Rz. 9

Gegenstand der Anrufungsauskunft ist, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die LSt (Einbehaltung/Abführung) anwendbar sind, und auf sämtliche Fragen zu Form und Inhalt der Lohnbuchführung, Arbeitnehmer-Eigenschaft bestimmter Personen.[1]

Die Anrufungsauskunft kann die Frage betreffen, wie und in welcher Höhe bei einem unstreitig vorliegenden Arbeitsverhältnis der LSt-Abzug durchzuführen ist. Dies kann etwa die Frage betreffen, ob eine bestimmte Zuwendung lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn ist oder z. B. durchlaufender Posten oder Rabatte.[2] Gegenstand der Anrufungsauskunft können auch Fragen der Führung des einzelnen Lohnkontos, Probleme der Behandlung geldwerter Vorteile, der Steuereinbehaltung und der LSt-Abführung sein. Ebenfalls Gegenstand der Anrufungsauskunft kann die Bewertung von Sachbezügen sein. Von dieser Bewertung hängt ab, in welcher Höhe der Arbeitgeber im Einzelfall LSt einbehalten muss. Allerdings kann sich in diesem Fall die Auskunft des FA nur auf den gegenwärtigen Wert oder die Prinzipien der Bewertung, nicht auf zukünftige Werte, beziehen.

Mit der Anrufungsauskunft nach § 42e EStG steht ein geeignetes Verfahren zur Verfügung, um lohnsteuerliche Fragen im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsmodellen zu klären.[3] Gem. § 100 Abs. 5 EStG kommt eine Anrufungsauskunft auch im Zusammenhang mit Förderbeträgen zur betrieblichen Altersversorgung in Betracht.[4] Anrufungauskünfte werden im Zusammenhang mit Gehaltsoptimierungsmodellen in der Form einer Umwandlung von stpfl. Arbeitslohn in eine steuerfreie oder pauschal versteuerte Zuwendung beantragt/erteilt[5], oder im Zusammenhang mit Nettolohnvereinbarungen.[6]

 

Rz. 10

Nicht dagegen kann sich die Anrufungsauskunft auf Bereiche beziehen, für die kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klärung durch das Betriebsstätten-FA besteht. Das ist der Fall, soweit bestimmte Aufwendungen aufgrund einer Eintragung in den ELStAM zu berücksichtigen sind (Werbungskosten, bestimmte Freibeträge). Sofern beim Arbeitnehmer im Rahmen des LSt-Ermäßigungsverfahrens Freibeträge zu berücksichtigen sind, speichert das FA diese LSt-Abzugsmerkmale in der ELStAM-Datenbank. Der Arbeitnehmer erhält einen Ausdruck der ELStAM mit den jeweils geltenden Merkmalen zur Vorlage beim Arbeitgeber.Der Arbeitgeber darf die Aufwendungen etc. beim LSt-Abzug nur berücksichtigen, wenn sie in den ELStAM eingetragen sind (unabhängig von ihrer Richtigkeit). Die Eintragungen In den ELStAM haben insoweit also Vorrang vor der Anrufungsauskunft. Für den Arbeitgeber besteht so keine Unsicherheit, die durch eine Anrufungsauskunft beseitigt werden müsste. Für den Arbeitnehmer besteht die Möglichkeit, die Eintragungen in den ELStAM vornehmen oder ändern zu lassen; auch für ihn besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anrufungsauskunft.

Entsprechendes gilt für Beträge, die in die LSt-Tabellen eingearbeitet sind (Vorsorgeaufwendungen, Grundfreibetrag). Die Anwendung der richtigen LSt-Tabelle steht aufgrund der Eintragung in die ELStAM fest; insoweit kann sich also für Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Unsicherheit mehr ergeben, die durch eine Anrufungsauskunft beseitigt werden müsste.

Das gilt auch für solche Tatbestände, die im LSt-Verfahren ihrer Natur nach überhaupt nicht berücksichtigt werden können. Für diese hat das Betriebsstätten-FA keine Regelungskompetenz, kann sie also nicht, auch nicht vorläufig, durch eine Anrufungsauskunft regeln.

 

Rz. 11

Die Anrufungsauskunft muss sich auf einen konkreten Fall beziehen, d. h. auf den Fall eines bestimmten Arbeitnehmers bei einem bestimmten Arbeitgeber, oder auf eine Fallgruppe gleichgelagerter Fälle eines bestimmten Arbeitgebers (z. B. Bewertung von gleichartigen Sachbezügen bei einer Mehrzahl von Arbeitnehmern bei demselben Arbeitgeber). Es muss daher festgehalten werden, welche Arbeitnehmer (einen einzelnen Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern) durch die Anrufungsauskunft erfasst werden.

Eine Anrufungsauskunft setzt immer einen konkreten Fall voraus, der verwirklicht worden ist oder werden soll, und dessen lohnsteuerliche Behandlung in Frage steht. Eine Anrufungsauskunft über einen in der Vergangenheit bereits unabänderlich verwirklichten Sachverhalt (d. h. einen Sachverhalt, bei dem der Lohn bereits ausgezahlt worden ist, also eine Einbehaltung nicht mehr in Betracht kommt), ist nicht möglich; zulässig ist aber eine Anrufungsauskunft, wenn noch ein LSt-Einbehalt nach § 41c EStG möglich ist.

Eine Anrufungsauskunft über eine abstrakte Rechtsfrage des LSt-Verfahrens, d. h. unabhängig von einem konkreten Fall, ist nicht zulässig.

[1] Rätke, BBK 2019, 188.
[3] Prusko, DB 2018, 1044.
[5] OFD Nordrhein-Westfalen v. 9.7.2015, Kurzinfo LSt 05/2015.
[6] OFD Nordrhein-Westfalen v. 15.8.2018, S 2367-2017/0004-St 213, Tz. 10 und 11.

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