Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesentlichkeitsgrenze bei Kapitaleinkünften, Anwendbarkeit des Teileinkünfteverfahrens auf private Kapitalerträge
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Anwendung der Wesentlichkeitsgrenze des § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG auf nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende private Kapitaleinkünfte sind diese in vollem Umfang einzubeziehen. Ein Einbezug nur zu 60% nach den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens kommt nicht in Betracht, da dieses nur bei betrieblichen Kapitaleinkünften zur Anwendung kommt.
Normenkette
EStG § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 3 Nr. 40, § 20 Abs. 8, § 1 Abs. 3 Sätze 1, 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau zu veranlagen ist. Während zunächst vor allem die Frage im Streit stand, inwieweit Kapitalerträge nach Einführung der Abgeltungsteuer im Rahmen des § 1 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sind, konzentriert sich das Verfahren nach Ergehen eines Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) in einem ähnlich gelagerten Fall auf die Anwendbarkeit des Teileinkünfteverfahrens auf private Kapitalerträge.
Der Kläger ist verheiratet und hat seinen Wohnsitz in Belgien. Er erzielt in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Darüber hinaus erzielt er zusammen mit seiner Ehefrau Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien dem Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates Belgien unterliegen.
Unter dem 11.5.2012 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid 2009. Darin wurde der Kläger als beschränkt Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 50 Abs. 2 Nr. 2 EStG veranlagt. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger die Einkünftegrenze des § 1 Abs. 3 EStG überschreite. Die Einkünfte des Klägers, für die das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat obliegt, berücksichtigte der Beklagte zunächst im Rahmen des Progressionsvorbehalts. Ein Verlust i.H.v. 2.155 € aus der Vermietung einer in 2009 erworbenen Ferienwohnung A-Straße in B, wurde nicht berücksichtigt.
Dagegen wandte sich der Kläger mit fristgerecht erhobenem Einspruch, zu dessen Begründung er vortrug: Die Einkünfte aus Kapitalvermögen seien bei Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 5b EStG nicht einzubeziehen, da es sich um Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG handele. Darüber hinaus seien die Verluste aus Vermietung und Verpachtung der Ferienwohnung zu berücksichtigen, da diese ab 2010 über eine Agentur vermietet worden sei.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 13.6.2013 änderte der Beklagte den Bescheid dahingehend, dass er den Verlust aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 2.155 € berücksichtigte. Die Steuerfestsetzung erfolgte insoweit vorläufig nach § 165 AO, weil die Einkünfteerzielungsabsicht noch nicht endgültig beurteilt werden könne. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er – zusammengefasst – aus: Gemäß § 1 Abs. 3 EStG würden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG beziehen. Dies gelte jedoch nur, wenn der überwiegende Teil ihrer Einkünfte (mindestens 90 %, relative Grenze) der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Teil der Einkünfte nicht mehr als 7.664 € (absolute Grenze) im Kalenderjahr beträgt. Weitere Voraussetzung sei, dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, würden hierbei als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende gelten. Gemäß § 1a EStG käme eine Zusammenveranlagung mit dem nicht getrennt lebenden Ehegatten auf Antrag in Betracht, wenn der Ehegatte in einem EU Mitgliedstaat seinen Wohnsitz hat, der überwiegende Teil ihrer Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegt (mindestens 90 % oder nicht mehr als 15.328 € nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegt) und die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Finanzbehörde nachgewiesen wird.
Zur Ermittlung der relativen Grenze nach § 1 Abs. 3 S. 2, 1. Alt. EStG würden auf der ersten Stufe sämtliche steuerbaren und steuerpflichtigen (Inlands- und Auslands-) Einkünfte (mit und ohne Inlandsbezug) berücksichtigt, also die Welteinkünfte unabhängig von der Art der Steuererhebung und unabhängig davon, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht. Hierbei würden die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind, unberücksichtigt bleiben (§ 1 Abs. 3 S. 3 EStG). Auf der zweiten Stufe würden ...