rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Visualisierung von Architekturprojekten als freiberufliche Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Das EStG bestimmt im Einzelnen nicht, wer als Architekt anzusehen ist, so dass zur Auslegung dieses Begriffes auf die Architektengesetze der Länder zurückzugreifen ist.
2. Zu den typischen Tätigkeiten eines Architekten gehören die gestalterische, technische und wirtschaftliche Planung von Bauwerken.
3. Das Visualisieren von Architekturprojekten gehört inzwischen ebenfalls zur typischen Architekturtätigkeit dazu.
4. Visualisierungsleistungen sind als eigenständige gestalterische Planungsleistungen anzusehen, wenn der Architekt regelmäßig im Entwurfsstadium mit in die Projektentwicklung eingebunden ist, insbesondere Detailplanungen hinsichtlich Fassadenmaterial, Fenster, Treppen, Farbgebung und Formfindung vorzunehmen sind, wobei es nicht nur um die Ausführung einer fremden Planung geht und nicht nur von anderen erdachte Entwürfe übernommen und dargestellt werden, sondern auch eigene gestalterische Elemente im Architekturbereich einfließen.
Normenkette
BauKaG NRW § 1 Abs. 1; BauKaG NRW § 2 Abs. 1; BauKaG NRW § 4 Abs. 1 Buchst. a; BauKaG NRW § 4 Abs. 6; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Dienstleistungen der A GbR zu selbständigen oder zu gewerblichen Einkünften geführt haben.
Die A GbR betrieb in den Streitjahren ein Rendering-Büro zur Visualisierung von Architekturprojekten. Gesellschafter der GbR waren die Kläger B und C, beides Diplomingenieure und Architekten. Neben den beiden Gesellschaftern waren bei der GbR in den Streitjahren nach ihren Angaben Architekten und ein Mediengestalter unterstützend tätig. Zum 31.12.2012 wurden die Mitunternehmeranteile beider Gesellschafter gegen Gewährung neuer Anteile in die neu gegründete A GmbH eingebracht.
In den Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte 2010 bis 2012 wurden die Einkünfte, wie in den Vorjahren seit der Gründung 2004, als solche aus selbstständiger Tätigkeit i. S. d. § 18 EStG qualifiziert. Die Art des Unternehmens wurde als „… Visualisation Service” angegeben.
Die Betriebsprüfung qualifizierte die Einkünfte indes als solche aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG. Denn es seien weder die Voraussetzungen eines sogenannten Katalogberufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfüllt, noch handele es sich um eine künstlerische Tätigkeit i.S. dieser Vorschrift (vgl. Tz. 2.2.3. BP-Bericht vom 11.06.2015).
Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfung an und erließ unter dem 14.09.2015 geänderte Feststellungsbescheide 2010 bis 2012.
Die hiergegen von den Gesellschaftern jeweils eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit inhaltlich gleichlautenden Einspruchsentscheidungen unter dem 26.07.2017 als unbegründet zurück. Während des Einspruchsverfahrens waren die Feststellungsbescheide unter dem 09.02.2016 (2011) und unter dem 05.02.2016 (2012) wegen vorliegend nicht relevanter Umstände geändert worden.
Die durch die GbR angebotenen Visualisierungs-Dienstleistungen führten nicht zu Einkünften aus selbstständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 EStG. Aufgrund des begrenzten eigenen Gestaltungsspielraums bei der Visualisierung fremder Architektenentwürfe stehe die Anwendung technischer Fertigkeiten und die Beherrschung der entsprechenden Grafik-Software so deutlich im Vordergrund, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung die konkrete Tätigkeit weder dem Berufsbild eines Architekten oder Ingenieurs entspreche noch die Voraussetzungen einer künstlerischen Tätigkeit erfülle. Selbst wenn die Tätigkeit in einzelnen Projekten dem Berufsbild eines Architekten entspräche oder die schöpferische Gestaltungshöhe einer künstlerischen Betätigung erreicht würde, sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Rahmen einer gewichtenden Betrachtung eine einheitliche Qualifizierung als gewerbliche Einkünfte angezeigt. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die einzelnen übernommenen Aufgaben sich nicht im Vorfeld der einen oder der anderen Kategorie zuordnen ließen, da sich der Mitgestaltungsanteil erst im Laufe des Projekts herausstellen würde.
Bei der Abgrenzung zwischen gewerblichen und freiberuflichen Einkünften anhand der Negativabgrenzung sei zugunsten der beiden Gesellschafter der GbR zwar zu berücksichtigen, dass beide Kläger ein Architekturstudium mit dem Abschluss als Diplomingenieur absolviert hätten und beide Mitglieder der Architektenkammer NRW seien. Beide Gesellschafter seien folglich berechtigt, die geschützten Berufsbezeichnungen „Architekt” und „Diplom-Ingenieur” zu führen. Für die Anwendung von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG komme es allerdings maßgeblich auf die konkrete Tätigkeit an. Diese müsse sich wenigstens auf einen der Hauptbereiche der Ingenieurs- bzw. Architektentätigkeit erstrecken (vgl. BFH, IV R 34/01, BStBl. II 2003, 761).
Eine Qualifizierung als freiberufliche Ingenieurstätigkeit scheide bei den Klägern aus. Denn das Berufsbild des ...