Prof. Dr. Gerrit Frotscher
2.1.2.1 Rechtsentwicklung bis zur Neufassung durch G. v. 13.12.2006
Rz. 17
Die Vorgängervorschrift des jetzigen § 50d Abs. 3 EStG wurde durch G. v. 21.12.1993 als Abs. 1a in § 50d EStG eingefügt. Die Vorschrift enthielt im Grundsatz bereits die bis heute geltende Regelung. Danach stand die Steuerentlastung der ausl. Gesellschaft als Gesellschafter der auskehrenden inländischen Gesellschaft nicht zu, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Steuerentlastung bei einer unmittelbaren Beteiligung nicht zustände. Weitere Voraussetzung war, dass für die Einschaltung der ausl. Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltete. Die neue Vorschrift war ab Vz 1994 anwendbar. Durch G. v. 20.12.2001 wurde die Vorschrift ohne sachliche Änderungen von Abs. 1a in Abs. 3 "verschoben".
Rz. 18
Die Vorschrift wurde durch die Rspr. des BFH so einengend ausgelegt, dass sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen konnte. Verantwortlich dafür waren insbesondere folgende Aussagen des BFH:
- Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 3 EStG mussten kumulativ vorliegen (arg. "und"). Eine fehlende eigene Wirtschaftstätigkeit schadete daher nicht, wenn beachtliche Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft vorlagen.
- Es sei auf die Konzernpolitik bzw. Verhältnisse anderer Konzerngesellschaften abzustellen ("Merkmalszurechnung").
- Es sei ein sehr weiter Begriff der "eigenen Wirtschaftstätigkeit" zugrunde zu legen.
- Das Fehlen eigenen Personals und eigener Geschäftsräume sei unbeachtlich.
Rz. 19
Daraufhin wurde die Vorschrift durch G. v. 13.12.2006 neu gefasst, wobei der Entscheidung des BFH Rechnung getragen wurde. Die Neuregelung galt ab Vz 2007. Die wesentlichen Änderungen regelten Folgendes:
- Die einzelnen Funktionsmerkmale wurden durch das Wort "oder" anstelle von "und" verbunden. Die Merkmale galten daher alternativ, nicht kumulativ.
- Die Merkmalszurechnung wurde ausgeschlossen.
- Der Begriff der "eigenen Wirtschaftstätigkeit" wurde enger gefasst. Vermögensverwaltung wurde aus diesem Begriff ausgeschlossen. Außerdem musste die ausl. Gesellschaft mehr als 10 % ihrer Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielen.
- Es wurden ein dem Geschäftszweck der Gesellschaft entsprechender angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb und die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorausgesetzt.
2.1.2.2 Änderungen aufgrund der europarechtlichen Problematik
Rz. 20
Gegen diese Fassung der Vorschrift wurden europarechtliche Bedenken geltend gemacht, da sie einen Eingriff in die Mutter-Tochter-Richtlinie bzw. in die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) darstelle. Zusätzlich wurde beanstandet, dass das Merkmal von 10 % der Bruttoerträge als absolute Grenze keinen Gegenbeweis zuließ. Durch G. v. 7.12.2011 wurde die Vorschrift mit Wirkung ab 1.1.2012 umgestaltet, um die europarechtlichen Probleme zu beseitigen. Dabei wurde die Grenze von 10 % ersatzlos gestrichen und dem Stpfl. die Feststellungslast auferlegt. Auch gegen diese Fassung der Vorschrift bestanden europarechtliche Bedenken.
§ 50d Abs. 3 EStG in der damaligen Fassung war daher in weitem Umfang nicht mehr anwendbar und wurde durch die Neufassung aufgrund des G. v. 2.6.2021 ersetzt. Eine Kommentierung des § 50d Abs. 3 EStG in der vorherigen Fassung ist in der Datenbank weiterhin verfügbar.