1.1 Die Doppelrolle der Führungskraft
Führungskräfte haben eine Doppelfunktion inne: Sie gestalten die Arbeitsbedingungen für ihre Mitarbeiter, und zugleich stellt ihr Führungsverhalten selber eine Arbeitsbedingung dar. Das Wohlbefinden der Beschäftigten hängt maßgeblich davon ab, ob sie sich von ihrer Führungskraft wertgeschätzt, respektiert, einbezogen und informiert fühlen oder nicht. Wenn Mitarbeiter sich ignoriert, ausgegrenzt, ungerecht behandelt oder gar gemobbt fühlen, stellt das Führungsverhalten eine potenzielle arbeitsbedingte Gesundheitsgefahr dar, wie Abb. 1 zeigt. Psychosoziale Gesundheitsgefahren sind eine Subgruppe der psychischen Gesundheitsgefahren, die wiederum einen Teilaspekt der arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren darstellen. Ihre Prävention ist ein Aufgabenfeld auch für Arbeitsschützer.
Abb. 1: "Psychotoxisches" Führungsverhalten als potenzielle arbeitsbedingte Gesundheitsgefahr
Abgesehen von ihrer Doppelrolle hat die Führungskraft zusätzlich eine Vorbildfunktion. Wie bei anderen Arbeitsschutzbelangen orientieren sich die Mitarbeiter auch beim Thema Gesundheit an ihren Vorgesetzten. Die Art und Weise des Umgangs miteinander und der Umgang mit der eigenen Gesundheit werden von den Mitarbeitern imitiert, selbst wenn dies den Führungskräften nicht immer bewusst ist. Jede durchgearbeitete Mittagspause und jede E-Mail, die um Mitternacht geschrieben wird, signalisiert Einsatzbereitschaft ohne Rücksicht auf Erholungszeiten.
Bei sich selbst beginnen
Wer andere gesund führen will, muss bei sich selbst damit anfangen.
Die Gesundheit der Führungskraft ist zahlreichen Risiken ausgesetzt. Viele Führungskräfte sehen sich gezwungen, mit immer weniger Personal immer mehr Leistung zu erbringen, wenn sie ihre eigene Zielvereinbarung erfüllen wollen. Die Folgen sind v. a. bei außertariflich bezahlten Führungskräften exzessive Mehrarbeit und eine mangelnde Trennung von Berufs- und Privatleben (Arbeiten am Wochenende, im Urlaub).
Pause auch für Führungskräfte
Achten Sie darauf, dass die Führungskräfte in Ihrem Unternehmen als gutes Beispiel vorangehen, z. B. hinsichtlich der Pausengestaltung. Damit erreichen Sie mehrere Ziele auf einmal:
- die innerbetriebliche Vernetzung wird verbessert,
- die sprichwörtliche Einsamkeit der Führungskraft wird reduziert,
- die Führungskraft kann auftanken (besser als mit dem Käsebrot vorm PC),
- die Mitarbeiter erhalten das Signal "Pause-Machen ist erlaubt".
1.2 Psychosozialer Arbeitsschutz
Aus der Doppelfunktion der Führungskraft ergibt sich, dass Maßnahmen zur gesundheitsgerechten Führung zugleich der Verhaltens- und der Verhältnisprävention dienen. Wenn sich das Führungsverhalten in eine gesundheitsgerechte Richtung verändert, tut das der Gesundheit der Führungskräfte gut, und gleichzeitig verbessern sich die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten – also die Verhältnisse – und damit deren psychosoziale Gesundheit.
Diese Entwicklung kann grundsätzlich auf 2 Wegen geschehen, wie Abb. 2 zeigt:
- indem Belastungen, wie z. B. krankmachende Äußerungen, reduziert werden,
- indem Ressourcen aufgebaut werden, wie z. B. Anerkennung oder soziale Unterstützung durch die Führungskraft.
Abb. 2: 2 Wege zur Förderung der psychosozialen Gesundheit
Psychosozialer Arbeitsschutz hat zum Ziel, die zwischenmenschlichen Arbeitsbedingungen salutogen zu gestalten, sodass sich alle am Arbeitsplatz wohlfühlen. Zwar trägt letztlich jeder einzelne im Betrieb Verantwortung für die eigene Gesundheit und auch für das Wohlbefinden im Umgang miteinander. Aber die Führungskräfte stehen aufgrund ihrer Mehrfachfunktion besonders im Fokus, nämlich mit ihrer eigenen Gesundheit, die gefördert werden soll, und mit ihrer Aufgabe, die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern und für ein gesundes Betriebsklima zu sorgen.
1.3 Führungsverhalten und Anwesenheit
Führungskräfte beeinflussen mit ihrem Verhalten nicht nur das Wohlbefinden und die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, sondern auch deren Anwesenheitsquote. Als fehlzeitenförderlich gelten:
- schlechtes Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern,
- autoritärer Führungsstil,
- Desinteresse an den Mitarbeitern,
- Ungleichbehandlung,
- geringe Beteiligung an Entscheidungen.
Umgekehrt wirkt es anwesenheitsfördernd, wenn die Führungskraft
- eigene Fehler zugeben kann,
- auf die Ideen der Mitarbeiter eingeht und diese einbezieht,
- positives Feedback gibt.
Das bedeutet nicht, dass die Führungskraft die Verantwortung für die Höhe der Anwesenheitsquote in ihrem Bereich allein trägt. Vielmehr ist sie ein Einflussfaktor unter mehreren. Auch Persönlichkeitsfaktoren wie Einstellungen und Erfahrungen der Mitarbeiter spielen eine Rolle, ebenso saisonale Faktoren oder die häusliche Lebenssituation der Beschäftigten.
Anwesenheitsförderndes Führungsverhalten
Führungskräfte sind nicht alleinverantwortlich für die Fehlzeitenquote in ihrem Bereich. Aber sie sollten ihr Führungsverhalten darauf hinterfragen, ob es anwesenheitsförderlich ist. Wichtig sind diesbezüglich folgende ...