Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 340
§ 50d Abs. 14 S. 2 EStG behandelt den negativen Qualifikationskonflikt bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinns bei einer Veräußerung der Anteile an der fiktiven Kapitalgesellschaft. Der Tatbestand entspricht im Wesentlichen der Regelung des Abs. 14 S. 1; vgl. daher Rz. 331ff. In persönlicher Hinsicht betroffen ist der Gesellschafter, der aus deutscher Sicht Inhaber der Anteile an der fiktiven Kapitalgesellschaft ist. Ist die optierende Gesellschaft in Deutschland ansässig und erkennt auch der ausl. Staat die Gesellschaft als Körperschaft und die Beteiligung des Gesellschafters als Anteile an einer Kapitalgesellschaft an, kann es nicht zu einem Qualifikationskonflikt kommen. Beide Staaten gehen in diesem Fall davon aus, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA das Besteuerungsrecht hat. Zu einem negativen Qualifikationskonflikt kommt es aber, wenn der ausl. Staat der Option die Wirkung versagt und weiterhin von einer Personengesellschaft ausgeht. Dann wird Deutschland die Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zuordnen, während dieser von der Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft ausgeht. Der ausl. Staat wird in diesem Fall Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anwenden und Deutschland das Besteuerungsrecht zuerkennen. Wendet der ausl. Staat insoweit nach dem Betriebsstättenprinzip die Freistellungsmethode an, blieben die Veräußerungsgewinne unbesteuert. Für diesen Fall bestimmt § 50d Abs. 14 S. 2 EStG, dass das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückfällt. In diesem Fall kommt es jedoch nicht zu einem negativen Qualifikationskonflikt, wenn das einschlägige DBA das Besteuerungsrecht für Anteile an Kapitalgesellschaften dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft zuordnet.
Dann hat Deutschland das Besteuerungsrecht sowohl bei der Veräußerung von Kapitalanteilen als auch bei einer Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft.
Rz. 341
Wendet der ausl. Staat die Anrechnungsmethode an, wird der Veräußerungsgewinn im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters in vollem Umfang besteuert, da es mangels deutscher Steuer nicht zu einer Anrechnung kommt. § 50d Abs. 14 S. 2 EStG greift für diesen Fall nicht ein.
Rz. 342
Ist die optierende Gesellschaft in einem ausl. Staat ansässig, kann es regelmäßig nicht zu einem Qualifikationskonflikt kommen. Nach § 1a Abs. 1 S. 6 Nr. 2 KStG kann eine in einem ausl. Staat ansässige Gesellschaft nur dann zur KSt-Pflicht optieren, wenn sie in ihrem Ansässigkeitsstaat eine der deutschen KSt vergleichbaren Steuer unterliegt. Dann wird der Ansässigkeitsstaat die Gesellschaft als Körperschaft und die Beteiligung hieran als Beteiligung an einer Körperschaft behandeln. Es liegt dann in Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat keine unterschiedliche Qualifikation und damit kein Qualifikationskonflikt vor. Sieht Deutschland die Option als wirksam an, weil unterstellt wird, dass der ausl. Staat die Gesellschaft ebenfalls als Körperschaft besteuert, ist dies aber nicht der Fall oder ändert sich die Qualifikation im ausl. Staat später, führt das nach § 1a Abs. 4 S. 4 KStG kraft Gesetzes zur Rückkehr zur transparenten Besteuerung in Deutschland, sodass auch in diesem Fall kein Qualifikationskonflikt vorliegt. Der Fall, dass der ausl. Staat die Gesellschaft zwar als Körperschaft besteuert, bei dem Gesellschafter aber weiterhin eine Beteiligung an einer Personengesellschaft erfasst, dürfte praktisch nicht vorkommen. § 50d Abs. 14 S. 2 EStG sieht hierfür keine Regelung vor, da der Tatbestand nur darauf abstellt, wie der ausl. Staat die optierende Gesellschaft qualifiziert, also nicht auf die Qualifikation der Beteiligung bei dem Gesellschafter abstellt.
Rz. 343
Wie bei dem Tatbestand des Abs. 14 S. 1 greift die Vorschrift nur ein, wenn der Veräußerungsgewinn in dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters wegen der abweichenden Qualifikation der Gesellschaft nicht der Besteuerung unterliegt. Vgl. hierzu Rz. 334. Es muss also eine vollständige Nichtbesteuerung in dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters eintreten, nicht nur eine Niedrigbesteuerung. Diese Nichtbesteuerung muss darauf beruhen, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters die optierende Gesellschaft nicht als Körperschaft ansieht.
Rz. 344
Rechtsfolge ist, dass der Gesellschafter der optierenden Gesellschaft den Veräußerungsgewinn in Deutschland zu versteuern hat, auch wenn das einschlägige DBA das Besteuerungsrecht bei Zugrundelegung der deutschen Auffassung von der Rechtsform der optierenden Gesellschaft als Kapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zuweist. Es handelt sich daher um ein Treaty Override. Zur Beweislast gelten die Ausführungen in Rz. 338 entsprechend.