Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 236
§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG definiert das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik bei nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG Rz. 19a) von beschr. stpfl. Arbeitnehmern. Der regelmäßige Anknüpfungspunkt bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ist, ebenso wie bei der selbstständigen Arbeit, die Ausübung oder Verwertung im Inland. Da es genügt, dass die nichtselbstständige Arbeit im Inland ausgeübt oder verwertet "worden ist" (§ 34d EStG Rz. 81 u. 82), unterfallen auch nachträgliche Einkünfte der beschr. Steuerpflicht.
Die Ansicht der Finanzverwaltung zur Besteuerung des Arbeitslohns bei Bestehen eines DBA ist in einem umfangreichen Schreiben zusammengefasst.
Rz. 237
Die Besteuerung der beschr. stpfl. Arbeitnehmer ist davon abhängig, ob ein inländischer Arbeitgeber vorhanden ist oder nicht. Soweit ein inländischer Arbeitgeber vorhanden ist (§ 38 Abs. 1 S. 1, 2 EStG, § 38 EStG Rz. 25ff.), erfolgt die Besteuerung durch LSt-Abzug. Die beschr. Steuerpflicht ist nach § 50 Abs. 2 S. 1 EStG durch den Steuerabzug abgegolten, die Abgeltungswirkung tritt aber bei Arbeitnehmern eines EU- oder EWR-Staats nicht ein (§ 50 EStG Rz. 122). Ist kein inländischer Arbeitgeber vorhanden, greift auch der LSt-Abzug nicht ein, demnach auch keine Abgeltungswirkung. In diesem Fall hat eine Veranlagung zu erfolgen.
Rz. 237a
Wer Arbeitgeber ist, richtet sich nach dem wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff. Wirtschaftlicher Arbeitgeber ist, wer die Vergütung für die ihm gegenüber geleistete nicht selbstständige Arbeit, ohne rechtlich Arbeitgeber zu sein, wirtschaftlich trägt, in wessen Betrieb der Arbeitnehmer eingegliedert ist, wessen Anweisungen der Arbeitnehmer zu folgen hat und wer die Verantwortung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers trägt. Der Begriff des rechtlichen Arbeitgebers, der Vertragspartner des Arbeitsvertrags ist, diesen kündigen kann und über die Höhe des Gehalts bestimmt, ist ebenso wenig maßgebend wie § 1 Abs. 2 LStDV. Wirtschaftlicher Arbeitgeber ist vielmehr derjenige, in dessen Betrieb der Arbeitnehmer eingegliedert ist und dem das Direktionsrecht zusteht (§ 38 EStG Rz. 43f.;).
Rz. 238
Der beschr. Steuerpflicht unterliegen alle Einkünfte, die durch § 19 EStG erfasst werden. Von einem Dritten gezahlte Vergütungen sind einzubeziehen, wenn sie für die Beschäftigung gewährt werden und daher als Frucht der Dienstleistung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber betrachtet werden können. Für den Begriff des Arbeitslohns gilt § 2 LStDV. Nach § 2 Abs. 2 LStDV gehören daher auch Einnahmen im Hinblick auf ein künftiges Arbeitsverhältnis. Das gilt auch für die beschr. Steuerpflicht. Eine bei Abschluss des Vertrags fällige Einmalzahlung, sog. "signing bonus", gehört daher zu den inländischen Einkünften. Nach den DBA besteht ein deutsches Besteuerungsrecht, wenn die nichtselbstständige Arbeit, für die der "signing bonus" gezahlt wurde, im Inland ausgeübt werden soll. Ebenfalls zum Arbeitslohn gehören Vergütungen für Arbeitnehmer-Erfindungen. Durch die Vergütung wird zwar nicht die geleistete Arbeit des Arbeitnehmers honoriert, sondern das Recht des Arbeitgebers abgegolten, die Erfindung für sich in Anspruch zu nehmen. Jedoch stehen die Vergütungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, da sie nur auf der Grundlage eines bestehenden oder früheren Arbeitsverhältnisses entstehen können.
Rz. 239
Die DBA enthalten regelmäßig weder eine Definition des Begriffs der nichtselbstständigen Arbeit noch die des Arbeitslohns. Auch aus dem systematischen Zusammenhang der Bestimmungen der DBA ergeben sich insoweit keine Definitionen. Nach Art. 3 Abs. 2 OECD-MA richten sich diese Begriffe daher nach deutschem Recht, soweit Deutschland das jeweilige DBA anwendet. Der Begriff des Arbeitnehmers ergibt sich daher auch bei Anwendung eines DBA aus § 1 Abs. 1 LStDV, der Begriff des Dienstverhältnisses aus § 1 Abs. 2 LStDV und der Begriff des Arbeitslohns aus § 2 LStDV. Hinsichtlich der Zuordnung der Besteuerungsrechte enthalten die DBA in Art. 15 OECD-MA eine differenzierende Regelung. Danach hat zwar grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das Besteuerungsrecht, jedoch nur, wenn die Tätigkeit nicht in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Regelmäßig hat daher der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht. Tätigkeitsstaat ist dabei derjenige Staat, in dem sich der Arbeitnehmer zur Ausführung seiner Tätigkeit aus nichtselbstständiger Arbeit persönlich aufhält. Dabei ist das Besteuerungsrecht regelmäßig tageweise zuzuordnen. Ansässigkeit des Arbeitgebers ist insoweit unbeachtlich.
Das gilt auch für Berufskraftfahrer, die grenzüberschreitend Transporte durchführen.
Rz. 240
Allerdings fällt das Besteuerungsrecht an den Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers für nur kurzfristige Tätigkeiten im Tätigkeitsstaat zurück, jedoch nur unter sehr einschränkenden Bedingungen. Der Ansässigkeitsstaat (und nicht der Tätigkeitsstaat) hat danach das Besteuerungsrecht, wenn folgende 3 Bedingungen kumu...