Entscheidungsstichwort (Thema)
In Berufsausbildung befindet sich auch ein Kind, das sich als Nichtschüler auf die Abiturprüfung vorbereitet
Leitsatz (redaktionell)
- Die Vorbereitung auf die Abiturprüfung für Nichtschüler stellt eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG dar.
- Die Eingliederung in eine schulische Mindestorganisation ist entgegen Tz. 63.3.2.1 Abs. 2 Satz 7 DA-FamEStG nicht erforderlich, um eine Ausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG annehmen zu können.
- Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen des nach dem BKGG zu zahlenden sozialrechtlichen Kindergeldes und dem nach dem EStG zur Steuerfreistellung des für das Existenzminimum des Kindes erforderlichen Elterneinkommens als Steuervergütung zu zahlenden Kindergeldes muss das Tatbestandsmerkmal „für einen Beruf ausgebildet” in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG weiter ausgelegt werden als in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG a.F., um der unterhaltsrechtlichen Verpflichtung der Eltern während einer Ausbildung des Kindes Rechnung zu tragen.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; SchVG NW § 26b Abs. 1 S. 2; SchVG NW § 26 Abs. 2; PO-NschA § 1 S. 1, § 2 S. 2, § 4 Abs. 3, § 11 S. 1, §§ 16-17; BaföG § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1; BGB §§ 1601, 1610 Abs. 2
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
I.
Strittig ist, ob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die am 12. April 1981 geborene Tochter Birgit der Klägerin ab Juli 2002 mit der Begründung aufheben durfte, dass die Vorbereitung auf die Abiturprüfung für Nichtschüler mangels Einbindung in eine schulische Mindestorganisation keine Berufsausbildung darstelle.
Birgit besuchte im Schuljahr 2000/2001 die 13. Klasse der ...-Schule (Städt. Gymnasium) in…Die Beklagte, die für dieses Kind fortlaufend Kindergeld zahlte, befristete die Zahlung am 28. Februar 2001 im Hinblick auf das voraussichtliche Ende des Schulbesuchs bis zur Abiturprüfung mit Wirkung zum Ende des Monats Juli 2001 (Kindergeldakte I Bl. 206). Mit Schreiben vom 8. Mai 2001 teilte die Klägerin mit, dass Birgit nicht zur Abiturprüfung zugelassen worden sei. Sie bereite sich deshalb auf die Abiturprüfung für Nichtschüler vor. Dafür habe sie sich bereits bei der Bezirksregierung vorgestellt. Auf Anfrage der Beklagten teilte die ...-Schule mit, dass Birgit sich bis zum 26. Januar 2001 in Schulausbildung befunden und danach vorzeitig die Schule verlassen habe. Die Beklagte befristete daraufhin die Weiterzahlung des Kindergeldes für Birgit am 7. Juni 2001 bis zum Januar 2003 (Kindergeldakte II Bl. 217), zahlte jedoch ab September 2001 - ohne Aufhebung der Festsetzung - Kindergeld nur noch für die Kinder Sabine, Monika und Elena (alle Namen geändert) (Kindergeldakte II Bl. 219, 225).
Die Klägerin beantragte am 2. Dezember 2001 Kindergeld auch für Birgit und teilte mit, dass Birgit seit dem 1. Oktober 2001 am Katholischen Institut in Paris Französisch und französische Kultur studiere. Als Nachweis legte sie eine Bestätigung vom 7. November 2001 und eine Studienbescheinigung vom 25. Januar 2002 vor. In der Studienbescheinigung wurde als Datum des voraussichtlichen Endes des Studiums der 28. Juni 2002 angegeben. Die Beklagte setzte daraufhin wieder Kindergeld für Birgit bis Juni 2002 fest und zahlte das Kindergeld für September 2001 bis Februar 2002 nach (Kindergeldakte II Bl. 243 f.). Mit Schreiben vom 14. Juli 2002 teilte die Klägerin mit, dass Birgit ihre Ausbildung in Paris beendet habe und in jedem Fall eine weitere Ausbildung absolvieren wolle. Sie beanspruche daher weiterhin für dieses Kind Kindergeld. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2002 teilte die Klägerin mit, dass Birgit sich auf die Abiturprüfung für Nichtschüler vorbereite. Sie legte ein Schreiben der Bezirksregierung Düsseldorf vom 30. September 2002 vor, in dem diese Birgit die Anmeldung bestätigte. Die schriftlichen Prüfungen sollten danach voraussichtlich im Februar 2003 und die mündlichen Prüfungen des zweiten Prüfungsteils im Juni 2003 stattfinden.
Die Beklagte hob die Festsetzung des Kindergeldes für Birgit durch Bescheid vom 28. Oktober 2002 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab Juli auf (Kindergeldakte II Bl. 261 f.). Sie begründete dies damit, dass die Abiturprüfung für Nichtschüler keine Ausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG sei.
Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein, mit dem sie darauf hinwies, dass das Bestehen der Abiturprüfung für Nichtschüler ein vollwertiges Abitur vermittele. Der Lehrstoff, den sich ein Nichtschüler für die Abiturprüfung erarbeiten müsse, sei nicht geringer als der, der Gegenstand einer Abiturprüfung an einem Gymnasium sei. Nach dem Abschluss der zehnten Klasse bestehe keine Schulpflicht mehr. Danach sei es jedem Schüler freigestellt, wie er sich auf das Abitur vorbereite. Birgit habe sich im Hinblick auf ein beabsichtigtes Studium in Frankreich dafür entschieden, sich zunächst durch den Aufenthalt in Par...