rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung. Arbeitnehmereigenschaft des Gesellschafter-Geschäftsführers. Lohnsteuer-Nachforderung und Lohnsteuerhaftung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Arbeitnehmereigenschaft im Lohnsteuerrecht und im Sozialversicherungsrecht ist für jedes Rechtsgebiet gesondert zu beurteilen und kann im Einzelfall unterschiedlich sein, wenngleich auch weitgehende Übereinstimmung besteht.
2. Ein zu weniger als der Hälfte an der Gesellschaft (GmbH) beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer ist sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer der GmbH anzusehen, wenn er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem seine persönliche Abhängigkeit begründenden Weisungsrecht der GmbH unterliegt. Eine Abhängigkeit in diesem Sinne ist bei einem zu 40 % beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer nicht anzunehmen, wenn nach dem Anstellungsvertrag ein Recht der Gesellschaft zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist, ihm allein die gesamte Leitung des Betriebs und Bestimmung der innerbetrieblichen Organisation obliegt, er nach dem Willen der Vertragsparteien die Stellung des Arbeitgebers im Sinne der arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Vorschriften innehaben soll, von den Beschränkungen des Selbstkontrahierens befreit ist und auch bei der Festlegung seines Urlaubs keinen wesentlichen Beschränkungen unterliegt.
3. Ist die Gesellschaft hiernach (Leitsatz 2) zur Leistung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für den Geschäftsführer nicht gesetzlich verpflichtet, so handelt es sich bei den gezahlten Beiträgen um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Für die darauf entfallende Lohnsteuer kann die Gesellschaft zur Haftung herangezogen werden.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1; RVO § 539 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 191 Abs. 1 S. 1; EStG 1990 § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 3 S. 1, § 3 Nr. 62; EStG 1987 § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 3 S. 1, § 3 Nr. 62
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines gegenüber der Klägerin ergangenen Lohnsteuerhaftungsbescheids.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1973 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in S., deren Unternehmensgegenstand der Groß- und Einzelhandel mit Alteisen, Metallen, Rohprodukten und Hüttenerzeugnissen ist. An der Klägerin sind seit 1993 der Geschäftsführer B. zu 40 v.H. (dies entspricht einem Anteil am Stammkapital in Höhe von 100.000 DM) und die S-GmbH & Co. KG zu 60 v.H. (dies entspricht einem Anteil am Stammkapital in Höhe von 150.000 DM) als Gesellschafter beteiligt. Herr B. ist seit 1975 alleiniger, einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und als solcher von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Sein Anstellungsvertrag sieht den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung vor und bestimmt, dass er „die Stellung des Arbeitgebers im Sinne des Arbeits- und Sozialrechts” wahrnehme und die innerbetriebliche Organisation bestimme. Außerdem erhält er danach neben einer monatlichen festen Vergütung eine Gewinntantieme in Höhe von 20 v.H. des Jahresergebnisses vor Steuern.
In der Zeit von Oktober 1997 bis Januar 1998 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre 1989 bis 1991 durch. In deren Rahmen kam der Prüfer zum Ergebnis, dass die Klägerin gegenüber dem Geschäftsführer Zukunftssicherungsleistungen in Form von Beiträgen an die Berufsgenossenschaft zur Unfallversicherung erbracht habe, ohne dass hierfür eine gesetzliche Verpflichtung bestanden hätte. Nach Auffassung des Prüfers handelte es sich bei den Leistungen um steuerpflichtigen Lohn, für den die entsprechende Lohnsteuer bei der Klägerin geltend zu machen sei.
Der Beklagte schloss sich dieser Auffassung an und erließ am 29. Januar 1998 einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer in Höhe von 31.510,40 DM gegenüber der Klägerin, den diese mit ihrem Einspruch vom 19. Februar 1998 anfocht. Sie begründete den Einspruch damit, dass die Beiträge zur Unfallversicherung Pflichtbeiträge darstellten, die lohnsteuerfrei seien. Der Beklagte folgte dem nicht, sondern wies den Einspruch mit seiner Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2000 als unbegründet zurück.
Am 7. August 2000 erhob die Klägerin die vorliegende Klage.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Beiträge zur Unfallversicherung, soweit sie den Geschäftsführer beträfen, seien aufgrund gesetzlicher Verpflichtung erbracht worden. Daher seien sie nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei. Die Frage nach der gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erbringung von Beiträgen zur Sozialversicherung sei für jeden Zweig der Sozialversicherung gesondert vorzunehmen. Im Streitfall sei der Geschäftsführer zwar in Bezug auf die gesetzliche Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung nicht als Arbeitnehmer im sozialrechtlichen Sinne anzusehen. Da er jedoch zu weniger als 50 v.H. am Stammkapital der Arbeitgeberin beteiligt sei, sei er in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherungspflichtig. Zudem verfüge er auch nicht über eine Sperrminorität, die es ihm erlaube, ihm nic...