Je mehr unsere Organisationen sich in Richtung Agilität entwickeln und je flexibler die Arbeitskontexte der Mitarbeitenden gestaltet sind, desto mehr ändert sich die Rolle der Führungskraft. Und damit rückt neben dem Führungsverhalten zunächst die Haltung und Werteorientierung der Führungskraft in den Fokus: Glaubt sie selbst an das Potenzial neuer Wege, wertschätzender Miteinander, Selbstverantwortung, Vergemeinschaftung, Gestaltungsfreude, Lernfähigkeit und Lösungsfindung auf Augenhöhe?
Gebraucht wird nicht der Machtmensch oder Einzelkämpfer. Besonders bei virtueller Kooperation kann die Führungskraft gar nicht alle Details kennen, nicht alle Abläufe vor Ort kontrollieren oder auf Basis allein ihrer subjektiven Sicht entscheiden. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie nach bewährtem Schema "F" und unberührt von Einflüssen und Anforderungen des Umfelds den eigenen Verantwortungsbereich regieren konnte oder vor allem den eigenen Macherhalt betreiben.
Führungskräfte sind in einer flexiblen Welt immens wichtig. Nur: die Rolle der Führungskraft hat sich verändert vom "Bestimmenden" im eigenen "Silo" innerhalb der Organisation zum "Enabler" mit der wichtigen Funktion, dem verteilten Team die Zusammenarbeit zu ermöglichen und zu erleichtern.
2.1 Schlüsselfaktoren erfolgreicher Führung
Diese Faktoren machen den Unterschied:
- Hoher Vertrauensvorschuss und niedriges Kontrollbedürfnis: Die Führungskraft gibt den Teammitgliedern so viel Information und Befugnis, dass diese in hohem Maße eigenständig Leistungen erbringen können, ohne ständig durch die Führungskraft kontrolliert werden zu müssen.
- Hohe Mitarbeiterbeteiligung / partizipative Führung: Die Mitarbeitenden bringen sich aktiv in die Prozesse und die Entscheidungsfindung ein, so dass die Steuerung durch die Führungskraft wie die Fachexperten erfolgt, bis hin zur Selbstorganisation innerhalb der Gruppe.
- Hohe soziale Kompetenz: Neben Sach- und Strukturthemen hat die Führungskraft ein großes Augenmerk auf Arbeitsbeziehungen und Befindlichkeit der Teammitglieder – und findet geeignete Worte, um Wahrnehmungen anzusprechen, durch Fragen relevante Zusammenhänge zu erfahren und durch coachende Gesprächsführung die Lösungsfindung bei den Mitarbeitenden anzuregen.
- Gute technische Kompetenz: Die Führungskraft hat eine Vorstellung davon, welche Art digitaler Tools und welches methodische Vorgehen die Kommunikation und Kooperation im Team unterstützen, organisiert geeigneten Support für das Team und geht bei der Nutzung als gutes Beispiel mit Interesse und Experimentierfreude voran.
- Klarheit in Vision und Zielstellungen: Die Führungskraft hat nicht nur ein klares Bild vom angestrebten Ablauf konstruktiver Zusammenarbeit und von der Leistungserbringung, sie spricht dies auch immer wieder im Alltag an und stärkt so das Gefühl der Sinnhaftigkeit der virtuellen Arbeit bei allen Beteiligten.
- Reiche Erfahrungen in Diversity-Management: Durch bewusstes Erleben und Wertschätzen unterschiedlicher Perspektiven, Vorgehensweisen und Lösungsansätze geht die Führungskraft achtsam mit Unterschieden um und ist offen für Neues und ungewohnte Lösungen.
2.2 Holgers Selbstreflektion
Als Holger sein eigenes Vorgehen reflektiert, wird ihm schnell klar: viele Zusammenhänge kann er auf Distanz gar nicht sehen. Er kann statt dessen Eindrücke ansprechen, fragen und zuhören und die Teammitglieder unterstützen, aktiv Wichtiges zu adressieren.
Virtuell Führen erfordert im Vergleich zu üblicher Führungstätigkeit ein viel höheres Maß an bewusstem Führungshandeln, was bedeutet, sich viel aktiver um Arbeitsbeziehungen und die Klärung der Prozesse und Arbeitsmethodik zu kümmern, damit gute Ergebnisse entstehen.
Die Teammitglieder brauchen nicht nur Kontextinformationen sondern auch ein Bild von seinem Vorhaben, seiner Vision für die Ergebnisse, aber auch für die gewollte Art der Teamzusammenarbeit. Statt dass Holger von seinen ungeprüften Annahmen ausgeht, ist wichtig, die Situationen der Mitarbeitenden besser zu verstehen. Dafür sind wertschätzende und lösungsorientierte Gespräche mit ihnen unumgänglich, er muss sich mehr auf sie als Person einlassen, so verschieden wie sie sind. Und die bereitgestellten digitalen Kommunikationsmedien müssen die Zusammenarbeit tatsächlich auch ermöglichen.