Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuflussfiktion für Mietzahlungen einer GmbH an ihren beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei beherrschenden Gesellschaftern einer KapG besteht für Ansprüche des beherrschenden Gesellschafters gegen die KapG abweichend von § 11 EStG die Fiktion eines Zuflusses im Zeitpunkt der Fälligkeit.
2) Der Grundsatz des „Fälligkeitszuflusses” entfällt, wenn die KapG zahlungsunfähig ist.
3) Abweichend von § 17 InsO geht der BFH von einem engeren, mit § 17 InsO nicht identischen Begriff der Zahlungsunfähigkeit aus.
4) Es ist grundsätzlich zweifelhaft, ob das Zahlungsverbot i.S. des § 64 Satz 1 GmbHG dem Fälligkeitszeitszufluss entgegensteht.
Normenkette
InsO § 17; GmbHG § 64; EStG § 11
Tatbestand
Die Kläger wurden in den Jahren 2010 und 2011 (Streitjahre) gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger ist Geschäftsführer und Gesellschafter der X GmbH (im Folgenden nur: GmbH) und zwar mit einer Beteiligungsquote von 99,6 %. Er schloss mit der GmbH u.a. einen Mietvertrag über die Überlassung von Fahrzeugen und maschinellen Einrichtungen (Vertrag vom 23.04.2009). Die monatliche Miete beträgt danach 8.000 EUR zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Der Mietzins ist jeweils zum 1. eines Monats vorschüssig fällig (§ 2 Nr. 3 des Mietvertrages vom 23.04.2009). Ferner existierte ein gesonderter Mietvertrag für einen Mercedes Sprinter (Vertrag vom 02.11.2009) mit einer monatlichen Miete von 420,17 EUR zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Auch dieser Mietzins ist jeweils zum 1. eines Monats vorschüssig fällig (§ 2 Nr. 2 des Mietvertrages vom 02.11.2009).
Ertragsteuerlich lag eine sog. Betriebsaufspaltung vor. Der Kläger wandte in den Streitjahren in seinem „Besitzunternehmen” die Gewinnermittlungsart des § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Für 2010 erfasste er u. a. folgende Mieten mitihrem Zufluss:
Miete 09/2009, fällig am 01.09.2009 |
9.520,00 EUR |
Miete 10/2009, fällig am 01.10.2009 |
9.520,00 EUR |
Miete 11/2009, fällig am 01.11.2009 |
9.520,00 EUR |
Miete 12/2009, fällig am 01.12.2009 |
9.520,00 EUR |
Miete LKW 11/2009, fällig am 01.11.2009 |
500,00 EUR |
Miete LKW 12/2009, fällig am 01.12.2009 |
500,00 EUR |
Die aufgrund des Mietvertrages vom 23.04.2009 geschuldeten Mieten für März 2010 (fällig am 01.03.2010) bis Dezember 2010 (fällig am 01.12.2010) in Höhe von insgesamt 95.200,00 EUR zahlte die GmbH nicht zum Fälligkeitszeitpunkt an den Kläger. Der Kläger erfasste sie in seiner Gewinnermittlung für 2010 nicht als Einnahmen. Entsprechendes gilt für die November- und Dezember-Miete in Höhe von insgesamt 1.000,00 EUR aufgrund des Mietvertrages vom 02.11.2009; beide Mieten wurden nicht bei Fälligkeit bezahlt und vom Kläger nicht als Einnahmen erfasst. Die GmbH passivierte einen Betrag in Höhe von insgesamt 96.200,00 EUR.
Andere Verpflichtungen, d. h. sowohl gegenüber Drittgläubigern als auch gegenüber dem Kläger (hier: Gehaltsansprüche), erfüllte die GmbH hingegen. Insoweit wird auf die vom Kläger eingereichten Summen- und Saldenlisten für einzelne Monate der Jahre 2010 und 2011 Bezug genommen (Blatt 133 ff. der Gerichtsakte).
Am 31.03.2011 vereinbarten der Kläger und die GmbH einen sog. Forderungsverzicht mit Besserungsschein. Erfasst waren die sich aus einer beigefügten Aufstellung ergebenden fälligen Forderungen des Klägers gegen die GmbH in Höhe von 96.200,00 EUR. Hierbei handelte es sich um die rückständigen Mieten für 2010. Als Besserungsfall wurde in § 3 folgendes vereinbart:
„Der Forderungsverzicht gemäß dieser Vereinbarung ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auflösend bedingt:
a) Wenn und soweit sich die finanzielle Situation der Gesellschaft nach dem Stichtag in der Gestalt verbessert, dass vor Einstellung von Beträgen in Rücklagen, Gewinnausschüttungen und Passivierung der wieder auflebenden Forderungen im Jahresabschluss ein Jahresüberschuss in Höhe von mindestens EUR 20.000,00 ausgewiesen wird, lebt die erlassene Gesamtforderung jeweils in dieser Höhe wieder auf. Im Fall der Liquidation der Gesellschaft tritt an die Stelle des Jahresüberschusses ein die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigender Liquidationserlös in Höhe von mindestens EUR 20.000,00.
b) […]
Herr …. (Kläger) kann sich nicht auf das Wiederaufleben der Gesamtforderung gemäß vorstehendem Absatz 1 berufen, wenn und soweit die Gesellschaft nachweisen kann, dass sie trotz des handelsrechtlichen Gewinns bzw. Liquidationserlöses am Bilanzstichtag überschuldet im Sinne von § 19 InsO in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung ist und/oder durch die (teilweise) wieder auflebende Gesamtforderung zahlungsunfähig würde.”
Ab Mai 2011 geriet die GmbH sodann wieder mit ihren Verpflichtungen aus dem Mietvertrag vom 23.04.2009 in Rückstand. Sie bezahlte die Mieten für Mai 2011 (fällig am 01.05.2011) bis Dezember 2011 (fällig am 01.12.2011) in Höhe von insgesamt 46.529,00 EUR jedenfalls nicht im Kalenderjahr 2011. Die GmbH buchte den Betrag entsprechend als Verbindlichkeit ein.
Der Beklagte vertrat im Anschl...