rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuer-Haftungsbescheid

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 19.01.1994 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.11.1994 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Gründe

Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Finanzamt (FA) zu Recht den Einspruch des Klägers (Kl.) gegen den an seinen Arbeitgeber gerichteten Lohnsteuer (LSt-)Haftungsbescheid als unzulässig bzw. unbegründet zurückgewiesen hat.

Der Kl. ist als Arbeitnehmer bei dem Selbsthilfeprojekt „…” Gemeinnützige GmbH (GmbH) beschäftigt. In einem von der GmbH angemieteten Wohnobjekt bewohnte er mit seiner Familie eine 55 qm große Wohnung. Im Rahmen der für den Zeitraum 1/1988 – 12/1993 durchgeführten LSt-Außenprüfung vertrat der Beklagte (Bekl.) die Auffassung, daß der lohnversteuerte Mietwert in den Jahren des Prüfungszeitraums jeweils zu niedrig angesetzt worden sei. Hinsichtlich der Prüfungsfeststellungen wurde mit dem Arbeitgeber Einigung erzielt.

Für die aufgrund der höheren Mietwerte anfallenden Steuerbeträge sowie für den Solidaritätszuschlag wurde die GmbH durch Haftungsbescheid und Zahlungsaufforderung vom 19.1.1994 in Anspruch genommen. Weder der Bescheid noch der Prüfungsbericht enthalten wegen der Haftungsinanspruchnahme Ausführungen zum Auswahl- oder Entschließungsermessen.

Am 4.2.1994 informierte die GmbH den Kl. über die ihn betreffenden Feststellungen der Außenprüfung. Sie wies den Kl. darauf hin, daß er – soweit er mit der Versteuerung nicht einverstanden sei – gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid Einspruch einlegen könne sowie, daß die Rechtsbehelfsfrist einen Monat betrage und schließlich, daß der Bescheid ihr am 20.1.1994 zugegangen sei.

Den mit Schreiben vom 22.6.1994 eingelegten Einspruch des Kl. lehnte der Bekl. mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 10.11.1994 als unzulässig und unbegründet ab.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kl. im wesentlichen geltend, daß der Einspruch fristgerecht eingelegt worden sei, da für den Kl. – mangels an ihn gerichteter Rechtsbehelfsbelehrung – die Rechtsbehelfsfrist ein Jahr betrage. Die Klage sei auch weiter begründet, da eine verbilligte Nutzungsüberlassung an den Kl. nicht gegeben sei.

Der Kl. beantragt (sinngemäß),

den Haftungsbescheid vom 19.1.1994 über LSt, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag sowie die EE vom 10.11.1994 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist zum einen der Auffassung, daß der Einspruch unzulässig sei. Der Arbeitgeber des Kl. habe mit Abschluß der Außenprüfung eine Übernahme der Mehrsteuern erkennen lassen, so daß sich eine gesonderte Bekanntgabe an den Kl. erübrigt habe. Eine gesonderte Bekanntgabe hätte im übrigen auch nur auszugsweise erfolgen dürfen. Dies sei jedoch mit dem Schreiben des Arbeitgebers vom 4.2.1994 hinreichend erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt habe die Einspruchsfrist zu laufen begonnen. Der Einspruch sei daher nicht fristgerecht eingelegt und mithin zu Recht als unzulässig bezeichnet worden. Der Einspruch sei überdies auch unbegründet, da von einer verbilligten Nutzungsüberlassung an den Kl. auszugehen sei. So habe insbesondere auch der Arbeitgeber den Prüfungsfeststellungen nicht widersprochen.

Die Klage ist begründet.

Der Bekl. hat in seiner EE den Rechtsbehelf des Kl. zu Unrecht als unzulässig verworfen bzw. als unbegründet zurückgewiesen. Gem. § 350 AO ist befugt, Einsprüche einzulegen, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassen beschwert zu sein. Eine Beschwer ist regelmäßig schlüssig dargelegt, wenn von einem rechtlich Betroffenen eine Rechtsverletzung gerügt wird. Insoweit ist eine Anfechtung von Steuerverwaltungsakten auch durch Dritte, d. h. durch andere Personen als den Adressaten, grundsätzlich nicht ausgeschlossen, solange diese schlüssig vortragen, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten beeinträchtigt zu sein. Insbesondere hat aufgrund der Besonderheiten des LSt-Abzugsverfahrens der Arbeitnehmer gegen einen an den Arbeitgeber gerichteten LSt-Haftungsbescheid regelmäßig ein eigenes Anfechtungsrecht (BFH Urteil vom 29. Juni 1973 IV R 311/69; BFHE 109, 502; BStBl II 1973, 780). Der Kl. war daher – trotz unterlassener behördlicher Bekanntgabe (vgl. dazu Tipke-Kruse § 122 AO Tz. 9) – grundsätzlich zur Einspruchseinlegung gegen den LSt-Haftungsbescheid befugt.

Der Einspruch wurde auch fristgerecht eingelegt.

Gem. § 355 S. 1 AO sind Einsprüche grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Gem. § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs bei schriftlichen Verwaltungsakten nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulege...

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