Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrfacher unterjähriger Wechsel der Steuerklasse
Leitsatz (redaktionell)
Nach einem Wechsel der Steuerklassenkombination von IV/IV auf III/V ist ein erneuter Steuerklassenwechsel zur Kombination V/III innerhalb desselben Jahres zur Erlangung höheren Elterngeldes unzulässig. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG oder des Grundrechts nach Art. 6 Abs. 1 GG wird hierdurch nicht begründet.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 39 Abs. 6 S. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte zu Recht einen weiteren Lohnsteuerklassenwechsel der Klägerin im Jahr 2015 abgelehnt hat.
Die Klägerin ist seit 2011 verheiratet. Am 28.01.2015 beantragten sie und ihr Ehemann beim Beklagten einen Wechsel der Steuerklassenkombination von IV / IV auf III / V, wobei der Arbeitslohn der Klägerin künftig der Steuerklasse V unterliegen sollte. Dem Antrag wurde seitens des Beklagten mit Wirkung zum 01.02.2015 entsprochen. Am 21.04.2015 beantragten die Ehegatten erneut einen Wechsel der Steuerklassen, wobei nunmehr die Steuerklasse III der Klägerin und ihrem Ehemann die Steuerklasse V zugeordnet werden sollte. Als Begründung gaben sie „Gehaltsaufstockung vor Elternzeit” an. Das Kind der Klägerin wurde am 19.10.2015 geboren.
Mit Bescheid über die Berücksichtigung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) vom 21.04.2015 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin und ihres Ehemannes ab. Dem Antrag auf Steuerklassenwechsel könne nicht entsprochen werden, weil im laufenden Kalenderjahr bereits ein Steuerklassenwechsel durchgeführt worden sei.
Am 30.04.2015 legten die Klägerin und ihr Ehemann hiergegen Einspruch ein.
Zur Begründung führten sie aus, grundsätzlich könne ein Steuerklassenwechsel nur einmal im Jahr erfolgen, es sei denn, es liege ein berechtigtes Interesse vor. Nach ihrem, der Klägerin und ihres Ehemannes, Verständnis diene die gesetzliche Beschränkung, die Steuerklasse grundsätzlich nur einmal im Jahr wechseln zu können, der Entlastung der Finanzbehörden. Dies sei zweckdienlich, da durch den Ausgleich im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung weder dem Steuerzahler noch dem Staat ein steuerlicher Nachteil entstehe. Es gebe jedoch Ausnahmetatbestände, die einen weiteren Steuerklassenwechsel rechtfertigten. Diese griffen dann, wenn dem Bürger ein Nachteil drohe, der nicht durch die Einkommensteuererklärung ausgeglichen werden könne. Da ihr, der Klägerin und ihres Ehemannes, Nachteil nicht steuerrechtlicher Natur sei, könne es nicht zweckdienlich sein, dass § 39 Abs. 6 Satz 3 EStG Anwendung finde. Den erstmaligen Steuerklassenwechsel hätten sie aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse beantragt. Jedoch sei sie, die Klägerin, im Verlauf des Jahres unerwartet schwanger geworden und habe beabsichtigt, nach der Entbindung, welche für den 22.10.2015 berechnet worden sei, Elternzeit zu nehmen und Elterngeld zu beantragen, das nach dem Nettoeinkommen berechnet werde. Somit hätten sie, die Klägerin und ihr Ehemann, ein berechtigtes Interesse an dem Steuerklassenwechsel, da sich rechnerisch ein Höhenunterschied beim Elterngeld von ca. 300 € monatlich ergebe, wenn der Steuerklassenwechsel nicht ermöglicht werde. Der Nachteil belaufe sich insgesamt auf rund 3.000 €. So würde ggf. eine Bedürftigkeit ihrer Familie geschaffen, die nur mit Sozialleistungen zu decken sein würde. Es bestehe daher eine Situation, die mit den allgemein anerkannten Ausnahmen, die zu einem weiteren Lohnsteuerklassenwechsel berechtigten, zu vergleichen sei.
Nach Angaben eines Lohnsteuerexperten bei der OFD gegenüber dem Bonner Generalanzeiger könnten lt. Artikel vom 07.11.2013 auch Paare, die ein Kind erwarteten und Elterngeld beantragen wollten, außer der Reihe wechseln. Das Bundessozialgericht habe dieses Vorgehen 2009 abgesegnet (B 10 EG 3/08 R). Sie, die Klägerin, verstehe die Information der OFD so, dass in ihrer Situation ein weiterer Wechsel statthaft sei. In den Gründen des Urteils des Bundessozialgerichts heiße es, „dass die gesetzgebenden Organe selbst die Problematik eines Steuerklassenwechsels, der vor der – absehbaren – Geburt und damit vor der Entstehung des Anspruchs auf Elterngeld erfolgt, bereits im Gesetzgebungsverfahren des BEEG erkannt haben, eine dessen Berücksichtigung begrenzende Regelung indes unterlassen haben. … Dass ein derartiger Steuerklassenwechsel als Rechtsmissbrauch angesehen würde, ist in den zugänglichen Gesetzesmaterialien jedenfalls nicht zum Ausdruck gekommen.” Auch sei keine Beschränkung dahingehend vorgenommen worden, dass ein Wechsel nur zulässig sei, wenn es sich um den steuerrechtlich bedingungslosen ersten Steuerklassenwechsel nach § 39 Abs. 6 Satz 3 EStG handele. Da eine solche Beschränkung vom Gesetzgeber nicht vorgenommen worden sei, könne es nicht in dessen Sinne sein, dass die Finanzbehörden den Wechsel ablehnten, wenn es sich um einen weiteren Steuerklassenwechsel handele, da somit eine zufällige Benachteiligung von Eltern entstehe, die aufg...