Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer / Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: Zuordnung einer Nachzahlung von Lohn für vorherige Jahre und Zahlung einer Abfindung als außerordentliche Einkünfte
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Lohnnachzahlung, die ein Arbeitnehmer aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils für frühere Jahre erhält, ist kein laufender Arbeitslohn, sondern stellt "sonstige Bezüge" im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 4 EStG dar, der als Lohn des Jahres der Nachzahlung zu erfassen ist.
2. Die für eine Anwendung des § 34 EStG notwendige Zusammenballung von Einkünften liegt im Falle einer Entschädigungszahlung gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige unter Einschluss der Entschädigungszahlung in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (bei normalem Ablauf der Dinge) erhalten hätte.
Normenkette
EStG §§ 19, 11 Abs. 1 S. 4, § 38a Abs. 1 Sätze 2-3, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerrechtlich zutreffende Zuordnung von Zahlungen des ehemaligen Arbeitgebers an den Kläger.
Dem Kläger war zum 31. Dezember 2011 von seinem ehemaligen Arbeitgeber gekündigt worden. Vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg kam es am ... 2013 zu einem Vergleich, der unter anderem folgende Regelung vorsah:
1. Das Arbeitsverhältnis wird durch fristgerechte Kündigung der Beklagten vom ... 2011 aus dringenden betrieblichen Erfordernissen mit dem 31. Dezember 2013 enden. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen auf der Basis eines monatlichen Bruttoeinkommens von 7.700 € und die sich ergebenden Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen, ....
2. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger für die Jahre 2011/2012 und 2012/2013 im September 2013 eine Tantieme von jeweils 32.340 € brutto und für das Geschäftsjahr 2013/2014 im Dezember 2013 eine Tantieme i.H.v. 16.170 € zu zahlen.
3. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG i.H.v. 50.000 € zu zahlen. Die Auszahlung erfolgt unter Berücksichtigung der steuerlichen Abzüge im Januar 2014.
Die Zahlungen in Höhe von 265.650 € (Lohnnachzahlung für 2012 und 2013 zuzüglich Tantiemen) sowie 50.000 € (Abfindung) erfolgten vereinbarungsgemäß in 2013 bzw. 2014, den Streitjahren.
Mit Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 25. November 2015 setzte der Beklagte im Wege der Schätzung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 264.650 € (laufender nachgezahlter Lohn für 2012 und 2013 zzgl. Tantiemen abzgl. Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 1.000 €) fest. Mit Bescheid vom selben Tage setzte der Beklagte ebenfalls im Wege der Schätzung bei der Einkommensteuer 2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. H. v. 49.000 € (50.000 € Abfindungszahlung abzgl. 1.000 € Arbeitnehmerpauschbetrag) fest.
Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 18. Dezember 2015 Einspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die nachträgliche Berechnung des Gehalts für die Monate Januar 2012 bis Dezember 2013 durch den Arbeitgeber rechnerisch richtig durchgeführt worden sei, jedoch der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug für alle Monate in einer einzigen Lohnsteuerbescheinigung vorgenommen habe, anstatt die Lohnsteuerberechnung den Lohnsteuerjahrestabellen der einzelnen Lohnzahlungszeiträume zuzuordnen. Infolge dieser fehlerhaften Zuordnung der Gehälter in einem Jahr anstatt in zwei Jahren, nämlich den Lohnzahlungszeiträumen 2012 und 2013, sei die Lohnversteuerung durch den Arbeitgeber in nur einem Jahr, im Jahr 2013, berechnet worden. Durch die fehlerhafte Lohnabrechnung, abweichend von den Lohnzahlungszeiträumen, sei ihm, dem Kläger, ein progressionsbezogener Steuerschaden von mehr als 10.000 € entstanden. Eine Änderung der Lohnsteueranmeldung durch den Arbeitgeber zu Gunsten des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers sei nach der Übermittlung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr möglich gewesen. Fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigungen seien im Wege der Einkommensteuerantragsveranlagung zu berichtigen. Zur Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer könne stets eine Erstattung erfolgen, wenn die beim laufenden Lohnsteuerabzug während des Jahres einbehaltene Lohnsteuer zu hoch gewesen sei und der Arbeitgeber den Ausgleich durch eine Änderung des Lohnsteuerabzugs oder ein Lohnsteuerjahresausgleich selbst nicht durchgeführt habe.
Die Abfindung/Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes stelle eine Abfindung im Sinne von § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar, die nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG unter die ermäßigt zu besteuernden Einkünfte falle.
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2018 änderte der Beklagte für die Streitjahre unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages i. H. v. 3.504 € die Einkommensteuerbescheide und wies den Einspruch des Klägers im Übrigen als unbegründet zurück.
Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im...