Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. kein Nachweis der Ausbildungswilligkeit eines Kindes mit Hauptschulabschluss bei maximal einer Bewerbung pro Monat
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein volljährige Kind kann nur dann gemäß § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG als Kind berücksichtigt wenn, wenn es sich u.a. ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (sog. Ausbildungswilligkeit). Die Beweislast für die Ausbildungswilligkeit des Kindes liegt beim Kindergeldberechtigten.
2. Für einen jungen Mann, der Anfang 20 ist, nur über einen bereits mehr als vier Jahre zurückliegenden Hauptschulabschluss verfügt und eigenständig, ohne die Agentur für Arbeit, einen Ausbildungsplatz sucht, ist es für die Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG unzureichend, wenn er sich in einem Zeitraum von drei Jahren in vielen Monaten gar nicht und in den meisten übrigen Monaten maximal einmal um einen Ausbildungsplatz beworben hat. Wer sich angesichts einer derart niedrigen Qualifizierung auf allenfalls eine Bewerbung pro Monat beschränkt und trotz des Ausbleibens jeglicher positiver Resonanz auf die Bewerbungen seine Bemühungen nicht steigert, zeigt keine Ausbildungswilligkeit.
3. Zwar genügt es bei einer Registrierung bei der Agentur für Arbeit für die Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass die Registrierung nur alle drei Monate erneuert wird. Diese zeitliche Wirkung besteht bei einer eigenständigen Suche nach einem Ausbildungsplatz nicht.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 68 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist Mutter des am 13. Februar 1985 geborenen Sohnes B. B. machte am 02. Oktober 2002 seinen Hauptschulabschluss. Im Jahr 2005 absolvierte er ein Praktikum bei einem Fachgeschäft für Taucherausrüstungen und im Jahr 2006 ein Praktikum bei einer Kühltechnikfirma.
Mit Bescheid 15. November 2006 setzte die Beklagte Kindergeld für das Kind B. ab März 2006 fest, nachdem die Klägerin drei Bewerbungsschreiben ihres Sohnes und die dazu gehörenden Absagen aus dem Zeitraum Juni bis September 2006 vorgelegt hatte, die ausnahmslos drei Arbeitgeber in der C.-straße in D. betrafen.
Im Dezember 2009 teilte die Bundesagentur für Arbeit der Beklagten mit, dass B. zum 01. September 2009 aus der Arbeitsvermittlung und zum 07. September 2005 aus der Berufsberatung abgemeldet worden sei. Die Beklagte forderte die Klägerin daraufhin auf, Bemühungen des Kindes B. um einen Ausbildungsplatz ab Oktober 2006 nachzuweisen.
Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagiert hatte, drohte die Beklagte der Klägerin an, das Kindergeld für den Zeitraum ab Oktober 2006 zurückzufordern. Die Klägerin verwies in einer Stellungnahme auf die Volljährigkeit ihres Sohnes B. und auf die Eigenständigkeit seiner Bemühungen um einen Arbeitsplatz; daher könne nur er die erbetene Auskunft erteilen. Im Übrigen habe sie das Kindergeld vollständig an ihren Sohn weitergeleitet.
Mit Bescheid vom 18. August 2010 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergelds ab Oktober 2006 auf und forderte das Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2006 bis Oktober 2009 in Höhe von EUR 5.898,– (einschließlich EUR 100,– Kinderbonus) zurück.
Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Ihr Sohn B. habe ihr telefonisch mitgeteilt, dass er am 25. September und am 23. Oktober 2010 Vorstellungsgespräche führen werde. Bei der E. sei er nicht als ausbildungsplatzsuchend registriert, was aber nichts zu bedeuten habe, da er seit Jahren einen Ausbildungsplatz suche. Ihr Sohn habe aber zugesagt, in den noch verschlossenen und eingelagerten Umzugskisten nach seinen bisherigen Bewerbungsunterlagen zu suchen und sie der Beklagten zukommen zu lassen.
Im Einspruchsverfahren forderte die Beklagte den Sohn B. auf, Bewerbungsbemühungen ab Oktober 2006 darzulegen und nachzuweisen. Der Sohn der Klägerin reagierte hierauf nicht.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. November 2010 wies die Beklagte den Einspruch zurück: Es fehlten ausreichende Nachweise über die Ausbildungsplatzsuche.
Die Klägerin hat gegen die Einspruchsentscheidung fristgerecht Klage erhoben und Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Prozesskostenhilfe gestellt, die der Senat mit Beschlüssen vom 21. Januar 2011 sowie 05. Mai 2011 abgelehnt hat.
Die Klägerin begehrt im Klageverfahren die Aufhebung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids vom 18. Oktober 2010 und hat zunächst auch die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt. Sie begründet ihre Klage wie folgt:
Der Bescheid vom 18. August 2010 sei rechtswidrig, weil ihr Sohn seit Oktober 2006 einen Ausbildungsplatz gesucht habe. Sie habe die Bewerbungen gesehen und wisse, dass sich ihr Sohn regelmäßig beworben habe und sich immer noch bewerbe. Zudem habe sie ihren Sohn gebeten, die Bewerbungsschreiben herauszugeben; dies habe aber zu einer gewissen Irritation im Verhältnis zu B. geführt, so dass er sich nun gar nicht mehr melde. Im Klageve...