Prof. Dr. Daniela Eisele-Wijnbergen
Neben der Messung von Fluktuation erscheint ein Monitoring von Absentismus und Produktivität als mögliche Indikatoren für Abwanderungsneigung proaktiver. Allerdings sind die Einflussfaktoren in beiden Fällen vielfältig, sodass die Betrachtung nur eine ergänzende sein kann. Erfolgversprechender und noch weiter vorne setzt eine offene Feedbackkultur an. In formellen als auch informellen Gesprächen auf individueller Ebene können frühzeitig geänderte Bedingungen und Bedürfnisse zur Sprache kommen, möglichst bevor Unzufriedenheit eintritt (Stichwort: Mitarbeitergespräche). Daneben sollte eine Erfassung von Indizes zu Commitment und Arbeitszufriedenheit erfolgen (Stichwort: Mitarbeiterbefragungen).
5.1 Bindung messen
Mitarbeiterbefragungen umfassen viele der oben genannten Aspekte, zudem sollte die Arbeitszufriedenheit und die Bindung abgefragt werden. Nachfolgend wird auf die Messung von Bindung, auch Commitmentgenannt, eingegangen.
Dass die Bindung von Mitarbeitern im Sinne von Commitment in Form eines Zugehörigkeitsgefühls zur Organisation als Grund für den Verbleib im Unternehmen eine wichtige Rolle im Wettbewerb spielt, ist augenfällig und empirisch gut belegt. Die Zusammenhänge sind noch bedeutsamer als mit der Arbeitszufriedenheit.
Dabei werden am besten folgende Ebenen der Verbundenheit gegenüber der Organisation unterschieden:
- Die emotionale Ebene
- Die moralische Ebene
- Die rationale Ebene
Die emotionale Bindung an eine Organisation ist die stärkste und wird von einem tiefen Gefühl der Identifikation und Loyalität getragen. Beschäftigte mit einer ausgeprägten emotionalen Bindung werden sich am ehesten längerfristig über das erwartete und vertraglich vereinbarte Maß hinaus in die Organisation einbringen. Hat ein großer Teil der Belegschaft eine hohe emotionale Bindung, kann eine Organisation langfristig erfolgreich sein, auch ohne Zuckerbrot und Peitsche.
Verbundenheit kann auch Ausdruck einer empfundenen moralischen Verpflichtung sein. Die Verbundenheit ist damit labiler und beruht auf dem subjektiven Gefühl, dass empfangene und abgegebene Leistung als ausgeglichen empfunden werden. Die Bindungswirkung kann sehr stark sein, besondere Begeisterung muss ein rein normatives Commitment aber nicht mit sich bringen.
Ein rationales Nutzenkalkül basiert darauf, dass Vor- und Nachteile eines Verbleibs im Unternehmen abgewogen werden. Dabei kommt auch dieser Ebene nachweisbare Wirkung auf die Kündigungsneigung zu. Allerdings handelt es sich nicht wirklich um Verbundenheit und Loyalität. Der Verbleib erfolgt, weil die subjektiv empfundenen "Austrittskosten" höher sind als der Nutzen. Alternativen können dieses Verhältnis jederzeit umdrehen, ein Austritt ist daher oft nur eine Frage der Zeit. Übermäßiges Engagement vom Mitarbeitenden kann man nur über konkrete Anreize erwarten.
Gemessen werden kann das Commitment bspw. über folgende Fragen aus dem für nicht kommerzielle Forschungszwecke frei verfügbaren Fragebogen von Felfe et al. Die Befragten geben auf einer Skala von "1 = trifft nicht zu" bis "5 = trifft vollständig zu" an, wie zutreffend die einzelnen Aussagen für sie sind.
Beispielitem |
Verbundenheit zur Organisation |
Ein Teil dieser Organisation zu sein, darauf bin ich sehr stolz. |
Emotionale Verbundenheit |
Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit dieser Organisation verbunden. |
Emotionale Verbundenheit; negativ gepolt (d. h. Zustimmung mit 5 zählt negativ mit 1 u.s.w.) |
Ich würde die Organisation jetzt nicht verlassen, weil ich mich einigen Leuten gegenüber verpflichtet fühle. |
Moralische Verbundenheit |
Mein Gehalt bei dieser Organisation ist weit überdurchschnittlich. |
Rationale Verbundenheit |
Diese Organisation bietet mir keinen sicheren Arbeitsplatz. |
Rationale Verbundenheit; negativ gepolt (d. h. Zustimmung mit 5 zählt negativ mit 1 u.s.w.) |
5.2 Bindung stärken
Auf die Bindung zur Organisation können Management und Führungskräfte aktiv einwirken.
In Zusammenarbeit mit der Personalabteilung sollte die Bindung der Arbeitnehmer zur Organisation und die Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten ermittelt werden, bspw. im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen. Die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung sollten zum Anlass genommen werden, diese zu kommunizieren und zu reflektieren und Veränderungsmöglichkeiten anzugehen.
Damit werden Teamebene und Organisationsebene gut abgedeckt. Die Durchführung von abteilungsinternen Workshops mit Führungskraft, Team und Moderation dient dazu, auf der Teamebene spezifische Verbesserungen abzuleiten. Dazu gehört z. B. die Information durch die Führungskraft oder die Kommunikation und Aufgabenverteilung im Team. Darüber hinaus gilt es Themen auf der Organisationsebene, wie die team- und bereichsübergreifende Zusammenarbeit, Themen der Führung und Kultur, aber auch unternehmensweite Regelungen zum mobilen Arbeiten oder das Angebot von Weiterbildung und Aus...