Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmissbrauch, Gesamtplan

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Vereinbart eine GmbH mit ihrem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einen Widerrufsvorbehalt zu einer Pensionszusage und wird der Widerruf im Folgejahr ausgeübt, kann kein fiktiver Zufluss von Arbeitslohn im Veranlagungszeitraum des Widerrufs angenommen werden.

2) Selbst für den Fall, dass der Widerruf einer Pensionszusage eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO darstellen sollte, hätte dies zur Folge, dass ein fiktiver Zufluss von Arbeitslohn in dem Veranlagungszeitraum anzunehmen wäre, in dem der Widerrufsvorbehalt vereinbart wurde.

3) Neben § 42 AO besteht kein Raum für ein Rechtsinstitut eines steuerschädlichen „Gesamtplans”.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 42; EStG § 8 Abs. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Widerruf einer Pensionszusage vom 14. Dezember 2009 beim Kläger zu einem Zufluss von steuerpflichtigem Arbeitslohn i.H.v. … € führt.

Der am … Januar 1945 geborene Kläger war im Streitjahr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der … A GmbH – im Folgenden GmbH –.

Zu Gunsten des Klägers bestand seit den 1980er-Jahren eine Pensionszusage. Aufgrund negativer wirtschaftlicher Entwicklungen bei der GmbH wurde die Pensionszusage am 19. Dezember 2008 neu gefasst und dabei folgende für den Rechtsstreit relevante Regelung aufgenommen:

Wir behalten uns vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn (Zitat)

„a) unsere wirtschaftliche Lage sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass uns eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann, oder…”

Wegen der Einzelheiten wird auf die geänderte Pensionszusage vom 19. Dezember 2008 verwiesen (Bl. 69 ff. der Prozessakte).

Die wirtschaftliche Entwicklung der GmbH stellte sich in den Jahren 2004 bis 2009 wie folgt dar:

Gewinn/Verlust (-)

Kapital

Pensionsrückstellung

Bilanzielle Überschuldung

2004

2005

2007

2008

2009

(unter Berücksichtigung der Auflösung der Pensionsrückstellung i.H.v. … €)

Zur Abwendung der bilanziellen Überschuldung traf die GmbH folgende Maßnahmen:

  • • Senkung der Personalkosten 2009 in Höhe von ca. 28 % gegenüber 2008,
  • • Zuführung von … € aufgrund eines Forderungsverzichts in die Kapitalrücklage zum 31. Dezember 2009,
  • • Verpfändung eines Wertpapierdepots in Höhe von ca. … € an die B-Bank gemäß Erklärung vom 19. Dezember 2009,
  • • Entschluss zum Verkauf von Wertpapieren mit nachfolgender Gutschrift auf dem betrieblichen Kontokorrentkredit der B-Bank zur Senkung teurer Kontokorrentzinsen,
  • • Laufzeitverlängerung des Kontokorrentkredits bei der B-Bank.

Da die vorgenannten Maßnahmen alleine nicht ausreichten, um die bilanzielle Überschuldung der GmbH abzuwenden und eine drohende insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden, widerrief die GmbH am 14. Dezember 2009 die Pensionszusage mit Wirkung zum 31. Dezember 2009. Wegen der Einzelheiten wird auf die Widerrufsvereinbarung vom 14. Dezember 2009 verwiesen (Bl. 85 der Prozessakte). Die Pensionsrückstellung i.H.v. … € löste die GmbH ertragswirksam auf. Hieraus resultiert der Gewinn des Jahres 2009 i.H.v. … €. Ohne die Auflösung der Pensionsrückstellung hätte sich für den Veranlagungszeitraum 2009 statt des Gewinns i.H.v. … € ein Verlust i.H.v. … € ergeben.

In ihrer am 1. Oktober 2010 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 fehlten die Angaben zu dem von der GmbH erklärten Widerruf der Pensionszusage. Entsprechend der eingereichten Einkommensteuererklärung veranlagte der Beklagte die Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäß zur Einkommensteuer. Der verbleibende Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31.12.2009 wurde für den Kläger auf … € und für die Klägerin auf … € festgestellt. Mit Einkommensteuerbescheid vom 21. Dezember 2010 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung und die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung aus nicht streitbefangenen Gründen.

Im Veranlagungszeitraum 2012 führte der Beklagte bei der GmbH eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Im Zuge dieser Außenprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, der Widerruf der Pensionszusage durch die GmbH sei wegen eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 der AbgabenordnungAO – wie ein Verzicht des Klägers auf die Pensionszusage zu behandeln. Folglich liege in Höhe des werthaltigen Teils der Pensionszusage ein Zufluss von Arbeitslohn beim Kläger vor. Der auf Ebene der GmbH ausgewiesene steuerliche Ertrag sei durch die Berücksichtigung einer Einlage außerbilanziell wieder zu korrigieren.

Gegen den nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2009 sowie den aufgrund des zuletzt...

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