (Tz. 2.2)
- Schuldhaftes Versäumnis (Tz. 2.3)
Erst dann schließen sich folgende Ermessensüberlegungen an:
- Soll überhaupt ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden?
- Wenn ja, in welcher Höhe?
2.1. Erklärungspflicht
Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung ergibt sich aus § 149 Abs. 1 Satz 1 AO in Verbindung mit den Einzelsteuergesetzen. Eine Erklärung hat auch abzugeben, wer hierzu vom FA aufgefordert wird (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO). Wer hiernach verpflichtet ist, kommt als Adressat eines Verspätungszuschlags in Betracht, wenn er die Erklärungspflicht nicht (fristgerecht) erfüllt. Einzelheiten hierzu unter Tz. 5.
2.2. Verspätete Abgabe/Nichtabgabe
2.2.1. Abgabefrist
Die Abgabefrist für Jahreserklärungen ergibt sich aus § 149 Abs. 2 AO. Danach endet sie am 31.5. des Folgejahres. Verwaltungsregelungen ergänzen die Gesetzesvorschrift und führen zu einer großzügigeren Fristenhandhabung für die beratenen Fälle (vgl. hierzu AO-Kartei, Karte 1 zu § 149 AO).
2.2.1.1. Verlängerungsanträge
Häufig wird stillschweigende Fristverlängerung beantragt. Das Schweigen des FA gilt hier nach der Verwaltungsübung als Stattgabe. Das FA muss sich daher klar äußern und dies festhalten, wenn es dem Antrag nicht entsprechen will. Dies gilt auch für Wiederholungs- oder Anschlussanträge.
Beispiel:
Ein Steuerberater beantragt für die Abgabe der ESt-Erklärung für 01 Fristverlängerung bis 31.3.03. Das FA gewährt schriftlich Fristverlängerung nur bis 28.2.03.
Am 25.2.03 geht ein neuer Fristverlängerungsantrag ein, mit dem stillschweigende Fristverlängerung bis 31.3.03 gewünscht wird. Das FA äußert sich nicht. Hier ist von einer stillschweigenden Fristverlängerung bis 31.3.03 auszugehen. Will das FA dieses Ergebnis vermeiden, muss es den zweiten Antrag sofort ablehnen. Es empfiehlt sich in solchen Fällen, bereits bei der ersten Fristgewährung darauf hinzuweisen, dass weiteren Anträgen nicht mehr entsprochen wird.
2.2.1.2. Verspätete Verlängerungsanträge
Werden verspätet gestellte Fristverlängerungsanträge positiv entschieden, so ist von einer rückwirkenden Fristverlängerung (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AO) auszugehen, die einen Verspätungszuschlag ausschließt. Auch hier kann Schweigen des FA als Zustimmung verstanden werden, wenn sich das FA nicht schon vorher eindeutig geäußert hat.
2.2.1.3. Nachfrist
Lehnt das FA eine Fristverlängerung ab, ist es in der Regel zweckmäßig, eine Nachfrist von zwei Wochen zu setzen, bei deren Einhaltung auf die Festsetzung eines Verspätungszuschlag verzichtet wird. Die Nachfrist stellt jedoch keine Verlängerung der Erklärungsfrist dar, wenn für den Steuerpflichtigen eindeutig erkenn- und bestimmbar ist, was gewollt ist.
Wurde aber bereits Anschlussverlängerung beantragt oder von vornherein deutlich gemacht, dass eine Fristverlängerung ausscheidet, oder hält das FA aus anderen Gründen eine sanktionslose Nachfrist für unangebracht, sollte es dies klar äußern.
2.2.2. Verspätung
Wird eine bewilligte Abgabefrist nicht ungebührlich überschritten (nicht mehr als zwei Wochen), soll großzügig verfahren werden. Bei Eingang der Steuererklärungen nach dem 28.2./29.2 des übernächsten Jahres ist nur dann kulant zu verfahren, wenn die Frist nicht mehr als zwei Wochen überschritten wird.
2.2.3. Nichtabgabe
Wird eine lückenhafte Erklärung abgegeben, muss nach den Einzelumständen entschieden werden, ob dies mit der Nichtabgabe der Steuererklärung gleichzusetzen ist. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Angaben in der Steuererklärung ausreichen, um ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren in Gang zu setzen (BFH-Urteil vom 6.11.1969, IV 249/64, BStBl 1970 II S. 168). „Nur die Einreichung einer völlig unzureichenden Steuererklärung könnte der Nichteinreichung der Steuererklärung gleichstehen” (BFH a.a.O.). Eine „vorläufige” Erklärung steht nicht von vornherein einer Nichtabgabe gleich. Enthält sie allerdings nur geschätzte Zahlen oder weist sie in mehreren wesentlichen Punkten Lücken auf, ist von einer Nichtabgabe auszugehen. Die fehlende Unterschrift ist kein so schwerwiegender Mangel, dass eine Nichtabgabe anzunehmen wäre. Dies gilt zumindest dann, wenn die Unterschrift zeitnah nachgeholt wird.
2.3. Kein Verspätungszuschlag bei schuldlosem Ve...