1.1 Konstellationen von Führung auf Distanz

Die Varianz der Führungskontexte ist groß:

  • Einige Führungskräfte steuern seit Jahren Projektteams, deren Mitglieder global verteilt tätig sind, verschiedenen Nationalkulturen angehören, deren Arbeitssituation sehr unterschiedlich ist und die sich manchmal kaum persönlich erlebt haben, sondern höchstens per Videocall.
  • Andere Führungskräfte führen Mitarbeitende an Standorten in Europa bzw. deutschlandweit, so dass mit mittlerem Aufwand generell Reisen möglich sind, die Kommunikation aber aus Effizienzgründen ebenfalls meist digital erfolgt.
  • Gerade in der jüngsten Vergangenheit wächst nun die Zahl der Führungskräfte, die Mitarbeitende in ganz unterschiedlichen flexiblen Arbeitskontexten führen: einige der Mitarbeitenden sind ganz regulär tageweise im Homeoffice tätig, oder: einige sind im einen Teil der Stadt in einer Produktionsstätte im Einsatz, andere im Bürogebäude im Nachbarort, einige im Homeoffice und eine Gruppe zeitweise im Außendienst.

1.2 Holger zum Beispiel

Betrachten wir als Beispiel für eine typische Führungskraft Holger und seine Führungskonstellation:

Holger ist in der Zentrale in Hamburg tätig, dort ist auch seine Mitarbeiterin Ann beschäftigt, sie arbeitet aber an 2 Tagen im Homeoffice. Zum Team gehört auch Mia im Büro Rostock, Kay in der Niederlassung Oslo mit 3 Tagen Homeoffice und Karl im Büro in Hannover.

Generell sieht Holger echte Vorteile der virtuellen Zusammenarbeit:

  • Die Anprechpartner*innen sind in Kundennähe, und Holger freut sich, diese vier guten Mitarbeitenden im Team zu haben, echte Experten/innen an den jeweiligen Standorten.
  • Durch die digitalen Medien ist der Austausch von Inhalten auch über Distanz gut machbar, auch bei Zeitdruck oder anderen Behinderungen für Reisen.
  • Dadurch sind die Reisekosten im Budget viel geringer, und die Umwelt ist weniger belastet.
  • Holger genießt selbst das ungestörte Arbeiten im Homeoffice und unterstützt das auch bei Ann und Kay.
  • Wird mal unerwartet ein Dokument unterwegs gebraucht, geht der digitale Versand schnell.
  • Außerdem ist Holger klar: ein flexibler Arbeitszuschnitt ist zeitgemäß.

Einige Schwierigkeiten und Herausforderungen sind ihm aber auch klar:

  • Die Zusammenarbeit ist nicht so intensiv als wären alle zusammen in Hamburg im gemeinsamen Büro anwesend.
  • Die Teammitglieder sind weniger mit den gemeinsamen Teamzielen identifiziert.
  • Er kann tatsächlich aus der Distanz gar nicht sehen, was genau die einzelnen tun.
  • So ist der Aufbau von Vertrauen erschwert, merkt er, auch untereinander im Team.
  • Sich persönlich zu treffen ist aufwändig, und tatsächlich ahnt er, dass einzelne sich isoliert fühlen, besonders wenn mal wieder die technische Übertragung nicht funktioniert.
  • Und nicht zuletzt hat Holger bemerkt, dass er selten lobt und dass überhaupt wenig Feedback ausgetauscht wird – wodurch schnell Missverständnisse und vielleicht sogar Konflikte entstehen können.

1.3 Die Sachlage klären

Die vorrangige Aufgabe jeder Führungskraft ist zu reflektieren:

  1. Wer gehört zu meinem bzw. diesem Team, dass ich führe? Und: gibt es relevante Unterschiede in der Lebens- und Arbeitssituation (Arbeitszeitmodell, Erfahrung im Thema, Grad der persönlichen Bekanntheit untereinander, usw.)?
  2. Brauche ich wirklich echte "Teamarbeit", oder genügt es, wenn einzelne in der Gruppe verbunden über mich kommunizieren, ohne sich intensiv fachlich und persönlich direkt miteinander auszutauschen (was Teamentwicklung mit konkreten Maßnahmen nach sich zieht, wenn ein Team gebraucht wird)?
  3. Wie ist die konkrete Situation in meinem Führungsbereich, was ist gut so, und wo gibt es Verbesserungsbedarf?

1.4 Holgers Perspektive

Für unsere Beispiel-Führungskraft Holger zeigt sich:

  1. 4 Teammitglieder sind an vier Standorten tätig, eines davon im Europäischen Ausland, zwei sind außer ihm selbst tageweise im Homeoffice tätig, alle vier sind fachlich kompetent, kennen sich aber eher oberflächlich.
  2. Um die Geschäftsziele zu erreichen, ist echte Teamarbeit nötig, mit Austausch kreativer Lösungsansätze und Hilfe untereinander.
  3. Aktuell sieht er die Lage so: Eigentlich hatte er sich auf die Teamführung mit Ann, Mia, Karl und Kay gefreut, findet alle vier kompetent und sympathisch, aber es besteht Verbesserungsbedarf:
  • Die Prozesse dauern zu lange, die Zusammenarbeit ist mäßig.
  • Von Mia mit ihrer vielen Erfahrung hatte er mehr Leistung erwartet.
  • Auch Kay wirkt manchmal wenig engagiert oder gar innovativ.
  • Er schätzt wie aktiv Ann ist, aber bedauert, wie selten sie sich persönlich im Büro sehen (beide sind tageweise im Homeoffice tätig).
  • Karls gute Vorschläge kommen oft sehr verspätet an.
  • Holger selbst ist oft genervt von den vielen Mails und den Telefonkonferenzen.
  • Sein Vorgesetzter hat schon die fehlende Effizienz angesprochen, und Holger überlegt, ob er strenger sein und mehr Druck machen sollte.

1.5 Die Sicht der Teammitglieder

Holger ahnt nicht, wie unzufrieden auch seine Teammitglieder sind.

Mia

Mia ist frustriert: Sie engagiert sich und bringt möglichst viel ihrer Kompetenz ein, versteht trotz der vielen Mails manchmal aber den Sinn einer Aufgabe nicht, weil der Zusammenhang gar nicht klar wird, so dass sie ahnt, das...

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