1 Normzweck/Regelungsgehalt
Rz. 1
Die Vorschrift bezieht sich nur auf die in § 835 Abs. 1 ZPO genannten Überweisungsarten, nicht auf diejenigen des § 844 ZPO. Die Norm ergänzt § 835 ZPO und stellt die Wirkungen der Überweisung klar. Abs. 1 ersetzt die Einziehungsermächtigung nach §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB (LG Mühlhausen, 27.5.2008, 83 O 122/08 - Juris). Das gilt aber nur dann, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wirksam ist (vgl. AG Hünfeld, DGVZ 2005, 110). Abs. 2 gilt lediglich bei nur fehlerhaftem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Existiert demnach die Forderung bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht, greift Abs. 2 daher nicht.
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, zu dem die entsprechend Abs. 3 Satz 2 und 3 vollstreckbare Verpflichtung gehört, den überwiesenen Anspruch zu betreiben (LG Bochum, PStR 2014, 33; BGH, NJW 2004, 954 = BGHZ 157, 195 = WM 2004, 394 = FamRZ 2004, 532 = ZVI 2004, 84 = BGHReport 2004, 556 = JurBüro 2004, 209 = DGVZ 2004, 57 = Rpfleger 2004, 228 = ZIP 2004, 528 = MDR 2004, 535 = KKZ 2005, 36 = VuR 2004, 148 – Steuererstattungsanspruch; a. A. BGH, Vollstreckung effektiv 2008, 100 = NJW 2008, 1675 = Rpfleger 2008, 372 = MDR 2008, 765 = BGHReport 2008, 717 = DGVZ 2008, 156 = KKZ 2010, 63 = FamRZ 2008, 1174 = FamRB 2008, 240 = FoVo 2008, 68: § 836 ZPO regelt nur die Pflichten des Schuldners, Auskunft zu erteilen und Urkunden herauszugeben. Eine Befugnis des Gläubigers, eine darüber hinausgehende Mitwirkung des Schuldners bei der Beitreibung, insbes. rechtsgestaltende Handlungen zu verlangen und zu erzwingen, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen). Durch die Pfändung ändert sich weder die materiell-rechtliche Lage des Schuldners noch die Rechtsstellung des Drittschuldners im Verhältnis zum Vollstreckungsschuldner als seinem Gläubiger (BVerfG, NJW 2014, 3213; BAGE 173, 46-66).
Grundlage für die Einziehung einer gepfändeten Forderung ist nicht das Entstehen eines Pfändungspfandrechts, sondern die Verstrickung. Die bloße Anfechtbarkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. der Umstand, dass ein Pfändungspfandrecht nicht entstanden ist, kann im Einziehungsprozess deshalb solange nicht berücksichtigt werden, als die Verstrickung fortdauert (OLG Saarbrücken InVo 2005, 66).
2 Formerfordernisse (Abs. 1)
Rz. 2
Die Überweisung ersetzt nach Abs. 1 ZPO die förmlichen Erklärungen des Schuldners, von denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Berechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist (BGH, Rpfleger 2017, 99 = DGVZ 2017, 35 = ZIP 2017, 399 = JR 2019, 25 = IBR 2017, 53 = MDR 2017, 14 = Vollstreckung effektiv 2017, 22). Die Regelung stellt klar, dass eventuell nach materiellem bürgerlichem Recht erforderliche förmliche Erklärungen des Schuldners durch den mit dem Überweisungsbeschluss vorgenommenen Staatsakt ersetzt werden, wenn diese für die Verschaffung der dem Gläubiger durch den Überweisungsbeschluss eingeräumten Kompetenzen materiell-rechtlich vorausgesetzt wären (MünchKomm/ZPO-Smid, § 836 Rn. 2).
Die Forderungsabtretung nach § 398 BGB ist grundsätzlich zwar nicht formbedürftig; das materielle Recht stellt für die Abtretung einer Forderung jedoch in bestimmten Fällen Formerfordernisse auf. Die Überweisung nach § 835 ZPO wirkt insoweit rechtsübertragend. Mit der Pfändung und Überweisung ist der Gläubiger z. B. berechtigt, auf Leistung an sich zu klagen und mit Erfüllungswirkung anzunehmen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 6.3.2014, 4 Sa 295/13 – Juris). Ebenso erwirbt der Gläubiger durch die Pfändung und Überweisung des Rentenanspruchs des Schuldners auch das Recht, die Rente zu beantragen (LG Wiesbaden NJW-RR 1996, 59). Dies soll nach Abs. 1 auch dann gelten, wenn das materielle Recht für die Übertragung eine bestimmte Form verlangt. So bedarf z. B. die Abtretung einer durch eine Hypothek gesicherten Forderung der Form des § 1154 BGB. Der Überweisungsbeschluss ersetzt hierbei nach Abs. 1 die erforderliche Form. Das gilt auch für die in Art. 18 WG und Art. 23 ScheckG vorgesehene Form des Inkassoindossaments. Dagegen ersetzt sie nicht das Vollindossament auf Wechseln und Schecks, da der Schuldner nicht einem Rückgriff (Art. 3 WG) ausgesetzt werden soll. Diese Wirkung ginge über die Intention des § 835 ZPO hinaus (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus, § 836 Rn. 2).
2.1 Überweisung an Zahlung statt
Rz. 2a
Bei der Überweisung der Forderung an Zahlung statt zum Nennwert steht – im Gegensatz zur Überweisung zur Einziehung – dem Gläubiger die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die Forderung – einschließlich der dazugehörenden Nebenrechte zu, allerdings nur in Höhe der zu vollstreckenden Forderung. Da die Forderung aus dem Vermögen des Schuldners ausscheidet, steht sie dem Gläubiger zu, was zu einem Gläubigerwechsel führt (LSG Rheinland-Pfalz, NZS 2019, 240). Die Einziehungsberechtigung der gepfändeten Forderung steht daher dem Gläubiger unmittelbar aus dessen Rechtsstellung zu (vgl. auch § 835 Rz. 21 ff.).
2.2 Überweisung zur Einziehung
Rz. 2b
Bei der Überweisung zur Einziehun...