Rz. 85

Hinsichtlich der objektiven Beweislast muss die Finanzbehörde nachweisen bzw. trägt das Risiko der Unerweisbarkeit, dass die Tatbestandsmerkmale des S. 1 vorliegen. Ist der Finanzbehörde dieser Nachweis gelungen, kann der Stpfl. den Entlastungsbeweis nach § 50d Abs. 3 S. 2 EStG erbringen. Danach entfällt die Entlastungsberechtigung nicht, wenn die ausl. Körperschaft nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils war. Diese Möglichkeit des Entlastungsbeweises ist durch die Rspr. des EuGH erforderlich; vgl. Rz. 23ff. Im Tatbestand des Entlastungsbeweises wird mit dem Merkmal des Hauptzwecks auch das subjektive Element einbezogen, das der Tatbestand des Missbrauchs erfordert. Die Möglichkeit des Entlastungsbeweises dient auch dazu, den objektiv gefassten und z. T. sehr weit gehenden Tatbestand des S. 1 zu reduzieren, indem berücksichtigt wird, dass ein Missbrauch nach der Rspr. des EuGH (Rz. 23ff.) nur bei einer rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Konstruktion vorliegt. Der Entlastungsbeweis ist damit gelungen, wenn es dem Stpfl. gelingt, nachzuweisen, dass die Einschaltung der ausl. Körperschaft keine nur rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktion ist.

 

Rz. 86

Für den Entlastungsbeweis sind alle objektiven und subjektiven Umstände des Falles zu würdigen. Einbezogen werden muss auch ein subjektives Element, d. h. die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden.[1]

 

Rz. 87

Den Entlastungsbeweis muss die eingeschaltete Körperschaft erbringen, also die Körperschaft, die den Entlastungsanspruch geltend macht. Der Entlastungsbeweis bezieht sich auf die Gründe, aus denen diese Körperschaft in die Kette zwischen Zahlenden der Dividende bzw. Vergütung und den an der Körperschaft beteiligten bzw. von ihr begünstigten Personen eingeschaltet worden ist. Das Gesetz formuliert negativ, dass keiner der Hauptzwecke der Einschaltung der Körperschaft die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Da ein solcher negativer Beweis kaum zu erbringen ist, muss in der Praxis nachgewiesen werden, welches die Hauptzwecke der Einschaltung, und zwar alle Hauptzwecke, gewesen sind. Nur dadurch kann nachgewiesen werden, dass ein steuerlicher Vorteil keiner der Hauptzwecke war.

 

Rz. 88

Was der Zweck der Einschaltung der Körperschaft war, kann nicht nach den Verhältnissen dieser Körperschaft beurteilt werden. Da diese Körperschaft sich nicht selbst einschalten kann, sondern die Einschaltung immer durch die Gesellschafter bzw. der begünstigten Personen erfolgt, lassen sich die Gründe für die "Einschaltung" nur aus Sicht der Gesellschafter beurteilen.[2] Es sind kaum Gründe für die Einschaltung der Körperschaft denkbar, die sich nur aus den Verhältnissen dieser Körperschaft, und nicht aus der Sicht der Gesellschafter oder der begünstigten Personen, ergeben.

 

Rz. 89

Die Frage, aus welchen Gründen die Körperschaft eingeschaltet worden ist, ist konkret auf die Einkunftsquelle zu beziehen, aus der die Erträge stammen, deren Entlastung infrage steht. Hat die Körperschaft mehrere Einkunftsquellen, ist also nicht die gesamte Tätigkeit der Körperschaft zu würdigen, sondern nur die Tätigkeit in Bezug auf die fragliche Einkunftsquelle. Es schadet daher nicht, wenn bezüglicher anderer Einkunftsquellen die Erlangung eines steuerlichen Vorteils einer der Hauptzwecke war.[3]

 

Rz. 90

Bei der Ermittlung der Gründe für die Einschaltung sind sämtliche außersteuerlichen Gründe zu berücksichtigen. Dabei ist auch die Sicht des Konzerns heranzuziehen.[4]

Ein Verbot der Merkmalsübertragung, wie im bisherigen Recht, besteht also nicht. Da alle außersteuerlichen Überlegungen zu berücksichtigen sind, ist dies nicht auf unternehmerische Verhältnisse beschränkt. Sind die Gesellschafter bzw. die begünstigten Personen Privatpersonen, ist auch deren Sichtweise einzubeziehen. Mögliche außersteuerliche unternehmerische Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft können sein:

  • Eine unternehmerisch sinnvolle Konzernstruktur, z. B. durch Bildung von Funktions- oder Gebietsholdings (z. B. EU-Holding),
  • Bildung von Sparten,
  • Koordination und Organisation des Geschäftsbereichs,
  • Marktnähe und Nähe zu Lieferanten und Kunden,
  • politische Stabilität,
  • günstige Devisen- und Zollregelungen, günstige Regelungen für immaterielle Wirtschaftsgüter,
  • Zugang zu einem günstigen Finanzmarkt,
  • Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften,
  • günstige handelsrechtliche, gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Bestimmungen, z. B. Vermeidung von Publizitätspflichten und Mitbestimmung.

Als außersteuerliche Gründe aus der Privatsphäre kommen in Betracht:

  • Sicherung des Vermögens für Krisenzeiten,
  • Erleichterung einer künftigen Erbregelung,
  • Aufbau der Alterssicherung eines Gesellschafters,
  • Vorbereitung einer Wohnsitzverlegung des Gesellschafters; die Minimierung der steuerlichen Wirkungen der Wohnsitzverlegung i...

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