Rz. 32

Nach Abs. 3 Nr. 2 kann die Behörde unter den Voraussetzungen der lit. a bis lit. c betriebsbezogene Ausnahmen von § 9 ArbZG bewilligen und Anordnungen für die Beschäftigungszeit treffen.

Die Entscheidung, ob eine Ausnahme bewilligt wird, liegt nach dem Wortlaut "kann […] bewilligen" im Ermessen der Behörde, daher besteht kein Anspruch des Arbeitgebers auf Erteilung der Bewilligung, sondern lediglich auf ermessensfehlerfreie Bescheidung.

Voraussetzung ist für alle 3 Varianten, dass der Arbeitgeber einen Antrag auf Erteilung der Bewilligung stellt. Dieser kann formlos gestellt werden.

5.1 Ausnahmen im Handelsgewerbe (Abs. 2 Nr. 2a)

 

Rz. 33

An bis zu 10 Sonn- und Feiertagen im Jahr kann die Aufsichtsbehörde im Handelsgewerbe eine Bewilligung aussprechen, wenn besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen.

 

Rz. 34

Hierbei ist nicht das Kalenderjahr entscheidend, sondern der auf die 1. Bewilligung folgende Jahreszeitraum.[1]

 

Rz. 35

Es muss sich bei den Betrieben um solche handeln, die im Handelsgewerbe tätig sind. Vom Begriff des Handelsgewerbes ist der Umsatz von Waren aller Art und von Geld erfasst.[2] Er ist wie auch schon im Rahmen des § 105b Abs. 2 Satz 1 GewO a. F. weit auszulegen[3] und umfassender zu verstehen als der des HGB.[4] Zum Handelsgewerbe zählen daher u. a. der gesamte Groß- und Einzelhandel, der Geld- und Kredithandel und Buch-, Presse- und Zeitungsverlage.[5] Umstritten ist in der Literatur, ob auch Speditionen unter den Begriff des Handelsgewerbes fallen, was jedoch aufgrund der gesetzlichen Abweichmöglichkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 10 ArbZG in der Praxis nicht von Bedeutung ist.

 

Rz. 36

Außerdem müssen besondere Verhältnisse den erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen.

Ob es sich bei diesen Verhältnissen um solche von außerbetrieblicher Natur handeln muss oder ob auch unternehmensinterne Umstände ausreichen, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet.[6] Gegen eine Einschränkung spricht der Wortlaut. Der Schutzzweck des Arbeitszeitgesetzes – Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer – gebietet aber jedenfalls eine enge Auslegung der Ausnahmevorschriften. Insofern ist zu fordern, dass es sich um außerbetriebliche Umstände handelt. Dem folgt auch die Rechtsprechung.[7]

Die besonderen Verhältnisse müssen von solchem Gewicht sein, dass sie Vorrang vor dem Zweck des Verbots in § 9 ArbZG – Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und seelischer Erhebung – haben.[8]

 
Praxis-Beispiel

Besondere Verhältnisse, die eine Ausnahmebewilligung rechtfertigen[9]:

Bei internationalen Brokerfirmen liegen solche besonderen Verhältnisse vor, wenn wegen der unvorhersehbaren Kursschwankungen an internationalen Börsen der Geschäftsverkehr auch an den inländischen Feiertagen notwendig ist.

[1] Baeck/Deutsch, § 13 ArbZG, Rz. 38.
[3] ErfK/Wank, § 13 ArbZG, Rz. 6.
[4] Baeck/Deutsch, § 13 ArbZG, Rz. 36.
[5] Neumann/Biebl, § 13 ArbZG, Rz. 14.
[6] Zustimmend: Neumann/Biebl, § 13 ArbZG, Rz. 15; Buschmann/Ulber, § 13 ArbZG, Rz. 16a; ablehnend: Baeck/Deutsch, § 13 ArbZG, Rz. 37.
[7] BVerwG, Urteil v. 29.4.1983, 1 C 140/80 (zur Vorgängervorschrift § 105b Abs. 2 Satz 2 GewO).
[8] Neumann/Biebl, § 13 ArbZG, Rz. 15.
[9] BVerwG, Urteil v. 29.4.1983, 1 C 140/80.

5.2 Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens (Abs. 3 Nr. 2b) Bewilligungsverfahren und Rechtsschutz

 

Rz. 37

Zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens kann die Aufsichtsbehörde ebenfalls eine Ausnahmegenehmigung an bis zu 5 Sonn- und Feiertagen bewilligen.

 

Rz. 38

Auch hier ist auf das Jahr, das der 1. Bewilligung folgt, abzustellen.

 

Rz. 39

Nicht erforderlich ist dabei, dass der Schaden in derselben Betriebsstätte einzutreten droht, ausreichend ist insofern auch ein Schaden in einem ausländischen Betrieb.[1]

 

Rz. 40

Die Bewilligung einer Ausnahmegenehmigung nach lit. b steht ebenfalls unter der Voraussetzung, dass besondere Verhältnisse dies erfordern. Im Gegensatz zur Bewilligungsmöglichkeit nach lit. a findet hier keine Einschränkung auf einen bestimmten Beschäftigungsbereich statt.

 

Rz. 41

Unter den besonderen Verhältnissen sind auch hier lediglich solche außerbetrieblicher Natur zu verstehen. Hier ist der Wortlaut anhand der Systematik und Entstehungsgeschichte dahingehend auszulegen, dass gerade keine innerbetrieblichen Ursachen erfasst sind. Notwendig ist, dass sie nur ausnahmsweise und vorübergehend sind und eine erhebliche Abweichung vom üblichen Betriebsverlauf vorliegt. Der Arbeitgeber darf die Ursache zudem nicht selbst schaffen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Umsatzschwäche die Sonn- und Feiertagsarbeit erforderlich macht oder in der Organisation der Arbeit, darauf angelegt ist.[2] Teilweise wird vertreten, dass ein saisonal bedingter Spitzenbedarf an Arbeitnehmern nicht von diesen besonderen Verhältnissen erfasst ist. Auch das BVerwG hat dies in jüngster Entscheidung offengelassen. In Anbetracht dessen, dass das Merkmal der "Vorhersehbarkeit" vom Gesetzgeber nicht in die neue Fassung der Vorschrift aufgenommen wurde, ist aber anzunehmen, dass auch ein saisonal bedingter Spitzenbedarf eine Ausnahmegenehmigung rechtfertigen k...

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