rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschafter-Geschäftsführer. Zuflussfiktion
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein beherrschender Geselschafter einen Vergütungsanspruch gegenüber der Gesellschaft, ist ein Zufluss der Vergütung nicht erst im Zeitpunkt der Zahlung oder der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen.
2. Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.
Normenkette
EStG § 11
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Streitjahre 1995 – 1997 Festsetzungsverjährung eingetreten ist und ob die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit der Höhe nach zutreffend angesetzt wurden.
Die Klägerin wird zusammen mit ihrem Ehegatten beim Beklagten, dem Finanzamt Augsburg-Stadt, veranlagt. Sie war in den Streitjahren Gesellschafter-Geschäftsführerin der Firma … GmbH (GmbH) mit Sitz in …. Nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag erhielt sie ein monatliches Bruttogehalt von 6.800 DM. Außerdem stand ihr ein firmeneigener Pkw zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der Ehemann der Klägerin verstarb im September 2001.
Die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin wurden zunächst nach § 162 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geschätzt, weil die Klägerin ihre Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre nicht abgegeben hatte. Später wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Jeweils am 8. Dezember 1999 änderte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) aufgrund der Ergebnisse einer bei der GmbH durchgeführten Lohnsteuer- Außenprüfung.
Dagegen legte die Klägerin fristgemäß Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Während des Einspruchsverfahrens reichte sie die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beim FA ein. Darin erklärte sie Bruttoarbeitslöhne in Höhe von 28.320 DM (1995), 58.600 DM (1996) und 50.820 DM (1997).
Jeweils am 6. Februar 2009 änderte das FA nach Abschluss eines Klageverfahrens in Sachen Lohnsteuerhaftung der GmbH die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zur Erledigung der Einsprüche und setzte Einkommensteuern in Höhe von 7.623,36 EUR (1995), 9.354,60 EUR (1996) und 6.975,04 EUR (1997) fest. Der Besteuerung wurden Bruttoarbeitslöhne der Klägerin in Höhe von jeweils 87.120 DM zu Grunde gelegt. Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden nicht angesetzt. Die Bescheide wurden an die Adresse der Klägerin in der Hegelstraße 51 in Stuttgart mit einfachen Briefen versandt. Am 12. Februar 2008 meldete sich die Klägerin ins Ausland ab. Sie wohnte nach ihren Angaben in der Zeit von Februar 2008 bis Juni 2009 in Frankreich. Zum 16. Juni 2012 erfolgte eine Anmeldung der Klägerin in Kehl.
Eine während des Einspruchsverfahrens durch Bescheid vom 26. Mai 2003 erfolgte Aussetzung der Vollziehung wurde durch Bescheid vom 10. Februar 2009 beendet. Mit Schriftsatz vom 11. April 2012 teilte der Vertreter der Klägerin mit, dass der Klägerin geänderte Einkommensteuerbescheide vom 6. Februar 2009 nicht zugegangen seien. Daraufhin versandte das FA Kopien der Einkommensteuerbescheide der Streitjahre am 10. Mai 2012 an den Vertreter der Klägerin, der am 15. Mai 2012 nochmals Einsprüche gegen diese einlegte und geltend machte, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Klägerin habe im Jahr 2009 nicht mehr in Stuttgart gewohnt.
In der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2013 über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin Klage. Zur Begründung führte sie aus, dass die Höhe der vom FA der Besteuerung zu Grunde gelegten Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit nicht nachvollziehbar sei. Derart hohe Einkünfte habe sie nie erzielt. Zudem habe sie von den angefochtenen Steuerbescheiden erstmals durch Übersendung an ihren Verfahrensbevollmächtigten am 15. Mai 2013 Kenntnis erlangt. Es sei demnach bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1997, jeweils vom 6. Februar 2009 bzw. vom 10. Mai 2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2013 in Höhe von 10.921,52 EUR aufzuheben.
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das FA vertritt die Auffassung, dass keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei, weil im Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide am 10. Mai 2012 das ursprüngliche Einspruchsverfahren noch nicht beendet gewesen sei. Der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin sei der vom FA angesetzte Arbeitslohn bereits mit der Gutschrift auf dem Verrechnungskonto bei ...