Rz. 16
Abs. 4 enthält einen abschließenden Katalog von Verfahren, in denen das Gericht dem Gläubiger die Kosten ganz oder teilweise auferlegen kann, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht. Eine ausdehnende Auslegung des Abs. 4 oder eine analoge Anwendung in anderen Verfahren ist ausgeschlossen. Erfasst sind folgende Verfahren: der Vollstreckungsschutz in Härtefällen (§ 765a ZPO), die Austauschpfändung (§ 811a ZPO), die vorläufige Austauschpfändung (§ 811b), Forderungspfändung (§ 829 ZPO), die Aufhebung der Kontopfändung bei Guthaben aus Arbeitseinkommen (§ 850k ZPO), Anordnung der Unpfändbarkeit von Kontoguthaben auf dem Pfändungsschutzkonto (§ 850l ZPO), bei Forderungen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse (§ 851a ZPO) und bei Miet und Pachtzinsforderungen (§ 851b ZPO). Unberührt bleiben materiell-rechtliche Ausgleichsansprüche.
Rz. 17
Nur die in den besonderen Verfahren anfallenden Kosten sind von Abs. 4 erfasst, nicht alle aus der fraglichen Vollstreckung resultierenden Kosten der Zwangsvollstreckung, also nicht die Kosten der den besonderen Verfahren zugrunde liegenden Maßnahmen. Die Kosten der Verfahren nach den §§ 765a, 811a, 811b, 829, 850k, 850l, 851a, 851b ZPO sind ihrerseits Teil der Vollstreckungskosten. Sie müssten also nach der allgemeinen Regel des Abs. 1 vom Schuldner getragen werden. Da dies unbillig sein kann, gestattet es das Gesetz, diese besonderen Kosten ganz oder teilweise dem Gläubiger aufzuerlegen.
Rz. 18
Die Billigkeit entscheidet. Trotz der "Kann-Bestimmung" ist die Entscheidung nach Abs. 4 nach h. M. keine Ermessensentscheidung, sondern eine rechtsgebundene Entscheidung (MünchKomm/ZPO-Schmidt/Brinkmann, § 788 Rn. 45). "Billigkeit" ist ein unbestimmter, der Konkretisierung bedürftiger Rechtsbegriff. Abs. 4 ist die Ausnahme von der Regel des Abs. 1. Das Gericht entscheidet also nicht einfach darüber, inwieweit die Kosten billigerweise vom Gläubiger oder vom Schuldner zu tragen sind. Es hat vielmehr vom Grundsatz der Kostentragungspflicht des Schuldners auszugehen (Abs. 1) und hiervon abzuweichen, wenn und soweit dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht. Dazu genügt nicht, dass der Gläubiger mit einem Verfahren nach §§ 765a, 813b, 829, 850k, 851a, 851b ZPO hätte rechnen können, vielmehr muss der Erfolg des Vollstreckungsschutzantrags auf dem Verhalten des Gläubigers beruhen. Dieser engen Auslegung des Abs. 4 liegt der Gedanke zugrunde, dass auch bei Erfolg eines Vollstreckungsschutzantrags die Rechtmäßigkeit der Gläubigervollstreckung grundsätzlich außer Zweifel steht. Führen allein die (meist sozialen) Umstände beim Schuldner zum Erfolg des Vollstreckungsschutzantrags, hat er die Kosten der Vollstreckung allein zu tragen. Das gilt auch bei Erfolg des Antrags im Beschwerdeverfahren, denn es ist nach der Interessenlage gleich, ob der Schuldner schon im ersten oder im zweiten Rechtszug mit seinem auf soziale Gesichtspunkte gestützten Antrag Erfolg hat. Die h. M. verlangt deshalb das Beharren auf einer offensichtlich aussichtslosen, den Schutzinteressen des Schuldners zuwiderlaufenden Vollstreckungsmaßnahme.
Rz. 19
Die Kostenentscheidung nach Abs. 4 erlässt das Vollstreckungsgericht im Rahmen der Verfahren nach den genannten Vorschriften. Zuständig ist der Rechtspfleger. Eine Kostenentscheidung ist stets zu empfehlen. Notwendig ist sie nur, wenn das Gericht von der Befugnis des Abs. 4 Gebrauch machen will. Fehlt die Kostenentscheidung, so ist der Beschluss nicht etwa unvollständig, sondern es bleibt bei Abs. 1.