Rz. 162
In der Praxis greifen Gläubiger sowohl im Rahmen der Mobiliar- als auch im Rahmen der Immobiliarvollstreckung auf Miet- und Pachteinnahmen zu. Hinzu kommt, dass parallel auch ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Bei dieser Konkurrenz ist Folgendes zu beachten:
9.9.3.1 Pfändungen im Rahmen der Mobiliarvollstreckung durch Einzelgläubiger
Rz. 163
Gläubiger G. 1 pfändet wegen 2.000 EUR die Mieteinnahmen des Schuldners S. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird dem Mieter M. als Drittschuldner am 15.8. zugestellt.
Beispiel 1
Gläubiger G. 2 – eine Bank – pfändet wegen einer Forderung von 4.000 EUR anschließend. Dessen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird am 23.8. dem M. zugestellt.
Lösung: Die Pfändung des G. 1 geht der des G. 2 vor, da er das bessere Pfandrecht hat (Prioritätsprinzip).
Beispiel 2
Gläubiger G. 2 lässt sich wegen einer Forderung von 4.000 EUR auf dem Grundstück des S. eine Zwangssicherungshypothek eintragen und pfändet anschließend wegen seines dinglichen Anspruchs ebenfalls die Mieteinnahmen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird am 23.8. dem M. zugestellt.
Lösung: G. 1 geht dem G. 2 weiterhin im Rang vor, obwohl dieser wegen seines dinglichen Anspruchs aus der Zwangssicherungshypothek die Vollstreckung betreibt. Grund: Die Befriedigung des G. 2 findet vorrangig nur aus einem besonderen dinglichen Titel dann statt, wenn dieser Titel auf Duldung der Vollstreckung in das belastete Grundstück aus der Hypothek lautet. Einen solchen Titel hat G 2 aber durch die Eintragung der Zwangssicherungshypothek gerade nicht erwirkt (BGH, Vollstreckung effektiv 2008, 104).
Beispiel 3
Gläubiger G. 2 – eine Bank – pfändet aus ihrer im Grundbuch des S. eingetragenen
Grundschuld/Hypothek wegen einer Forderung von 20.000 EUR. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird am 23.8. dem M. zugestellt.
Lösung: Die Pfändung des G. 2 geht derjenigen des G. 1 vor, wenn dieser aus seinem dinglichen Anspruch die Pfändung betreibt (BGH, Vollstreckung effektiv 2008, 104). Dies ist vorliegend der Fall. Grundlage der Pfändung muss der dingliche Anspruch sein. Bei einer Vollstreckung aufgrund einer Unterwerfungserklärung in einer notariellen Urkunde gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO wegen einer dinglichen Forderung ist diese Voraussetzung erfüllt. Es handelt sich daher bei der Unterwerfungserklärung um einen Duldungstitel i. S. d. § 800 ZPO. Folge: G.2 verdrängt den G. 1 von seinem Pfandrecht. G. 2 stehen die Mieteinnahmen aufgrund der Pfändung ab dem 1.10. zu (§ 1124 BGB).
9.9.3.2 Pfändungen im Rahmen der Immobiliarvollstreckung
Rz. 164
Als Möglichkeiten der Immobiliarvollstreckung kommen neben der Eintragung einer Sicherungshypothek sowohl die Zwangsversteigerung als auch die Zwangsverwaltung in Betracht. Mit Anordnung der Zwangsverwaltung bzw. -versteigerung wird bei dem Grundbuchamt ein Zwangsverwaltungs- bzw. Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen (sog. Beschlagnahme, §§ 20, 21 ZVG). Die Beschlagnahme im Rahmen der Zwangsversteigerung umfasst nicht Miet- und Pachtforderungen. Folge: Solange nur die Zwangsversteigerung durch einen (Grundpfandrechts-) Gläubiger beantragt wurde, wird das bessere Pfandrecht bei bereits zuvor gepfändeten Miet- und Pachteinnahmen durch einen anderen Gläubiger nicht beeinträchtigt.
Rz. 165
Nach §§ 148, 21 Abs. 2 ZVG, § 1123 Abs. 1 BGB erstreckt sich nur die Zwangsverwaltung auch auf die Miet- und Pachtzinsforderungen, und zwar auch auf solche, die bis zu einem Jahr rückständig sind, soweit die Forderung fällig ist (§ 1123 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist die Miete bzw. Pacht im Voraus zu entrichten, erstreckt sich die Befreiung nicht auf die Miete oder Pacht für eine spätere Zeit als den zurzeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat. Erfolgt die Beschlagnahme nach dem 15. des Monats, erstreckt sich die Befreiung auch auf die Miete oder Pacht für den folgenden Kalendermonat (§ 1123 Abs. 2 Satz 2 BGB). Wenn der Schuldner also über die Miete bzw. Pacht im Voraus verfügt hat, z. B. durch Abtretung, bleibt diese Verfügung dem Gläubiger gegenüber zunächst wirksam (§ 1124 Abs. 1 BGB). Dieselbe Wirkung tritt bei einer Pfändung ein. Sie wird einer rechtsgeschäftlichen Verfügung gleichgestellt. Unwirksam ist die Verfügung (Pfändung) aber, soweit sie sich auf die Miete oder Pacht für eine spätere Zeit als den zurzeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat bezieht; erfolgt die Beschlagnahme nach dem 15., ist die Verfügung wirksam, als sie sich auf die Miete oder Pacht für den folgenden Kalendermonat bezieht (§ 1124 Abs. 2 BGB).
Beispiel 1
Im Eigentum des Schuldners S. steht ein Einfamilienhaus, das er an seinen Mieter M. vermietet. Am 16.10. wird die Zwangsverwaltung über das Grundstück angeordnet. M. hat am 1.10. den gesamten Mietzins für die Monate Oktober, November und Dezember an den S. entrichtet.
Lösung: Die Mietzinsen für Oktober und November hat der M. befreiend an den S. geleistet. Die Miete für Dezember muss er erneut an den Zwangsverwalter entrichten.
Beispiel 2
Gläubiger G. pfändet die Mieten des Schuldners S. Am 14.10. wird die Zwangsverwaltung üb...