Erste repräsentative Informationen zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung lieferte 2016 die Studie "Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland" (HLS-GER). Die Studie zeigt, dass rund 46 % der Befragten die eigene Gesundheitskompetenz als exzellent und ausreichend einschätzen, rund 54 % der Befragten dagegen nur als eingeschränkt.
Die vom BMG geförderte, im Februar 2021 publizierte Folgestudie "Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der Corona Pandemie: Ergebnisse des HLS-GER 2" hat die Messung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland weiterentwickelt. Zugleich ermöglicht sie einen Vergleich der Gesundheitskompetenz vor und während der Corona-Pandemie.
Demnach hat sich die selbst eingeschätzte Gesundheitskompetenz in Deutschland graduell verschlechtert: Fast 40 % schätzen danach ihre Gesundheitskompetenz als exzellent oder ausreichend ein, während fast 60 % ihre Gesundheitskompetenz nur als eingeschränkt oder sogar unzureichend wahrnehmen (s. Abb. 1).
Abb. 1: Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland
2.1 Studienlage: Allgemeine Gesundheitskompetenz
58,8 % der Bevölkerung in Deutschland weisen nach dem HLS-GER 2 eine geringe Gesundheitskompetenz auf. Während der Corona-Pandemie hat sich die Gesundheitskompetenz jedoch aufgrund der notwendigen Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung um 3 %-Punkte verbessert. Die Beurteilung von Informationen fällt der Bevölkerung am schwersten: 74,9 % der Befragten verfügen hier über eine geringe Gesundheitskompetenz und auch bei der Anwendung von Gesundheitsinformationen ist der Anteil geringer Gesundheitskompetenz mit 53,7 % relativ hoch.
Ergänzende Informationen zu den Ergebnissen der Studie
- Im Bereich der Gesundheitsförderung ist mit 67,7 % der höchste Anteil an geringer Gesundheitskompetenz vorzufinden,
- im Bereich Prävention beläuft er sich auf 54,8 %,
- im Bereich Krankheitsbewältigung/Versorgung auf 45,2 %.
Personen mit hoher Gesundheitskompetenz verhalten sich gesundheitsförderlicher:
- 49,6 % der Befragten mit exzellenter Gesundheitskompetenz essen täglich Obst, Gemüse oder Salate.
- Bei Personen mit inadäquater Gesundheitskompetenz sind es lediglich 31,0 %.
Befragte mit geringer Gesundheitskompetenz weisen mehr krankheitsbedingte Fehltage auf:
- 35,4 % der Befragten mit exzellenter Gesundheitskompetenz waren während der letzten 12 Monate 6 Tage oder länger krankgeschrieben,
- bei Personen mit inadäquater Gesundheitskompetenz waren es 49,6 %.
Personen mit geringer Gesundheitskompetenz nutzen das Gesundheitssystem häufiger:
- 13,6 % der Befragten mit exzellenter Gesundheitskompetenz verzeichneten 6 oder mehr Hausarztkontakte in den letzten 12 Monaten,
- bei Personen mit inadäquater Gesundheitskompetenz waren es 27,8 %.
Diese Zusammenhänge sind während der Corona-Pandemie noch stärker geworden:
- Der Anteil geringer digitaler Gesundheitskompetenz beträgt 75,8 %.
- Besonders ältere Menschen ab 65 Jahren (86,0 %) und Menschen mit geringer Bildung (86,7 %) weisen eine geringe digitale Gesundheitskompetenz auf.
Während der Corona-Pandemie hat sich die digitale Gesundheitskompetenz verbessert. Das gilt speziell für jüngere Altersgruppen, für ältere Menschen nicht:
- Internetseiten zum Thema Gesundheit werden von fast zwei Dritteln der Bevölkerung genutzt,
- von 35,8 % werden sie nie genutzt.
Digitale Geräte:
- werden von 68,5 % der Bevölkerung nie genutzt,
- Gesundheits-Apps werden von 79 % nicht genutzt.
Während der Corona Pandemie hat die Nutzung digitaler Gesundheitsinformations- und Kommunikationsmöglichkeiten zugenommen.
Die kommunikative Gesundheitskompetenz ist besser ausgeprägt. Der Anteil geringer Gesundheitskompetenz beträgt hier 35,7 %. Vor allem die Verständlichkeit von Begriffen (46,5 %) und die Zeitknappheit (47,5 %) werden für schwierig in der Kommunikation mit Ärzten gehalten.
2.2 Allianz für Gesundheitskompetenz: Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz
Basierend auf diesen Ergebnissen und weiteren vergleichbaren Studien, haben anerkannte Experten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) im Anschluss an die Gründung der "Allianz für Gesundheitskompetenz" im Jahr 2018 aus wissenschaftlicher Perspektive einen "Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz" erarbeitet.
Der Aktionsplan ist mit Repräsentanten aus Politik, Zivilgesellschaft, Angehörigen unterschiedlicher Gesundheitsberufe und Patienten- und Bürgervertretungen abgestimmt worden. Er enthält 15 Empfehlungen in den 4 folgenden Handlungsfeldern:
- Die Gesundheitskompetenz in allen Lebenswelten fördern.
- Das Gesundheitssystem gesundheitskompetent und nutzerfreundlich gestalten.
- Gesundheitskompetent mit chronischer Erkrankung leben.
- Gesundheitskompetenz systematisch erforschen.
Ziel ist, die Vorschläge des Aktionsplans so breit wie möglich in der Praxis zu verankern und über Workshops und Strategiepapiere alle maßgeblichen Organisationen und Verantwortlichen im Gesundheitswesen dafür zu gewinnen, die Empfehlungen des Aktionsplans aufzugreifen und umzusetzen.
Eine steigende Gesundheitskompetenz der Bevölkerung nützt nicht nur jedem Patienten, sondern auch...