Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive unbeschränkten Steuerpflicht: Wesentlichkeitsgrenze, Berücksichtigung niederländischen Krankengeldes als ausländische Einkünfte – Progressionsvorbehalt für niederländische Kapitaleinkünfte
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenzen für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) ist das an einen Freiberufler gezahlte Krankengeld des niederländischen Sozialversicherungsträgers (UWV) nicht in die Ermittlung des Welteinkommens einzubeziehen, da dieses bei unterstellter deutscher Besteuerung im Inland nicht steuerbar, jedenfalls aber nach § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerfrei wäre.
- In Deutschland nicht steuerbare bzw. steuerfreie Einkünfte sind nicht deshalb beim Welteinkommen zu berücksichtigen, weil sie im Ausland steuerpflichtig sind.
- Ausländische Kapitaleinkünfte eines fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtigen unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG, da sie bei Bestehen einer inländischen Steuerpflicht der Abgeltungssteuer unterlegen hätten.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3 Sätze 2, 4, § 2 Abs. 5b, § 3 Nr. 1 Buchst. a, § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 1 Nr. 5, § 32d Abs. 1, § 43 Abs. 5
Streitjahr(e)
2012
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Anwendung der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht.
Der Kläger ist der Rechtsnachfolger seiner am 8. Februar 2013 verstorbenen Schwester M. Diese war in den Niederlanden wohnhaft und erzielte im Streitjahr 2012 in Deutschland Einkünfte aus selbständiger Arbeit aufgrund ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin i. H. v. 63.472 Euro, statt erklärter 62.911 Euro. In den Niederlanden erzielte sie Zinseinkünfte von 1.126 Euro und erhielt Krankengeld des niederländischen Sozialversicherungsträgers Uitvoeringsinstituut Werknemersverzekeringen (UWV) i. H. v. 16.424 Euro ausgezahlt. Gesetzliche Grundlage dafür ist das Ziektewet (ZW) als niederländisches Krankengeldgesetz. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten in deutscher Übersetzung:
„Artikel 29
2 Das Krankengeld wird an jedem Tag der Arbeitsunfähigkeit ausgezahlt, höchstens jedoch an 5 Tagen pro Kalenderwoche und nicht an Samstagen und Sonntagen. In der ersten Kalenderwoche wird in Abweichung von der Bestimmung im ersten Satz das Krankengeld am Samstag und Sonntag ausgezahlt, höchstens jedoch an 5 Tagen pro Kalenderwoche, wenn der Samstag oder Sonntag nachweislich ein Werktag gewesen wäre, unter der Voraussetzung, dass
1° wenn der Samstag nachweisbar ein Werktag gewesen wäre, die Auszahlung des Krankengeldes am Samstag stattfindet
2° wenn der Samstag und der Sonntag nachweisbar Werktage gewesen wären, die Auszahlung des Krankengeldes am Samstag und Sonntag stattfindet
3° wenn der Sonntag nachweisbar ein Werktag gewesen wäre, die Auszahlung von Krankengeld am Sonntag stattfindet.
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4 Krankengeld wird nicht mehr gezahlt an und ab dem Tag, an dem die versicherte Person das Rentenalter gemäß Artikel 7a, erster Absatz des Allgemeinen Altersversorgungsgesetzes erreicht hat, wenn der erste Tag der Arbeitsunfähigkeit vor diesem Tag eingetreten ist sowie während des Zeitraums, in dem die versicherte Person auf Grund von Artikel 3:7, zweiter Absatz, 3:9 oder 3:10, zweiter und dritter Absatz des Gesetzes über Arbeit und Fürsorge Auszahlungen erhält.
5 Krankengeld wird nicht mehr ausgezahlt, wenn ein Zeitraum von 104 Wochen Arbeitsunfähigkeit verstrichen ist, gerechnet vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit, unter der Voraussetzung, dass der Zeitraum sechs Wochen beträgt, wenn der erste Tag der Arbeitsunfähigkeit auf den Tag fällt oder nach dem Tag liegt, an dem die versicherte Person das Rentenalter gemäß Artikel 7a des Allgemeinen Altersversorgungsgesetzes erreicht hat. Für die Berechnung des im ersten Satz genannten Zeitraums werden die Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit zusammengerechnet, wenn sie mit einer Unterbrechung von weniger als vier Wochen aufeinanderfolgen oder wenn sie direkt vorangehen oder anschließen an einen Zeitraum, in dem eine Auszahlung im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft oder Geburt aufgrund von Artikel 3:7, erster Absatz, 3:8 oder 3:10, erster Absatz des Gesetzes über Arbeit und Fürsorge erfolgte, es sei denn, dass die Arbeitsunfähigkeit realistisch betrachtet nicht aus derselben Ursache herrührt. In den Fällen, in denen der zweite Satz Anwendung findet, werden während des diesbezüglichen Zeitraums von 104 Wochen beziehungsweise sechs Wochen die ersten zwei Tage der Arbeitsunfähigkeit, an denen aufgrund des zweiten Absatzes, Unterabsätze a, b und c kein Krankengeld gezahlt wird, nur einmal berücksichtigt.
13 Für die Berechnung im zweiten Absatz, Unterabsatz d, unter 1. werden die Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit zusammengerechnet, wenn sie mit einer Unterbrechung von weniger als vier Wochen aufeinanderfolgen oder wenn sie vorangehen oder anschließen an einen Zeitraum, in de...