Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 211
Als Rechtsfolge bestimmt § 50d Abs. 10 S. 1 EStG, dass die Sondervergütungen für Zwecke der Anwendung des Abkommens ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns nach Art. 7 OECD-MA zu qualifizieren sind. Durch die Qualifizierung als "Teil" des Unternehmensgewinns wird zum Ausdruck gebracht, dass der Unternehmensgewinn eine einheitliche Größe ist, also nicht mehrere Unternehmensgewinne bestehen. Durch den Ausdruck "ausschließlich" wird bestimmt, dass eine andere Qualifizierung, etwa als Zinsen oder Lizenzgebühren nach Art. 11, 12 OECD-MA, nicht in Betracht kommt. Die Vorschrift verdrängt damit Art. 7 Abs. 4 OECD-MA, wonach die Qualifizierung der Sondervergütungen als Zinsen, Lizenzgebühren usw. vorrangig vor der Qualifizierung als Unternehmensgewinne ist. Damit werden die Sondervergütungen nicht unter Art. 11 oder 12 OECD-MA subsumiert, sondern ausschließlich unter Art. 7 OECD-MA. Damit wird die abkommensrechtliche Qualifikation dieser Vergütungen als Zinsen, Lizenzgebühren usw. verdrängt und eine eigene nationalrechtliche Qualifizierung an ihre Stelle gesetzt. Die Regelung stellt also einen Treaty Override dar, ohne das ausdrücklich zu bestimmen (Rz. 197ff.). Jedoch geht der Wille des Gesetzgebers, dass diese Vorschrift den entsprechenden Regelungen des DBA vorgehen soll, ausreichend klar aus der Regelung hervor.
Rz. 212
Die Vorschrift ist nach § 7 S. 6 GewStG auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags in entsprechender Anwendung zu berücksichtigen. Die Auswirkungen dieser Verweisung auf die GewSt sind aber unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um einen ausl. Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft oder einen inländischen Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft handelt. Bei einer inländischen Personengesellschaft mit ausl. Gesellschaftern führt die Verweisung dazu, dass die Sondervergütungen, die an die ausl. Gesellschafter gezahlt werden, Teil des im Inland zu besteuernden Gewerbeertrags sind, soweit sie einer inländischen Betriebsstätte (i. d. R. der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte) zuzuordnen sind. Dagegen sind Sondervergütungen, die eine ausl. Personengesellschaft an die inländischen Gesellschafter zahlt, der ausl. Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen und unterliegen damit mangels einer inländischen Betriebsstätte nicht der GewSt. Eine dem § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG entsprechende Vorschrift gibt es im GewStG nicht; diese Vorschrift ist im GewSt-Recht auch nicht entsprechend anwendbar.
Rz. 213
Fraglich kann die Rechtsfolge sein, wenn das einschlägige DBA nicht den Begriff "Unternehmensgewinn" verwendet, sondern Begriffe wie "Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen" und "gewerblicher Gewinn eines Unternehmens". M. E. ist jedoch der Begriff "Unternehmensgewinn" auslegungsfähig, sodass auch gleichbedeutende Begriffe, die in einzelnen DBA verwendet werden, hierunter fallen. Jedenfalls ist nicht zu sehen, wieso der Begriff "Unternehmensgewinne" eine andere Bedeutung haben soll als die Begriffe "Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen" und "gewerblicher Gewinn eines Unternehmens". Dann ist aber die Einbeziehung der abweichenden Begriffe in die Regelung und die Anwendung gleicher Rechtsfolgen gerechtfertigt. Für diese Ansicht ist ausschlaggebend, dass § 50d Abs. 10 EStG als allgemeines, für alle DBA geltendes Gesetz nicht jede sprachliche Abweichung in einzelnen DBA, mit der keine sachliche Abweichung verbunden ist, berücksichtigen kann. Die Vorschrift ist also auf alle DBA-Regelungen anwendbar, die Art. 7 OECD-MA entsprechen.
Rz. 214
Rechtsfolge des § 50d Abs. 10 S. 1 EStG ist somit, dass Deutschland Sondervergütungen, die grenzüberschreitend gezahlt werden, bei Anwendung eines DBA den Unternehmensgewinnen zuordnet. Dies genügt zur Sicherstellung des deutschen Besteuerungsrechts aber noch nicht. Hinzukommen muss die Zuordnung zu einer inländischen Betriebsstätte (S. Rz. 224).